Chef der Verbraucherzentralen fordert erneut Aus für die Riester-Rente

Quelle: geralt@pixabay.com

Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), fordert erneut das Aus für die Riester-Rente. Diese sei nicht zukunftsfähig, ein öffentlich verwalteter Fonds auf Aktienbasis solle an ihre Stelle treten. Ein solches Produkt will die aktuelle Bundesregierung zumindest prüfen.

Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), hat in einem Interview die neue Bundesregierung dazu aufgefordert, die private Altersvorsorge umfassender zu reformieren. Im Visier hat er hierbei vor allem die staatlich geförderte Altersvorsorge. „Die Riester-Rente ist nicht zukunftsfähig und braucht mit einem guten Bestandsschutz tatsächlich eine Neuregelung“, sagte der Verbandschef der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Der Koalitionsvertrag aus SPD, FDP und Grünen sei in dieser Frage enttäuschend: „An dieser Stelle hat die Koalition nicht das geliefert, was sie hätte liefern können“, so seine Einschätzung.

Die Kritik der Verbraucherzentralen an der Riester-Rente ist nicht neu: Wiederholt haben die Verbände hohe Kosten und fehlende Transparenz kritisiert. In Zeiten dauerhaft niedriger Zinsen gesellt sich hinzu, dass die gesetzlich festgeschriebene Beitragsgarantie -Beiträge und Zulagen müssen zu Beginn der Rentenphase zur Verfügung stehen- die Verträge zusätzlich belastet. Denn die Garantie erfordert nicht nur viel Eigenkapital: Sie muss auch mit festverzinslichen Wertpapieren unterfüttert werden. Papiere, die aktuell wenig bis nichts einbringen. Das verteuert die Verträge und schmälert die Rendite. Aus diesem Grund fordern auch die Versicherer Reformen: Sie wollen höhere Teile der Kundengelder in Aktien und Fonds investieren dürfen.

Koalitionsvertrag: „Das ist enttäuschend!“

Müller legt nun nach: Im Grunde hätten alle drei Parteien vor der Bundestagswahl erkannt, dass das jetzige System der Riester-Rente viel zu sehr den Versicherern und viel zu wenig den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nütze, behauptet der Verbraucherschützer. Im Koalitonsvertrag seien jedoch bloß Prüfaufträge festgehalten, keine wirklichen Reformen. „Das ist enttäuschend, und das ist zu wenig. Und ich bin sicher, das geht bei der Ampel deutlich besser“, sagte Müller.

Tatsächlich findet sich im Koalitionsvertrag der Regierung deutliche Kritik an dem Modell Riester - Man wolle „die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen“, heißt es darin wortwörtlich. Auch ein öffentlich verwalteter Fonds solle als Alternative geprüft werden - mit einem „effektiven und kostengünstigen Angebot“. Dieser ist als Opt-out-Modell angedacht. Das heißt, jeder Beschäftigte macht mit, solange er nicht explizit widerspricht.

Dass den jetzigen Riester-Sparern im Koalitionspapier ein Bestandsschutz eingeräumt wird, verweist zudem darauf, dass die Regierungsparteien ein komplettes Aus für die Riester-Rente zumindest nicht ausschließen. Laufende Verträge dürfen dann fortgeführt werden: Das Neugeschäft aber wird abgesägt. Doch tatsächlich finden sich im Koalitionsvertrag zu diesen Fragen keine konkreten Absichtserklärungen. Alles steht unter dem Vorbehalt einer vorherigen Prüfung. Wer aber prüfen soll und unter welchen Bedingungen, bleibt ebenfalls offen.

Öffentlicher Fonds laut Müller „einfacher, renditestärker, kostenärmer“

Für die Verbraucherzentralen ist ein öffentlicher Vorsorgefonds die erste Wahl, um Riester zu verdrängen. Bereits 2013 hatte Niels Nauhauser, Ökonom der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, ein solches Modell nach dem Vorbild skandinavischer Länder gefordert. Im April 2019 stellte der Dachverband vzbv dann das Modell der „Extrarente“ vor. Auch hier ist die Idee, ein öffentlich organisiertes Altersvorsorge-Produkt anzubieten, das bei der Deutschen Rentenversicherung angesiedelt sein soll. Der Verband pries es bereits vor zwei Jahren als einen Vorteil gegenüber der Riester-Rente, dass das eingezahlte Geld über Investmentfonds am Kapitalmarkt angelegt werden kann: und somit höhere Renditechancen verspricht. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die „Aktienrente“, mit der die FDP in den Wahlkampf zog.

Entsprechend äußert sich nun auch Klaus Müller in dem dpa-Interview. In anderen Ländern seien mit öffentlich organisierten Vorsorgefonds auf Aktienbasis wesentlich bessere Renditen erzielt worden als mit dem versicherungsgestützten Modell der Aktienrente, argumentiert er. „Es ist einfacher, es ist renditestärker, es ist kostenärmer“, so der 50jährige Volkswirt. Er mahnt: Bei der privaten Altersvorsorge sei der Handlungsbedarf größer als bei der gesetzlichen Rente oder bei den Betriebsrenten, die für viele Menschen eine wertvolle Absicherung seien.

Auch Riester-Anbieter drängen auf Reformen

Doch auch die Versicherer drängen bei der Riester-Rente auf Reformen: freilich, um sie zu stärken und nicht, um sie abzuschaffen. Der Versicherer-Dachverband GDV hart hierzu ebenfalls im Jahr 2019 einen Reformplan vorgelegt. Ein wichtiges Ziel: auch sie wollen künftig weit mehr Geld in Aktien und Fonds anlegen dürfen. Hierfür soll die 100-Prozent-Beitragsgarantie zumindest beschnitten werden, weil diese mit dem aktuellen Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent nicht mehr darstellbar sei. Nach Berechnungen der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) gelänge das mit Anleihen derzeit selbst dann kaum, wenn alle Provisionskosten wegfallen würden.

„Erstens ist ein Kapitalaufbau mit 100-prozentig garantiertem Beitragserhalt mit einem Höchstrechnungszins von künftig 0,25 Prozent kaum möglich. Und zweitens könnte Riester noch viel mehr Menschen erreichen, wenn wir die Förderung auf alle Bevölkerungsgruppen ausweiten und das komplizierte Zulagensystem vereinfachen“, sagte hierzu Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV, im Sommer 2021. „Im Zuge einer Reform lässt sich über ein einfaches, auch digital vertriebenes und kostengünstiges Standardprodukt reden. Die Rahmenbedingungen müssen so ein Produkt aber auch ermöglichen“, so Asmussen weiter.