Vielen Menschen in Deutschland wird die gesetzliche Rente auch bei Vollzeitarbeit kein auskömmliches Einkommen im Alter sichern. Das zeigen aktuelle Zahlen, die das Bundesarbeitsministerium auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag präsentiert hat. Von den rund 22 Millionen sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten werden demnach rund 9,3 Millionen nach jetzigem Stand eine Rente von weniger als 1.500 Euro im Monat erhalten. Das geht aus einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) hervor.

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1.500 Euro Rente: 45 Jahre lang monatlicher Bruttolohn von 3.602 Euro erforderlich

Um eine Rente von 1.500 Euro zu erhalten, müssten Vollzeitbeschäftigte bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden demnach demnach 45 Jahre lang einen Stundenlohn von 20,78 Euro erhalten haben. Dass heißt, sie müssten durchgehend mindestens einen monatlichen Bruttolohn von 3.602 Euro verdienen.

Durchgerechnet hat das Bundesarbeitsministerium auch, welcher Bruttolohn für eine Monatsrente von 1.200 Euro erzielt werden müsste. Das Ergebnis: Rein rechnerisch müsste über 45 Jahre lang ein Stundenlohn von 16,62 Euro bzw. ein Bruttomonatslohn von 2.882 Euro bezogen werden, um eine entsprechend hohe Rente zu erhalten. Auch das gilt für eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Bei diesen Modellrechnungen ist zu berücksichtigen, dass die Einkommen im Laufe der Erwerbsbiografie in der Regel stark schwanken: Es handelt sich also um stark stereotypisierte Rechenmodelle.

Zum Jahreswechsel 2024 soll der Mindestlohn in Deutschland auf 12,41 Euro pro Stunde angehoben werden: Das würde aber selbst nach 45 Arbeitsjahren nicht ausreichen, um auch nur annähernd 1.200 Euro Rente im Monat zu erhalten. „Der aktuelle Mindestlohn und die geplanten Erhöhungen der Bundesregierung führen auch nach 45 Jahren Maloche in die Altersarmut“, sagt Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch gegenüber RND. "Das ist zynisch und respektlos gegenüber Millionen Beschäftigten.“ Er fordert, den Mindestlohn auf mindestens 14 Euro pro Stunde anzuheben. Bartsch warnt, es spitze sich "die Lohn- und Rentenproblematik im Land weiter zu, wenn bundesweit fast die Hälfte der heute Vollzeitbeschäftigten im Alter eine Rente von unter 1.500 Euro erwartet".

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Derzeit bereitet die Bundesregierung eine Rentenreform vor: ohne allerdings einschneidende Änderungen umsetzen zu wollen. Ökonomen fordern stattdessen weitere Einschnitte, die aber eher darauf hinauslaufen, dass zukünftige Rentnerinnen und Rentner eher weniger Ruhestandsgeld zu erwarten haben. So fordert der Wirtschaftsweise Martin Werding, dass das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung der Deutschen angepasst werden solle und der Nachhaltigkeitsfaktor wieder in Kraft gesetzt: Zukünftige Rentenerhöhungen sollen sich am Verhältnis von von Rentenempfängern zu Beitragszahlern orientieren, was bedeuten würde, dass die Renten weniger stark steigen als die Löhne. Alternativ schlägt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW), vor, dass zukünftig Menschen mit kleineren Einkommen tendenziell höhere Rentenansprüche für den gezahlten Beitrag erwerben.

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