Nichtsdestotrotz ist für viele Versicherer die Frage des “Bootstrappings” einer validen Kalkulationsbasis für die Tarifgestaltung nach wie vor weitgehend ungelöst. Das resultiert daraus, dass ohne gesammelte Daten keine Prognosen möglich sind, nicht einmal mit Sicherheitsaufschlag. In dieser Hinsicht ist ein Zögern bei der Einführung gleich doppelt prekär: zum einen, weil Jahr für Jahr wertvolle Erfahrungsdaten verloren gehen. Zum anderen, weil die unübersichtliche Branchenlandschaft mit kleinen und mittelständischen Versicherern sich noch immer damit schwer tut, sich auf Standards und Normen zu verständigen.

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Plakativ ist die Beobachtung zu machen, dass nach vielen Jahren von teils unklaren Invests in Digitalisierung die Bereitschaft dazu gesunken ist und fertige Lösungen selbst im Fin- und Insurtech-Dunstkreis präferiert werden. Insbesondere auch deshalb, weil einzelne Gesellschaften schwerlich für sich selbst genommen “kritische Massen” an ökonomisch und aktuariell nützlichen Daten sammeln können. Telematik kann überall dort ein Modell sein, wo branchen- und netzwerkübergreifend Kooperationen geschaffen werden. Dies zeigen im Übrigen bereits reine positionsbezogene Dienste, die allerdings nach wie vor darunter leiden, dass eine kundenaffine Präsentationsform gefunden werden muss, die über reine Push-Meldungen in einer App hinausgehen.

Auch wenn der Weg zu einer umfassenden Marktdurchdringung der Kfz-Telematik noch weit ist, deutet sich eine verstärkte Dynamik an. Die Akzeptanz von ADAS im Fahrzeug zeigt, dass für den Kunden letztlich der Nutzen ersichtlich sein und die Opportunitätskosten der Datensammlung überwiegen müssen. Das Potenzial der Telematik wird dennoch vermutlich so lange ungenutzt bleiben, wie der Wert der Daten für Erstversicherer nicht das Gewicht erhält, das rein sachbezogen gerechtfertigt wäre. Es gibt daher nicht wenige Stimmen im Markt, die annehmen, dass eine sprunghafte Konsolidierung in der Kfz-Versicherung dann vollzogen wird, wenn der Invest in die Daten sich auszahlt.

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Bis dahin ist davon auszugehen, dass sich die Tariflandschaft zwischen sophistizierten PHYD-Tarifen und simpleren PAYD-Tarifen weiter ausdifferenzieren wird, weil nur besonders finanzstarke oder innovative Gesellschaften es selbst schaffen werden, die umfangreichen analytischen Kapazitäten aufzubringen, wirklich datengetriebene Differenzierung zu betreiben. Entscheidend ist, dass bei allen avisierten Versicherungsprodukten auch eine solide technologische und Datenbasis zur Verfügung steht, die unter Miteinbeziehung von einschlägigem Domänenwissen zielorientiert und nachhaltig etabliert wird. Verschiedene Lösungen erfordern hierbei stets eine genaue Abwägung zwischen Kostenpunkt und Datengüte, die je nach Anwendungsfall individuell erfolgen muss.

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