Jeder zweite Pflegeheim-Bewohner ist laut einer Umfrage des Bundesverbandes der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB) auf Sozialleistungen angewiesen. „Einer BKSB-internen Umfrage zufolge steigt der durchschnittliche Anteil an sozialhilfebedürftigen Bewohner und Bewohnerinnen in kommunalen Häusern weiter an: Von 45 Prozent in 2022 auf mittlerweile fast 47 Prozent. Das ist besorgniserregend!“, sagt Alexander Schraml, 1. Vorsitzender des Verbandes. Aus seiner Sicht haben die Reformen der früheren und jetzigen Bundesregierung nicht ihr Ziel erreicht, pflegebedürftige Heimbewohner finanziell zu entlasten.

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Im Bundesschnitt liege der aktuelle Pflegesatz über alle Pflegegrade hinweg bereits bei 2.500 Euro, berichtet der Interessenverband weiter. Er setzt sich zusammen aus pflegebedingten Kosten, vor allem für Personal und Ausbildung, die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie eine Investitionskostenumlage, mit der die Heime zum Beispiel Reparaturen und Technik zahlen.

Pflegeheime rechnen mit stark steigenden Personalkosten

Bereits seit Jahren sei die Tendenz zu beobachten, dass Eigenanteile für Pflegeheime rasant steigen, warnt der Verband. Und ein Ende der Kostenspirale sei nicht abzusehen. Im Gegenteil: In der Pflege sei zeitnah mit deutlich steigenden Personalkosten zu rechnen. „Kommunale Heime sind dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvÖD) angeschlossen und bekanntermaßen haben sich die Tarifvertragsparteien neben einer Inflationsausgleichszahlung auf weitere Gehaltssteigerungen in 2024 verständigt“, schreibt der Bundesverband. Und das „dicke Ende“ komme erst noch: „Mit Umstellung auf das neue Personalbemessungsverfahren gelten alsbald neue Personalschlüssel und die zusätzlichen Fach- und Hilfskräfte (wenn sie denn rekrutierbar sind) werden künftig ebenso in die Pflegesätze eingepreist“, heißt es im Pressetext.

Alexander Schraml kommentiert: „Natürlich ist das grundsätzlich richtig! Gute Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen sind wesentliche Faktoren zur Erhöhung der Attraktivität des Pflegeberufs. Aber bei der Finanzierung des Ganzen versagt das deutsche Pflegesystem.“

Zwar seien Kostensteigerungen auf allen Ebenen zu vermerken, Preistreiber jedoch seien in erster Linie die pflegebedingten Personalkosten. Um Pflegebedürftige zu entlasten, hätte sich ein sogenannter Sockel-Spitze-Tausch empfohlen, berichtet der Verband. Aktuell ist es so, dass die Pflegeversicherung einen festen Sockelbetrag für die anfallenden Pflegekosten bezahlt und die Heimbewohner alles als Eigenanteil stemmen müssen, was darüber hinaus geht. Beim Sockel-Spitze-Tausch wird dieses Prinzip umgekehrt: Nun würden die Pflegebedürftigen einen festen Sockel zahlen und die Pflegekasse zahlt alle darüber hinausgehenden Kosten.

Doch eine derartige Reform hat die Politik abgelehnt: und auch höhere Steuerzuschüsse will sie nicht zahlen. Und so bleibe das aktuelle Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) deutlich hinter den Erwartungen einer grundlegenden Strukturreform zurück, bemängelt der BKSB.

“Das deutsche Pflegesystem steuert auf einen Abgrund zu!“

Die rasant steigenden Pflegekosten stellen die Pflegeheime vor ein Dilemma. Auf der einen Seite müssen sie Pflegekräfte akquirieren und an das Unternehmen binden, auf der anderen Seite müssen sie in regelmäßigen Abständen mit einem Erhöhungsschreiben an die Bewohnerinnen und Bewohner herantreten. Was das bedeutet, erklärt Ina Wasilowski, Geschäftsführerin der r Greizer Senioren- und Pflegeheim gGmbH in Ostthüringen. „Schlussendlich sollen unsere Bewohner nun monatlich weitere 580 Euro mehr zahlen und ich kann diese Erhöhungsverlangen kaum noch vermitteln und auch nicht mehr vertreten, zumal keinem Bewohner und seinen Angehörigen die Pflegesatzsystematik wirklich erklärbar ist.“

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Der Ausblick von Alexander Schraml ist wenig optimistisch. „Das deutsche Pflegesystem steuert auf einen Abgrund zu. Eine umfassende Reform der Pflegeversicherung mit angemessenen Kosten für Pflegebedürftige ist unabdingbar!“, fordert der Jurist.

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