Während die deutsche Industrie ihre Stellung innerhalb der Volkswirtschaft gut behaupten konnte und der Trend hin zu den Dienstleistungen gestoppt ist, gab es in Frankreich im vergangenen Jahrzehnt eine rasante De-Industrialisierung. „Die Position der entwickelten Staaten im internationalen Wettbewerb hängt entscheidend von der Industrie ab. Und in Frankreich ist der Grad der Industrialisierung inzwischen geringer als in Ostdeutschland“, sagt DIW-Experte Karl Brenke. Die Gründe dafür: „Frankreichs Industrie erzeugt zu wenige Investitions- und forschungsintensive Güter, und die Löhne sind zu rasch gestiegen.“

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Industrieproduktion in Frankreich niedriger als in neuen Bundesländern

Gerade noch zehn Prozent der Wertschöpfung der Wirtschaft in Frankreich entfallen auf die Industrie. In Deutschland sind es dagegen 23 Prozent und damit etwas mehr vor zehn Jahren; in Ostdeutschland sind es 16 Prozent. Auch je Einwohner gerechnet ist die Industrieproduktion in den neuen Bundesländern höher als in Frankreich. Bei der Produktstruktur unterscheiden sich die beiden Länder erheblich. Die französische Industrie ist stark auf die Herstellung von Vorprodukten und Konsumgütern – insbesondere Nahrungsmitteln – ausgerichtet.

Maschinen- und Kraftfahrzeugbau sowie forschungsintensive Produkte haben traditionell eine geringere Bedeutung als in Deutschland und zuletzt weitere Anteile verloren. Besonders schwach verlief die Industrieproduktion in Frankreich seit Mitte der letzten Dekade; am damaligen weltweiten Aufschwung hat sie kaum teilgenommen, und vom Einbruch infolge der Finanzkrise konnte sie sich - anders als die Industrie in Deutschland – bis heute nicht erholen. Die Industrieproduktion entwickelte sich in nahezu Branchen in Frankreich schwächer als in Deutschland. Aufgrund ihrer Wettbewerbsfähigkeit konnte die deutsche Industrie in den letzten Jahren auch kräftig auf den Auslandsmärkten expandieren. Frankreichs Exportindustrie trägt dagegen – zusammen mit Großbritannien – beim Exportwachstum das Schlusslicht in Europa.

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Auseinanderdriften Gefahr für Eurozone

Das Auseinanderdriften bei der Wettbewerbsfähigkeit der beiden Kernländer, aber auch zwischen anderen Staaten in Mitteleuropa oder etwa Italien, stellt eine wachsende Gefahr für die Eurozone dar. Da es keine Wechselkursmechanismen mehr gibt, muss zur Vermeidung von Spannungen innerhalb der Gemeinschaft ein Gleichlauf bei der Lohnentwicklung hergestellt werden. „Das bedeutet, dass die Löhne in Frankreich in den nächsten Jahren hinter dem Produktivitätsanstieg zurückbleiben müssen, eine Kürzung würde jedoch zu einer Rezession führen. In Deutschland sollten hingegen die Löhne stärker steigen“, erläutert Brenke. Die Verteilungsspielräume dafür seien vorhanden, denn in Deutschland sind die Industrielöhne im letzten Jahrzehnt hinter der Produktivitätssteigerung zurückgeblieben. Mehr dazu im DIW-Wochenbericht 48/2012.

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