Bleiben wir bei Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage. Gibt es Ihrer Einschätzung nach überhaupt genügend Angebote für institutionelle Anleger?
Wagner: Es gibt rund um die Kapitalanlage bestimmte Konzepte, wie dort Nachhaltigkeit etabliert werden kann. Das sind beispielsweise definierte Ausschlusskriterien. Positivlisten funktionieren genau umgekehrt: Sie definieren nachhaltige Unternehmen und Branchen, in die bevorzugt investiert werden soll. Es kann auch direkt in Unternehmen investiert werden, die Nachhaltigkeit fördern - denken Sie zum Beispiel an Windkraft- und Sonnenenergie-Erzeuger.
Für sogenannte ‚schmutzige Industrien‘, die nicht sinnvoll sofort alle ausgeschlossen werden sollten, gibt es Best-in-Class-Strategien: Hier werden Unternehmen miteinander verglichen und jene bevorzugt, die eine vergleichsweise gute Öko-Bilanz aufweisen. Auch mit Engagement und Active Ownership lässt sich viel erreichen. Dabei nutzen Investoren z.B. Hauptversammlungen und Management-Gespräche, um Nachhaltigkeitsthemen voranzubringen.
Es gibt also eine ganze Reihe von Ansätzen, aus denen die Investoren - Versicherer, Pensionskassen oder auch Versorgungswerke - wählen, welche Ansätze am besten zu den eigenen Strategien passen.
Die Bereitstellung entsprechender Daten ist jedoch nach wie vor schwierig. Denn was sind eigentlich Kapitalanlagen, die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen? Wie hoch ist ihr Anteil in den Portfolios? Hier ist noch einiges zu tun.
Jost: Der Gedanke und das Ziel, möglichst viel Geld in solche nachhaltigen Projekte zu stecken, ist natürlich absolut sinnvoll. Aber wie Sie richtig gesagt haben - wo sollen die auf einmal alle herkommen? So viel Geld, wie derzeit beispielsweise in Photovoltaik-Projekte fließen soll, so viele Photovoltaik-Projekte gibt es noch gar nicht. Es ist tatsächlich gar nicht so einfach, überhaupt entsprechende Investitionsmöglichkeiten zu finden.
Wagner: Hinzu kommt die Dynamik der Rahmenbedingungen. Wer hätte vor dem Ukraine-Krieg gedacht, dass wir doch mal darüber nachdenken müssen, ob ein Abschalten der fossilen Energien ad hoc wirklich so leicht möglich ist? Wer hätte gedacht, dass wir noch mal über Waffen als sozial nachhaltige Investments nachdenken? Die Dynamik aller Rahmenbedingungen und Nachhaltigkeitsanforderungen können politisch kaum in Stein gemeißelt sein, weil es auch um andere Themen geht.
Ginge es ausschließlich um Umwelt-Themen, könnte ja noch argumentiert werden, dass es eine wissenschaftliche Evidenz gibt. Aber es geht eben auch um ‚Social‘. Der Gesetzgeber kann gar nicht anders, als die Regulierung ständig anzupassen. Nachhaltigkeit ist kein Projekt, das nach der Umsetzung abgeschlossen ist. Nachhaltigkeit ist eine Aufgabe, die nicht mehr endet.
Was kann Nachhaltigkeit im Risikomanagement konkret bedeuten?
Wagner: Es gibt viele Ansatzpunkte und Herausforderungen im Risikomanagement. Werden regulatorische Anforderungen nicht oder mangelhaft erfüllt, gibt es ein Rechtsrisiko. Zudem gilt es, Reputationsrisiken zu beachten. Denken Sie z.B. im Zusammenhang mit den Berichterstattungspflichten an das Stichwort Greenwashing. Ich habe den Eindruck, dass die Berichterstatter inzwischen mehr Angst davor haben, angreifbar zu berichten, als nicht nachhaltig genug zu sein - aus Furcht vor einem Shitstorm, der dann hereinbrechen könnte.
Im Grunde genommen gibt es keinen Bereich der Wertschöpfungskette, der frei von Nachhaltigkeitsanforderungen ist. Und wenn diese Anforderungen nicht erfüllt werden, drohen Risiken. Es muss also auch ein Nachhaltigkeits-Risikomanagement etabliert werden; jenseits des traditionellen Risikomanagements, das sich auf finanzielle Risiken fokussiert.