Als die EU umfangreiche Sanktionen gegen Russland verhängte, um Präsident Putin für seinen Ukrainekrieg den Geldhahn zuzudrehen, war davon auch die Luftfahrt betroffen. 523 Passagier- und Frachtjets, die aktuell noch in Russland unterwegs sind, sind nach Angaben der Luftfahrtberatung IBA von ausländischen Flugzeugfinanzierern geleast. Und das könnte nun auch für die Versicherungswirtschaft ein Milliardenproblem werden, denn Russland denkt gar nicht daran, die Jets an ihre Besitzer zurückzugeben.

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Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet, hat nun der weltgrößte Flugzeug-Leasingkonzern Aercap bei den Assekuranzen Schäden in Höhe von 3,5 Milliarden US-Dollar angemeldet, was umgerechnet etwa 3,2 Milliarden Euro entspricht. Das habe Finanzchef Peter Juhas bei der Bilanzvorlage des Unternehmens am Mittwoch berichtet. 135 Maschinen und 14 Triebwerke seien aktuell noch in der Hand russischer Fluggesellschaften.

„Wir versuchen, weitere Flugzeuge und Triebwerke von früheren russischen Airline-Kunden zurückzuholen“, teilte Aercap weiter mit. Maschinen, die bis zum Ende des ersten Quartals nicht zurückgegeben wurden, müssten aber wohl abgeschrieben werden. Nach Angaben des Ratinghauses Fitch verfügen die Leasingfirmen über eine Kasko- und Haftpflicht-Versicherung sowie eine spezielle Luftfahrt-Kriegsdeckung.

“Größter Diebstahl in der Luftfahrtgeschichte“

Der Gesamtschaden, der den Versicherern und Rückversicherern droht, ist noch weit höher. Laut einer Analyse der Ratingagentur Moody’s muss die Branche mit Forderungen von bis zu elf Milliarden US-Dollar rechnen: rund 9,9 Milliarden Euro. Denn die russischen Airlines halten mehrheitlich neue und moderne Flugzeuge von Herstellern wie Airbus oder Boeing. In der Regel teilen sich mehrere Versicherer und Rückversicherer das finanzielle Risiko der Luftfahrt, weil die Kosten ein Anbieter allein nicht stemmen könnte. Die Risiken werden unter anderem an der Versicherungsbörse Lloyd’s of London gehandelt, die russische Airlines schon Anfang März vom Handelsplatz ausschloss.

Doch den Leasing-Anbietern winkt keinesfalls eine schnelle Erstattung ihrer Ansprüche, wie Moody’s zu bedenken gibt. Vielmehr seien lange Rechtsstreite zu erwarten, der Ausgang sei offen. Denn einen solchen Fall wie in Russland hat es zuvor noch nicht gegeben.

Flugzeuge wurden einfach umgeschrieben

Als sich abzeichnete, dass russische Airlines ihre Jets werden zurückgeben müssen, erließ Wladimir Putin ein Gesetz, wonach im Westen geleaste Flugzeuge einfach als russisch deklariert werden können. Er drohte auch mit Verstaatlichung der Jets - als Antwort auf die Sanktionen des Westens. „Ich fürchte, wir werden gerade Zeugen eines der grössten Flugzeugdiebstähle in der kommerziellen Luftfahrtgeschichte“, zitiert die „Neue Zürcher Zeitung“ Wolodimir Bilotkach, Professor für Luftfahrtmanagement am Institute of Technology in Singapur.

Doch auch, wenn die Maschinen an die Leasingfirmen zurückgegeben werden, werden sie nach einer bestimmten Zeit de facto wertlos. Denn sie können in der Zeit nicht nach Vorschrift gewartet werden. Russland fehlen hierfür schlicht die notwendigen Ersatzteile, die dank der Sanktionen ebenfalls nicht ins Land kommen. Russland verlassen die Flugzeuge derzeit nicht: Sie würden im Ausland sofort beschlagnahmt.

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Damit die Flieger weiter reisen dürfen, wurden sie in Russland einfach neu registriert, was de facto gegen internationales Flugrecht verstößt. Eine doppelte Registrierung verletzt das Chicagoer Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt. Die russischen Fluggesellschaften haben zwar angekündigt, die Maschinen später wieder zurückgeben zu wollen: Sie fürchten den dauerhaften Ausschluss aus dem internationalen Flugverkehr. Möglich ist das aber nur mit Genehmigung der russischen Regierung.

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