Ist Datenschutz Fluch oder Segen für die InsurTech-Szene? Welche Rolle kann künstliche Intelligenz (KI) im Vertrieb von Versicherungen spielen und wo sehen Experten Trends? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt von Teil 2 des Interviews mit den Initiatoren der InsurTech-Map.
Versicherungsbote: Ein Ansatz von InsurTechs ist u.a. die verfügbaren Datenmengen so zu nutzen, dass das individuelle Risiko besser eingeschätzt werden kann. Telematik-Tarife in der Kfz-Sparte sind dafür ein Beispiel. Aber auch im Gesundheitsbereich werden solche Ansätze verfolgt. Das prominenteste Beispiel hier sind sicher die Vitality-Tarife von Generali. Kritiker befürchten, dass mit solchen Angeboten das Solidarprinzip - der eigentliche Versicherungsgedanke - ausgehöhlt wird. Was entgegen Sie dem?
Welche Entwicklungs-Trends beobachten Sie gerade und wo sehen Sie gegenwärtig die größten Hürden?
Armalé: Bei den Trends beobachten wir einen starken Schub für hybride Modelle an den Kunden-Touchpoints, das sogenannte "Phygital", also die Kombination von digitalen Kanälen mit der Agenten-Kunden-Beratung. Darüber hinaus steigt das Bewusstsein für die digitalen Risiken im Zusammenhang mit Daten, was die Nachfrage der Kunden nach dem Schutz ihrer persönlichen Daten mit vertrauenswürdigen Lösungen (z. B. Schutz der digitalen ID) erhöhen wird. Und ein Trend, der für Versicherungsunternehmen immer relevanter wird, ist das Thema Nachhaltigkeit. Kunden wollen sehen, dass sich Versicherer zu Themen wie Klimawandel oder soziale Ungerechtigkeit positionieren. ESG-Investments sind dafür ein großer Fingerzeig. Was die Hürden angeht, so ist das Insurtech-Geschäft neben der Regulierung mit hohen Akquisitionskosten verbunden und die Engagement-Zyklen in der Versicherungsbranche sind noch sehr lang. Die Start-ups brauchen genügend Anlaufzeit und Ressourcen. Das bringt uns zu einer weiteren Hürde, nämlich der Höhe des benötigten Kapitals. Zwar zeigt die Insurtech-Branche weltweit ein stetiges Wachstum in Bezug auf Investitionen, in Europa besteht jedoch noch Nachholbedarf, was das Kapital für das Insurtech-Segment angeht.
Letzing: Alles digital, alles intelligent. Dies ist eine natürliche Entwicklung, die vor Jahren im Versicherungssektor begann. In diesem Jahr sehen wir in der Versicherungsbranche ein großes Interesse an intelligenten neuen Wegen der Schadenverhütung, aber auch einen großen Fokus auf das Kundenerlebnis und die Interaktion mit Versicherungsunternehmen durch KI und Gamification-Prozesse. Darüber hinaus gibt es einen großen Fokus in Verbindung mit Cybersecurity und auch KMU.
Iten: Ein spannendes Thema ist "Parametric Insurance": Grundsätzlich sind parametrische (oder indexbasierte) Lösungen eine Art von Versicherung, die die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines vordefinierten Ereignisses abdeckt, anstatt den tatsächlich entstandenen Schaden zu kompensieren. Das Thema ist immer noch in einer frühen Phase, könnte jedoch die Art und Weise wie wir versichern, fundamental verändern. Es gibt schon einige Startups und größere Versicherungen, die an diesem Konzept arbeiten
Wie kann KI den Vertrieb von Versicherungen beeinflussen?
Armalé: Durch die Generierung von Leads, basierend auf Kundenbedürfnissen, zur richtigen Zeit. Aggregierte Daten aus mehreren Kanälen liefern Erkenntnisse, die es ermöglichen, Angebote mit klarem Kundennutzen und damit höherer Wahrscheinlichkeit für Verkäufe auf effizientere Weise zu automatisieren.
Letzing: Einige der größten Vorteile von KI sind im Verkaufsprozess und in der Kundeninteraktion zu sehen, wie z. B. die Ausrichtung auf gewünschte Kundensegmente, aber auch im Schadenmanagement. Durch KI-Empfehlungssysteme können Sie den besten Plan für potenzielle Kunden erhalten und durch den Einsatz von Computer Vision können Sie die Ansprüche effektiver bearbeiten.
Iten: Mit KI können bspw. die Kundenbedürfnisse automatisiert erfasst und mit wenig Aufwand vollständig auf die Kunden ausgerichtete Angebote erstellt werden. Was zu einer Effizienzsteigerung im Vertriebsprozess und zu mehr Kundenzufriedenheit führen sollte.