Die Rahmenbedingungen, unter denen die 23. Jahrestagung bAV in Berlin stattfindet, sind herausfordernd. Das Meeting steht unter dem Eindruck der geopolitischen Lage und der Inflation. Moderator Professor Bernd Raffelhüschen rief dem Auditorium zu: Ihr seid das Problem. Es gäbe in der Demographie nichts Neues. Vielmehr komme alles, wie seit 30 Jahren vorhergesagt. Es gehe um die Frage, ob wir ein „Beitragsprimat“ (Beitrag bleibt gleich – Leistung sinkt) oder ein „Leistungsprimat“ (Leistung bleibt gleich – Beitrag steigt) verfolgen wollen. Letzteres stelle keine Generationengerechtigkeit dar. Das würde bedeuten, dass die nächste Kohorte höhere Beiträge bezahlen müsse, als ihre Eltern und das sei nicht zu vermitteln.

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Christof Quiring von Fidelity international sagte zum Thema Inflation, es gäbe einen goldenen Streifen am Horizont. Die Inflation werde nicht auf dem derzeitigen Niveau verweilen. Er erwarte für die nächsten 10 Jahre 2,7% Inflation im Euro-Raum und 3,5% in der USA. Es bedürfe in den nächsten Jahren erheblicher Investitionen. Und zwar in den Bereichen Verteidigung, Neuordnung der Handels- und Lieferketten, Erschließung und Bevorratung von bedeutsamen Rohstoffen und Neuordnung der Infrastruktur, vor allem im Bereich Energie.
Die Inflation sei eine Herausforderung für die bAV. Er nannte die Leistungsbezieher als verwundbarste Gruppe. Anwärter befänden sich in einer Zwickmühle. Das verfügbare Einkommen sinke und gleichzeitig müssen sie mehr für das Alter ansparen.

Florian Toncar, Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen, sagte, eine Altersvorsorge gäbe es nur mit starken Kapitalmärkten. Er kündigte Reformen in allen drei Säulen der Altersvorsorge an. Das Prinzip des Ansparens muss gestärkt werden. Der Staat wird in der ersten Säule eine Kapitaldeckung starten. Das Geld soll von tagespolitischen Einflüssen unbeeindruckt angelegt werden. Ab 2030 soll der Beitrag zur Rente dadurch gesenkt werden. Der Nachholfaktor wurde wieder eingesetzt. Dadurch wurde das Prinzip „Die Rente folgt den Löhnen“ wieder aktuell.

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In der 2. Säule soll die bAV höhere Renditen erwirtschaften können. Regulatorik und das Steuerrecht werden geprüft, um Erleichterungen zu finden. Das Sozialpartnermodell soll weiter gefördert werden.
Die 3. Säule sei die politisch anspruchsvollste. Die Riester-Rente kommt aus einer anderen Zeit. Die Beitragsgarantie war damals richtig, heute müsse es eine Abkehr von der Beitragsgarantie geben. Frage ist: wo diese in Zukunft angesetzt werden könne. Ein öffentlicher Fonds wird, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, geprüft. Das BMF ist dafür, die Kapitaldeckung staatlicherseits in der 1. Säule zu verorten. In der dritten Säule sollte der vitale Wettbewerb erhalten bleiben. Eine Konkurrenz durch einen öffentlichen Fonds wäre nicht fair.

„Eine Durchdringung von 80% in der bAV müsste das Ziel sein“

Ein ambitioniertes Ziel gab Dr. Rolf Schmachtenberg (Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales) aus. Eine Durchdringung von 80% in der bAV müsse das Ziel sein. Derzeit hätten 56% der Arbeitnehmer eine Form der bAV genutzt, sagte er und beglückwünschte die Branche zu dieser Leistung. Die freiwillige Organisation der bAV sei der Markenkern und das werde so bleiben. Die Rahmenbedingungen hätten sich geändert. Die Niedrigzinsphase sei vorbei, die Inflation sei gekommen. Er begrüßte die Bemühungen des BMF, die Inflation zu bekämpfen.

Das Thema „Anpassung der Betriebsrenten“ treibe die Leute um. Die Regierung habe alle drei Säulen im Blick: die gesetzliche Rente müsse bei 48% Versorgung stabilisiert werden. Das Versprechen sei unerlässlich für die Stabilität des Landes. Die bAV müsse unter den neuen Rahmenbedingungen gestärkt werden. Es gäbe Probleme, Geringverdiener, Frauen und nicht tariflich gebundene Unternehmen zu erreichen. Das Sozialpartnermodell kann in dieser Frage hilfreich sein.

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In zwei Podiumsdiskussionen kamen weitere Aspekte zur Sprache. Bemerkenswert war, dass Dorothea Mohn (Verbraucherzentrale Bundesverband) sagte, dass Sicherheit in der Altersvorsorge falsch gedeutet würde. Sie bestünde weniger aus Garantien, sondern mehr aus Diversifikation und Langfristigkeit in der Kapitalanlage. Ilka Houben vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft sah den Staat nicht als Anbieter kapitalgedeckter Lösungen in der 3. Säule. Ein Opt-Out würde einen zusätzlichen bürokratischen „Koloss“ mit sich bringen. Das Sicherheitsbedürfnis der Menschen müsse ernst genommen werden. Die Assekuranz biete Lösungen. Helmut Aden (Versicherungsverein des Bankgewerbes) befürchtete, dass die angedachten Beträge, die in die Aktienrente fließen sollen, bei Weitem nicht ausreichen. In Bezug auf das schwedische Modell wies er darauf hin, dass der Erfolg vor allem darin bestehe, dass es sich um ein Obligatorium handele. Dazu fehle in Deutschland der Mut. Was die Garantien angehe, gäbe es ein breites Spektrum an Produkten. Der Kunde müsse wissen, was er tue.

In einer Politiker-Runde mahnte Kai Whittaker von der CDU an, es habe wenig zur Altersvorsorge im Koalitionsvertrag gestanden und das bisschen sei zur Hälfte abgearbeitet. Da scheine nicht mehr allzu viel zu kommen. Die Aktienrente sei ein Anfang, die vorgesehenen Beiträge zu gering. Er nannte eine Überlegung innerhalb seiner Partei. Einkünfte aus Arbeit und Kapitalerträge sollten gleichbehandelt werden. Dadurch würden Rentenversicherungsbeiträge sinken. Das könnte ein Vorschlag der Union werden. Weiter müsse überlegt werden, die Betriebsrente für untere Einkunftsklassen verpflichtend zu machen.

Arbeitsmarkt ist der Schlüssel zu einer stabilen Rente

Martin Rosemann (SPD) sagte, dass die Rente besser dastehe, als zuletzt vermutet. Der Arbeitsmarkt habe sich besser entwickelt, als angenommen. Darin liege der Schlüssel zu einer stabilen Rente. Der Arbeitsmarkt müsse weiter gestärkt werden. Das könne durch das Heben inländischer Potentiale und durch Zuwanderung erreicht werden. Die Aktienrente solle so gebaut werden, dass zukünftige Politikergenerationen diese nicht zweckentfremden könnten.

Markus Kurth von den Grünen wies die Kritik aus der CDU entschieden zurück, in der Altersvorsorge würde von der Regierung nicht genügend getan. In Bezug auf den Arbeitsmarkt legte er Wert auf die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das Thema Reha, die Gesundheit und damit die Leistungsfähigkeit der Alterskohorte ü45 sei besonders wichtig.

Pascal Kober von der FDP unterstützte die These, dass die Rentenversicherung besser dastehe, als gedacht. Nur dürfe nicht vergessen werden, dass es jedes Jahr einer enormen Unterstützung aus dem Bundeshaushalt bedarf. Die Wiedereinführung des Nachholfaktors habe eine Entlastung von 12 Milliarden Euro gebracht. 2024 komme die digitale Rentenübersicht, die für eine bisher nicht dagewesene Transparenz sorgen werde.

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Prof. Oskar Goecke von der Technischen Hochschule Köln erklärte, dass Garantien in der Kapitalanlage in der Vergangenheit wenig hilfreich gewesen seien. Garantien seien dabei immer verstanden worden als eine befristete, nominale Zinsgarantie. Die helfe nicht weiter. Wer eine Garantie von 3 % habe, erhalte bei 10% Inflation ein garantiertes Minus von 7 %. Er zeigte stattdessen auf, dass 40-jährige Sparpläne mit 100% oder 50% Aktienquote mit einer Ausnahme Anlagen ohne Aktienanteil überlegen seien. Es gelte eine Art „Talsperrenmodell“ zu pflegen, so dass es eine gerechte Teilhabe am Kapitalmarkt geben könne. Grundsätzlich gehe es besser ohne Garantien.

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