Bargeld ist in Deutschland nach wie vor unverzichtbar - zumindest wenn man die Verbraucherinnen und Verbraucher fragt. Laut einer repräsentativen forsa-Umfrage im Auftrag der Bundesbank unter 6.000 Befragten war Bargeld auch im Jahr 2021 (neuere Zahlen liegen nicht vor) das meistgenutzte Zahlungsmittel der Deutschen. 58 Prozent der erfassten Transaktionen wurden 2021 mit Bargeld abgewickelt, auch wenn es tendenziell immer seltener genutzt wird. Im Vergleich zur Vorgängerstudie aus dem Jahr 2017 ist der Anteil der Barzahlungen an der Zahl der Transaktionen in den vergangenen vier Jahren um 16 Prozentpunkte zurückgegangen, berichtet die Bundesbank.

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Erste Sparkasse nimmt kein Bargeld mehr

Vor diesem Hintergrund lässt aufhorchen, dass die Banken zunehmend keine Lust mehr auf Bargeld zu haben scheinen. Die Sparkassen, Marktführer im Privatkundengeschäft, haben zwar nach wie vor die meisten Geldautomaten: Im Jahr 2021 ging ihre Zahl aber um 1034 auf 21.582 Automaten zurück, wie Zahlen der Bundesbank zeigen. Noch stärker haben die Volksbanken und Raiffeisenbanken Geldautomaten abgebaut: In den Jahren 2021 und 2022 sank ihre Zahl um 1.800 auf 15.520, wie der Branchenverband BVR dem Handelsblatt bestätigte.

Noch weniger Geldautomaten halten die Privatbanken vor. Die Cash Group, ein Zusammenschluss von Commerzbank, Deutsche Bank, Hypovereinsbank und Postbank, verfügte laut test.de im Jahr 2022 über rund 7.000 Geldautomaten: und hat die Zahl ebenfalls deutlich reduziert. Der Cashpool umfasst insgesamt 2.800 Geldautomaten von derzeit 35 Banken, darunter die Sparda-Banken sowie Santander, Targobank, Degussa und BBBank. Insgesamt zählte die Bundesbank Ende 2021 gut 55.000 Geldautomaten, 4.000 weniger als im Jahr 2018.

Ein absolutes Novum ist nun, dass eine Sparkasse ihren Kundinnen und Kunden seit kurzem überhaupt keine Bareinzahlungen mehr erlaubt. Es handelt sich um die Sparkasse Niederdorfelden bei Frankfurt am Main, wie tagesschau.de berichtet. Die Sparkasse will künftig weder Scheine noch Münzen annehmen. Der Grund: „Es handelt sich um eine Filiale mit geringer Personalausstattung“, zitiert die Tagesschau einen Sprecher der zuständigen Sparkasse Hanau. Daher sei keine Kasse für Ein- und Auszahlungen vorhanden.

Niederdorfelden ist eine Gemeinde mit knapp 3.600 Einwohnern: und unter anderem Sitz des mittelständischen Pharmaherstellers Engelhard Arzneimittel, einem Unternehmen mit rund 120 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Die neue Situation sei nicht nur ein Problem für Vereine, die zum Beispiel kleinere Spenden, eingenommen bei Veranstaltungen, nicht mehr in der Sparkasse abgeben können. Viele Seniorinnen und Senioren, die auf Online-Banking verzichten, müssten nun lange Wege mit Bus und Bahn auf sich nehmen, um an Bargeld zu kommen, so schreibt "Focus" nach einer Recherche vor Ort. Einige würden sogar die Bankkarte und PIN an Nachbarn weitergeben, damit diese Geld besorgen: ein riskantes Unterfangen.

Raiffeisenbank Taunus macht alle Filialen dicht

Während die Bürgerinnen und Bürger in Niederdorfelden immerhin noch Ansprechpartner vor Ort vorfinden, geht die Raiffeisenbank Hochtaunus noch einen Schritt weiter. Obwohl die Bilanzsumme laut Geschäftsbericht 2022 um 36 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro und das bilanziere Kreditvolumen um knapp 25 Prozent auf 1,0 Milliarden Euro stieg, schließt das Institut laut tagesschau.de alle Filialen bis auf die Hauptgeschäftsstelle. Damit würden auch Geldautomaten und Bargeld verschwinden. „Wir haben den Betrieb der Filialen lange Zeit subventioniert, inzwischen ist die Nachfrage seitens der Kunden allerdings so gering, dass wir uns im vergangenen Jahr dazu entschlossen haben, die Filialen mangels Nachfrage zu schließen“, sagte eine Sprecherin tagesschau.de. Die Bargeldversorgung ihrer Kundinnen und Kunden sei dennoch gesichert; durch die Möglichkeit Bargeld bei "Filialen von Rewe, Penny, dm Drogerie et cetera zu bekommen".

Dennoch sorgt sich auch die Bundesbank um die Bargeldversorgung der Deutschen. „Der beobachtete Rückbau von Geldautomaten und Bankschaltern birgt ein Risiko, dass das bestehende Netz der Abhebungsorte Risse bekommt“, zitiert das „Handelsblatt“ aus dem Monatsbericht der Bank im Januar. Für Bürgerinnen und Bürger werde es immer schwieriger, an Bargeld zu gelangen. Die Notenbank verweist darauf, dass die Möglichkeit, Gelder im Supermarkt abzuheben, die Bargeldversorgung zwar ergänzen könne, aber nicht ersetzen. Im Jahr 2021 wurden demnach 81 Prozent der Bargeldabhebungen am Geldautomaten getätigt, elf Prozent am Bankschalter - aber nur acht Prozent in Supermärkten und Tankstellen.

Die hohen Kosten sind nicht der einzige Grund, warum Banken ihre Geldautomaten abbauen: Laut einer McKinsey-Studie müssen die deutschen Banken jährlich rund zwei Milliarden Euro aufwenden, um Bargeld und die nötige Infrastruktur vorzuhalten. Das führt zu Nachteilen im Wettbewerb mit Direktbanken und Online-Geldhäusern. Auch die Kriminalität macht den Banken zunehmend zu schaffen:

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Laut Bundeskriminalamt (BKA) gab es im Jahr 2022 insgesamt 660 physische Angriffe auf Geldautomaten, davon 496 versuchte Sprengungen, in 399 Fällen mit festem Sprengstoff. Weitere knapp 500 Fälle betrafen das sogenannte Skimming: Dabei werden Geldautomaten so manipuliert, dass die Täter die Zugangsdaten von EC-Karten ausspähen und mit einer Kopie der Karte Bargeld abheben können. Die Banken reagieren damit, dass sie in Regionen mit hoher Kriminalität Filialen bewachen lassen - oder den Zugang zu den Automaten stark einschränken, zum Beispiel nachts keine Abhebung mehr erlauben. Bei wiederholten Vorfällen werden die Automaten abgebaut.

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