Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung (DRV), ist derzeit eine gefragte Gesprächspartnerin: schließlich stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang die neue Regierung die gesetzliche Rente reformieren muss, um diese zukunftsfest zu machen. Erst vor wenigen Tagen hat sich die Juristin zum geplanten Kapitalstock geäußert: die angedachten 10 Milliarden Euro aus Bundesmitteln seien nicht annähernd ausreichend, um das Umlagesystem dauerhaft zu stabilisieren. Nun wurde sie von der BILD mit einem eher unbeliebten Thema konfrontiert: ob die Bürgerinnen und Bürger auch länger bis zum Renteneintritt arbeiten müssen.

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Deutsche arbeiten immer länger

Wie Roßbach dem Boulevardblatt berichtet, sei eine längere Lebensarbeitszeit eine Tendenz, die ohnehin beobachtet werden könne. „Im Jahr 2000 waren nur zehn Prozent der 60- bis 64-Jährigen rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Aktuell sind es 42 Prozent, also fast jeder Zweite“, sagte sie. Die durchschnittliche Versicherungszeit sei seit den 200er Jahren bereits um vier Jahre angestiegen.

Bis zum Jahr 2031 soll die Regelaltersgrenze auf 67 Jahre steigen: Doch auch das reicht nach Ansicht der DRV-Präsidentin möglicherweise nicht aus, wobei sie sich zu einem späteren Renteneintrittsalter eher vorsichtig äußert und keine konkrete Empfehlung gibt. „Das Umlageverfahren hat sich in den vielen Krisen in der Vergangenheit als sehr anpassungsfähig erwiesen und in der Tat müssen künftige gesellschaftliche Entwicklungen zu Anpassungen führen“, sagte sie auf die Frage nach einem späteren Renteneintritt.

Ob das Renteneintrittsalter nach 2031 weiter angehoben werden müsse, könne aber nicht losgelöst von anderen Parametern betrachtet werden: etwa der Gesundheit. „Die Politik muss sich mit diesen Themen in den kommenden vier Jahren beschäftigen – wichtig wäre es, dass das im Konsens der politischen Parteien geschieht. Denn die Alterssicherung betrifft viele Millionen Menschen in unserem Land“, sagte sie.

Rentenexperten warnen vor demographischer Schieflage

In den letzten Wochen hatten wiederholt Ökonomen und Wirtschaftsinstitute gewarnt, dass die angedachten Rentenpläne von SPD, FDP und Grünen nicht ausreichend seien, um Beiträge und Steuerzuschüsse zur Rentenkasse zu stabilisieren. Spätestens ab 2025 gerate das Umlageverfahren stark unter Druck. Dann geht die sogenannte Babyboomer-Generation in Rente: folglich die geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre, die dazu beitragen werden, dass das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern in Zukunft sich weiter verschärfen wird. Nach Prognosen des arbeitgebernahen Instituts für Wirtschaftsforschung (IW) Köln kommen im Jahr 2030 auf einen Rentner nur noch 1,5 Beitragszahler. Neben dem IW Köln und dem ifo Institut forderte unter anderem Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bonn, weiterreichende Reformen.

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Ein No-Go ist ein höheres Renteneintrittsalter hingegen für Gewerkschaften. "Die Lebenserwartung der Menschen steigt. Gleichzeitig verbessern sich aber nicht automatisch die körperlichen und psychischen Voraussetzungen für ein längeres Arbeitsleben. Wer ein Leben lang körperlich hart gearbeitet hat, kann häufig nicht bis 65 oder 67 weiterarbeiten. Deshalb ist es zu einfach, nur auf die Lebenserwartung abzustellen", schreibt die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf ihrer Webseite. Ein höheres Rentenalter bedeute gerade für körperlich schwer arbeitende Menschen, die oft schon zeitiger aus dem Erwerbsleben austreten müssen, de facto eine Rentenkürzung.

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