Auch Versicherer spüren die Krise und einige reagierten bereits mit Bestandssanierungen. Betroffen waren insbesondere Entsorgungsunternehmen, Kunststoffwerke und die Holzindustrie. Zudem solche Betriebe, die weniger als 500 Millionen Euro Umsatz im Jahr schreiben. Setzt sich dieses Verhalten am Markt weiter fort?
Ja leider. Versicherer haben seit längerem begonnen, ihre Bestände zu sanieren. Was ja grundsätzlich ok ist, aber die Art, wie es gemacht wurde, war schon fragwürdig. Alles, was ein höheres Risiko darstellte, bekam entweder extreme Auflagen oder wurde gekündigt. Und dieser Trend setzt sich ganz klar fort. Ich hätte mehr Feingefühl und Unterstützung von den Versicherern erwartet. Nur ein kleines Beispiel: Ein seit 90 Jahren schadenfreier Betrieb bekommt Besuch vom Versicherer und dieser stellt eine Lagerhöhe von 8 Metern fest. 50 cm über der “magischen“ Grenze von 7,5 Metern. Der Versicherer verlangt nun den Einbau einer Sprinkleranlage, die rund 2,5 Mio. kosten würde, aber technisch aufgrund von Bauweise und Statik gar nicht einfach eingebaut werden kann. Verhandlungen über andere Lösungen scheitern. Der Versicherer ist einfach stur und spricht die Kündigung aus. Ein anderer Versicherer konnte auf die Anlage verzichten, wenn man die Lagerhöhe auf 7,5 Meter begrenzt, was der Kunde dann auch getan hat. Hier sieht man deutlich, wie absurd und inkompetent manche Versicherer agieren.
Wie können Gewerbemakler bei solchen ‚Bestandssanierungen‘ hilfreich für ihre Mandanten wirksam werden?
Der Makler kann hier einiges tun: Er kann mit Versicherern versuchen, einen für alle Seiten gangbaren Weg zu finden. Im Grunde geht es darum, das Risiko so zu managen, dass es versicherbar bleibt oder wird.
Makler müssen sich zu Risikomanagern weiterentwickeln. Nur Versicherungsschutz zu besorgen, ist schon lange vorbei.
Spüren Sie als Vermittler, dass bei Versicherern Fachkräfte fehlen? Können Sie Beispiele nennen?
Und ob. Besonders bei großen Kompositversicherern bemerken wir fehlende Fachkräfte. Man kommt kaum noch zu Underwritern durch. Und auch von den Gesellschaften höre ich, dass solche Leute fehlen und man keine bekommt. Wir bekommen mit, dass sich der Krankenstand auch stark erhöht und die Mitarbeiter vollkommen überlastet sind. Rückstände von vielen Wochen sind keine Seltenheit. Das ist auch ein Grund, warum KI und Digitale Prozesse nach vorne getrieben werden. Wenn keine Fachleute mehr da sind, müssen Tarife und Prozesse so gestaltet sein, dass es durch die EDV verarbeitet werden kann. Die Individualität bleibt dabei aber auf der Strecke.
Bearbeitungszeiten werden immer länger. Immer weniger müssen immer mehr machen – das zeigt sich an Rückständen.
Ein Versicherer holt z.B. ehemalige Mitarbeiter, die in Rente sind, mit einem Bus ab und bringt diese in die Verwaltung, damit die etwas unterstützen können.
Kürzlich stellte das AfW-Vermittlerbarometer fest, dass Nachhaltigkeit von den Kunden kaum nachgefragt wird. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Nachhaltigkeit ist für die meisten ein sehr abstrakter Begriff, der aus dem Anlagebereich kommt. Kaum jemand kann erklären, was genau damit verbunden ist. Und im Sachversicherungsbereich wird es sowas sehr abstrakt. Die Kunden interessiert, wie die Police gestaltet ist, Bedingungen, Kosten. Die Thematik Nachhaltigkeit wird von vielen in die ‚woke‘-Schublade gesteckt und mit grüner Gesinnung gleichgesetzt. Hier werden Versicherer wohl noch viel Aufklärungsarbeit leisten müssen.
Wie beeinflusst die digitale Transformation den Gewerbemarkt und welche neuen Chancen und Risiken ergeben sich daraus für Versicherer und Gewerbemakler?
Man versucht natürlich, auch im Gewerbemarkt digitale Prozesse abzubilden. Versicherer entwickeln Tarife, die bestimmte gewerbliche Risiken abdecken und von der Angebotsanfrage bis zur Policierung digital verarbeitet werden. Aber Individualisierung bleibt dabei auf der Strecke. Ich sehe hier durchaus Chancen, dass Teilbereiche sehr strukturiert und logisch abgebildet werden können. Es kann aber nur eine Unterstützung sein. Die Risiken sehe ich darin, dass gerade im Gewerbebereich der Anwender sich zu sehr darauf verlässt – und dadurch Risiken nicht erkannt werden und Bereiche unversichert bleiben.
In der Zusammenarbeit mit Versicherern sehe ich die größten Chancen; aber auch die größten Schwierigkeiten.
Die Fragen stellte Michael Fiedler