Verena Bentele ist Präsidentin von Deutschlands größtem Sozialverband VDK: und hat nun einen Vorschlag unterbreitet, wie im gesetzlichen Gesundheitssystem Kosten gespart werden können. Angesichts des Milliarden-Defizits könnten und sollten auch die Krankenkassen einen Sparbeitrag leisten, sagte sie am Samstag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir haben in Deutschland 96 Krankenkassen. Da stellt sich schon die Frage, ob das so viele sein müssen“, sagte Bentele. Jede Kasse habe eigene Vorstände und eine eigene Verwaltung.

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Das hieße zwar nicht, dass man die kompetenten Personen nicht brauche, die dort arbeiten und Menschen vor Ort betreuen, schränkte die 41jährige ein. „Aber wenn es weniger Kassen gäbe, ließe sich der Verwaltungsaufwand deutlich reduzieren und damit viel Geld sparen“, sagte Bentele.

Tatsächlich klafft im gesetzlichen Gesundheitssystem eine gewaltige finanzielle Lücke. Im ersten Quartal 2023 verzeichnete der Gesundheitsfonds laut Bundesgesundheitsministerium ein Defizit von 3,7 Milliarden Euro. Das ist zwar weniger als erwartet: Für das laufende Jahr werden mindestens 17 Milliarden Euro Euro prognostiziert. Aber auch für das Jahr 2024 geht der GKV-Spitzenverband von einer Lücke zwischen 3,5 Milliarden und 7 Milliarden Euro aus.

Wie viel Geld könnte mit der Zusammenlegung von Krankenkassen gespart werden?

Die Idee, die Zahl der Krankenkassen zu reduzieren, um Kosten zu sparen, ist nicht neu. Bereits in den vergangenen Jahrzehnten ist ihre Zahl deutlich zurückgegangen. Gab es 1992 nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums noch 1.223 Krankenkassen, so sind es heute nur noch 96. Das hat auch mit gesetzlichen Eingriffen zu tun. Seit 2003 dürfen Krankenkassen Direktverträge mit Ärzteverbänden, Pharmaherstellern und Krankenhäusern abschließen, die entsprechende Reform hatte die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) auf den Weg gebracht. Das setzt Anreize für Fusionen. Denn je größer eine Krankenkasse ist, desto größer ist ihre Verhandlungsmacht. In einigen Bundesländern haben einzelne Kassen fast eine Monopolstellung: zum Beispiel die AOK Plus in Thüringen und Sachsen.

Doch wie viel Geld könnte überhaupt eingespart werden, wenn Krankenkassen zusammengelegt werden? Diese Frage ist umstritten. Die Ärztezeitung verweist auf Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums, wonach die Anbieter Brutto-Verwaltungskosten von 14,7 Milliarden Euro und Netto-Verwaltungskosten von rund 12 Milliarden Euro haben. 7 Milliarden Euro entfallen hierbei auf Personalkosten. In Summe machen die Verwaltungskosten 2,5 Prozent der Gesamtausgaben von den Krankenkassen aus.

Insgesamt beschäftigten die gesetzlichen Versicherer zum Jahresende 2020 genau 133.482 Menschen. Damit entfällt auf 557 versicherte Personen ein Mitarbeiter. De facto ist dies sogar ein vergleichsweise ungünstiger Schlüssel. In vergleichbaren Staaten wie Österreich betreuen mehr Krankenkassen-Mitarbeiter weniger Versicherte, wie die Ärztezeitung berichtet. Die Ausgaben für alle Vorstände der 96 Krankenkassen hätten sich 2022 auf rund 25 Millionen Euro summiert, Stellvertreter eingerechnet. Zum Vergleich: Allein Allianz-Vorstand Oliver Bäte verdiente 2022 inklusive Langzeit-Boni 8,5 Millionen Euro, also rund ein Drittel aller Krankenkassen-Chefs.

Harsche Kritik vom BKK-Verband

Bei den Krankenkassen selbst stieß Benteles Vorschlag auf Ablehnung. Die Forderung sei „blanker Populismus und zeigt die Unkenntnis der Präsidentin des Sozialverbandes VdK Verena Monika Bentele über Struktur und Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung“, positioniert sich Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen, überraschend deutlich. „Gerade kleine und mittelgroße Krankenkassen haben eine besondere Nähe zu ihren Versicherten und ihren Betrieben“, argumentiert Knieps. Die GKV-Versicherten würden eine Auswahl unterschiedlichster Kassenarten befürworten. "Dies belegen alle Untersuchungen zur Kundenzufriedenheit und Servicequalität“, so der Vorstand.

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Der BKK-Chef verwies auch auf die Kostenstruktur. So habe die GKV im Jahr 2021 Gesamtausgaben in Höhe von 285 Milliarden Euro gehabt. 11,7 Milliarden entfielen davon auf die Netto-Verwaltungskosten. Das entspricht einem Anteil an den Gesamtausgaben von 4,1 Prozent. "Selbst wenn man diesen Ausgabenblock stark vereinfacht auf Null setzen würde, könnte dies die Ausgabenentwicklung der GKV nicht nachhaltig stabilisieren. Dafür sind die Ausgaben und die Ausgabenentwicklung in den Leistungsbereichen zu hoch", so Knieps. Notwendig seien vielmehr Maßnahmen für eine bessere und zugleich effizientere Versorgung der Patienten. "Eine künstlich herbeigeführte Konzentration im GKV-Markt senkt keine Verwaltungskosten“, sagt der Verbandschef.

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