Die Ausgangssituation: Deutsche wohnen mehrheitlich zur Miete

Die Idee klingt gut: Ein Zuschuss für den Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum, der Familien mit Kindern zugute kommt. Deutschland, darauf weist eine durch das „Verbändebündnis Wohneigentum“ in Auftrag gegebene Studie des Hannoveraner Pestel-Instituts hin, liegt bei dem Besitz von Wohneigentum auf den hinteren Rängen. 70 Prozent der Haushalte verfügen in Europa durchschnittlich über ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung, in Deutschland sind es jedoch nur 45 Prozent. Und was ließe sich durch die Förderung von Wohneigentum aus volkswirtschaftlicher Sicht gewinnen! Es könnte in Zeiten steigender Mieten eine Entzerrung der Wohnungsmärkte bewirken, wenn Familien tatsächlich mehr Eigenheime bauen.

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Mehr noch: Eine Investition des Staates in das Wohneigentum von Familien wäre sogar ein Baustein im Kampf gegen Altersarmut. Drohe doch zukünftigen Rentnern, darauf wies der Hauptautor der Pestel-Studie Matthias Günther hin, eine ganz konkrete Gefahr, sich im Alter „arm zu wohnen“: Über 40 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten müssten bei einem Renteneintritt 2030 mit monatlichen Zahlungen unter 800 Euro aus der staatlichen Rentenversicherung rechnen, weswegen die Mietzahlungen zu einer großen finanziellen Last werden. Gerade deswegen wäre eine Förderung wichtig, die auch Haushalten mit geringerem Einkommen zu Wohneigentum verhilft. Beschreitet die Bundesregierung mit Einführung des Baukindergeldes also den richtigen Weg?

Folgt man der Diskussion im Vorfeld des neuen Förderinstruments, dann tut sie es nicht. Selten gab es so viel Kritik aus verschiedenen politischen Lagern und auch von verschiedenen Interessengruppen, die eigentlich einer Förderung von Wohneigentum aufgeschlossen gegenüberstehen. Wir haben wesentliche Kritikpunkte zusammengefasst.

Das neue Instrument der Förderung: Das Baukindergeld

Ziel des Baukindergeldes ist die Förderung des Ersterwerbs von Wohneigentum für Familien. Konkret: Mit einem Zuschuss in Höhe von 1.200 Euro pro Jahr für jedes kindergeldberechtigte Kind unter 18 Jahren wird der Kauf oder Bau einer selbstgenutzten Immobilie gefördert. Die Dauer des Zuschusses ist auf zehn Jahre festgelegt, so dass pro Kind 12.000 Euro Zuschuss durch den Staat gezahlt werden.

Ausschlaggebend für die maximale Höhe der Förderung ist die Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder unter 18 Jahren, die bei Antragstellung im Haushalt leben. Die Förderfähigkeit ist an eine Einkommensgrenze gebunden: das zu versteuernde Haushaltseinkommen darf bei einem Kind maximal 90.000 Euro betragen, für jedes weitere Kind kommen 15.000 Euro hinzu. Beantragt wird die Förderung über die KFW-Bank.

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Die Erwartungen der Politik

Warum aber hat die Bundesregierung ausgerechnet diese Art der Förderung beschlossen? Das Baukindergeld gilt als „Lieblingsprojekt“ der Unionsparteien und von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Man möchte, so Seehofer, „vielen Eltern und ihren Kindern die Tür zu den eigenen vier Wänden öffnen“. Auch wird das Baukindergeld als Baustein gesehen bei der „Schaffung“ von „bezahlbaren Wohnraum“, es spiele hierbei sogar eine „zentrale Rolle“. Letztendlich erklärt Seehofer das Baukindergeld auch zum Instrument im Kampf gegen die Altersarmut: „Es wird auch helfen, Altersarmut vorzubeugen.“

Die Kritik: Das Baukindergeld nützt wenig – und den „falschen“ Mitnahmeeffekte

Doch kann das Baukindergeld tatsächlich all die Erwartungen erfüllen, die durch den Bundesinnenminister geweckt wurden? In der Mehrheit der Argumente, die vor Einführung des Zuschusses diskutiert wurden, überwiegt der Zweifel. Ein zentrales Argument der Diskussion entstammt jener Studie, die das Pestel-Institut im Auftrag des Branchenzusammenschlusses „Verbändebündnis Wohneigentum“ erstellte. Demnach steige der Anteil der Haushalte mit Wohneigentum höchstens um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte an. Der Effekt: nahe Null.

Zwar werde das Geld gern von jenen in Anspruch genommen bzw. „mitgenommen“, die sich eh eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim hätten leisten können. Dass aber Familien erst durch diesen Zuschuss in die Lage versetzt werden, Wohneigentum zu erwerben, geschieht in nur wenigen Fällen. So sprechen die Autoren der Studie auch von einer “speziellen Familienförderung“ statt von einer „ausgeprägten Wohnbauförderung“. Das Problem dieser Familienförderung: gefördert werden nur Familien ab einer bestimmten Einkommenshöhe, denn den Bau oder Kauf von Immobilien muss man sich erst einmal leisten können.

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Die „soziale Frage“ des Baukindergelds

Befürchtungen, das Kindergeld nutze mehrheitlich Gutverdienern, stammen nicht nur von Experten des Pestel-Instituts. Selbst der Bundesrechnungshof kritisiert die Gefahr „erheblicher Mitnahmeeffekte“ in einer Stellungnahme, aus der das Handelsblatt zitiert. Ein Vergleich mit der (im Jahre 2005 abgeschafften) Eigenheimzulage bringt den sozialen Brennstoff des Baukindergeldes auf den Punkt: mussten doch auch „Haushalte mit geringem Einkommen, die sich trotz Zulage kein Wohneigentum leisten konnten, mit ihren Steuergeldern die Eigenheime Besserverdienender mitfinanzieren.“ So wird auch in Zweifel gezogen, ob das Baukindergeld wirklich bei der „Schaffung von bezahlbarem Wohnraum“ helfe.

Die Vize-Fraktionschefin der Linken, Caren Lay, weist in diesem Kontext darauf hin, dass sich viele mittelständische Familien schon aufgrund der hohen Mietpreise in Ballungsräumen gar nicht das Geld für einen Eigenheimbau ansparen können. Und Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin kritisiert, dass die Probleme auf dem Mietwohnungsmarkt „weiter ungelöst“ sind und dass die Ausgaben für das Baukindergeld „auf mehr als das Doppelte“ hinauslaufen als die aktuellen Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau.

Das Verteuerungsargument: Geld für Immobilienverkäufer, Bauunternehmen oder Verkäufer von Baugrund statt für Familien?

Ein wesentliches Thema der Diskussion um das Baukindergeld ist die Wirkung dieses Zuschusses in Ballungsräumen. In Zeiten, in denen die Wohnungsnot Mieten stärker ansteigen lässt als die Inflation, birgt die Frage der Auswirkung vom Baukindergeld auf städtische Mieten weiteren sozialen Sprengstoff. Statt dass nämlich eine Entzerrung der Wohnungsmärkte eintritt, könnte auch das Gegenteil eintreten: die Mieten in Städten wie Berlin oder München könnten weiter explodieren.

So vermutet Michael Voigtländer vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eine Verteuerung des Baugrunds und der Immobilien: In Zeiten einer großen Nachfrage und eines knappen Angebots würde das Baukindergeld die Preisblase auf dem Immobilienmarkt weiter aufpumpen. Auch Claus Michelsen vom DIW sieht die Gefahr eines „Überbietungswettbewerbs“, so dass die Steuergelder letztendlich an die Immobilienverkäufer statt an die Haushalte gezahlt werden. Das Wohnen in der Stadt werde also durch das Baukindergeld nicht billiger, sondern sogar teurer, was besonders Haushalte mit niedrigem Einkommen belaste.

Positiver Effekt einer Stärkung des ländlichen Raums?

Aufgrund der Einführung des Baukindergelds werden aber auch Effekte diskutiert, die positiver zu bewerten sind. Eine These bezieht sich auf die unterschiedlichen Immobilien- und Baugrundpreise in Stadt und Land. Während in Ballungsräumen Immobilien und Baugrund immer teurer werden, haben einige ländliche Regionen mit einer wahren „Landflucht der Jugend“ zu kämpfen.

Die Autoren der Pestel-Studie vertreten die These, die Nachfrage könnte sich aufgrund des Baukindergeldes eher in ländliche Gebiete verlagern, da dort ein größerer Teil der Gesamtkosten mit dem Baukindergeld abgedeckt werden würde. Ein solcher Effekt, wenngleich er aufgrund steigender Pendlerzahlen widersprüchlich zu Zielen der Klimapolitik steht, könnte also tatsächlich zu einer Entzerrung der Wohnungsmärkte in den Ballungsräumen beitragen.

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Nimmt man nun noch an, dass sich durch eine solche Entzerrung auch der Druck auf Mietpreise mindert, würde das Baukindergeld tatsächlich einen Teil der positiven Erwartungen einlösen. Die Frage freilich ist, ob und in welchem Umfang dieser Effekt tatsächlich eintritt. Denn die Zweifel der Experten überwiegen, ob das Projekt der Bundesregierung tatsächlich jenen nützt, die davon profitieren sollen: den Familien.

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