Versicherungsbote: Sie haben zum Jahresanfang ein Transformationsprogramm Vision2023 angeschoben, nachdem Sie soeben ein anderes Zukunftsprogramm beendet hatten. Da kann der Eindruck entstehen, auf ein Umbauprogramm folgt ein nächstes. Ist die Branche im dauerhaften Umbaumodus - und weshalb? Man hat den Eindruck, die Versicherer werden von den aktuellen technischen Entwicklungen vor sich hergetrieben.

Anzeige

Ulrich Leitermann: Die Versicherungsbranche ist im Umbruch, keine Frage. Allerdings fühlen wir uns als Signal Iduna keineswegs getrieben. Wir beobachten und analysieren sehr genau, wie die Digitalisierung und neue Technologien das Verhalten und die Wünsche unserer Kunden verändern. Darauf reagieren wir mit einer klaren Strategie und Maßnahmen, die wir Schritt für Schritt abarbeiten.

Ein erster Schritt war das 2014 gestartete Zukunftsprogramm. Hier waren die Ziele, den Vertrieb neu aufzustellen, die Kosten zu senken und vor allem die IT zu modernisieren. Das waren sozusagen unsere Hausaufgaben. Die haben wir erledigt und das Programm erfolgreich abgeschlossen. Damit hatten wir die Grundlagen gelegt. Die in diesem Jahr gestartete Vision2023 ist ein Transformationsprogramm, auf fünf Jahre ausgelegt, mit dem wir uns strategisch neu ausrichten. Unser klares Ziel heißt ertragreiches Wachstum. Denn bei allen Veränderungen, die unsere Branche erlebt: Durch die Digitalisierung entstehen enorme Chancen, die wir als Signal Iduna nutzen wollen.

Natürlich ist uns bewusst, dass dieser Umbruch die Mitarbeiter auch vor Herausforderungen stellt. Vieles verändert sich. Wir alle müssen Neues lernen, uns ständig weiterbilden. Eine Erkenntnis haben wir als Unternehmen jedoch bereits gewonnen: Veränderung kann Spaß machen. Das Feedback der Mitarbeiter zu Vision2023 und zum Beispiel zu neuen Arbeitsmethoden ist sehr positiv und ermutigend. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Ein kurzer Einblick: Was konkret beinhaltet Vision2023?

Das übergeordnete Ziel von Vision2023 haben wir in einem Satz gebündelt: „Gemeinsam mehr Lebensqualität schaffen!“ Das ist das Versprechen an unsere Kunden und zugleich der Anspruch, an dem wir uns messen lassen. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir mit Vision2023 ein Veränderungsprogramm gestartet, das alle Bereiche unseres Unternehmens betrifft. Das beginnt bei der Art, wie wir arbeiten: Statt wie in der Vergangenheit in Sparten zu denken und vielleicht auch in Silos zu arbeiten, nutzen wir moderne und agile Arbeitsmethoden und setzen auf gemischte Teams. Dabei denken wir konsequent vom Kunden aus. Damit haben wir einen grundlegenden Kulturwandel in unserem Unternehmen gestartet, der mindestens ebenso wichtig ist wie der Einsatz neuer digitaler Technologien.

Ein weiteres Element von Vision2023 ist, dass wir uns noch stärker als bisher auf unsere Zielgruppen in Handwerk, Handel und Öffentlicher Dienst konzentrieren. Wir stellen uns so auf, dass wir die Bedürfnisse unserer Kunden optimal bedienen können. Und schließlich das Thema Service-Exzellenz. Dazu nutzen wir konsequent die Möglichkeiten der Digitalisierung und setzen die Mitarbeiter dort ein, wo der Bedarf der Kunden nach persönlicher Beratung am größten ist. Ein Beispiel: Einfache Anliegen wie etwa eine Adressänderung können unsere Kunden bequem selbst erledigen - zum Beispiel über eine App. Bei komplizierten Themen, etwa bei einem Tarifwechsel, nehmen wir uns Zeit für unsere Kunden und bieten ihnen einen noch individuelleren Service.

Wie sehen Ihre Wachstumsziele konkret aus und wie wollen Sie diese erreichen?

In den kommenden fünf Jahren wollen wir mit Vision2023 unsere Beitragseinnahmen um ein Viertel auf sieben Milliarden Euro steigern (2017: 5,6 Milliarden Euro). Zugleich wollen wir die Profitabilität erhöhen: Der rechnungsmäßige Überschuss soll um 30 Prozent steigen. Und schließlich wollen wir die Zufriedenheit unserer Kunden erhöhen – auch dazu haben wir uns exakte Vorgaben gemacht.

Zusammengenommen sind das sehr ehrgeizige Ziele, die wir jedoch erreichen können. Das Alleinstellungsmerkmal von Signal Iduna sind der besondere Zugang und die Verbindungen zu unseren Kernzielgruppen in Handwerk, Handel und Öffentlicher Dienst. Diese über Jahrzehnte gewachsenen Verbindungen und das daraus gewonnene Know-how werden wir künftig noch stärker nutzen, um unsere Kunden in jeder Lebenssituation optimal zu versorgen. Hier sehen wir noch großes Wachstumspotenzial. Ein zweiter Hebel ist - wie erwähnt - Service-Exzellenz. Damit werden wir uns klar vom Wettbewerb unterscheiden. Und drittens: Über das reine Versichern hinaus werden wir künftig verstärkt als Lösungsanbieter unseren Kunden zur Seite stehen. Das kann über Plattformen oder Kooperationen gehen, bei denen wir unsere Kernkompetenz – das Absichern von Risiken – mit anderen Services und Produkten verbinden. In diesem Bereich haben wir einiges vor.

Sie sprechen von einem „intuitiven Service“, den Sie dem Kunden künftig bieten wollen. Was konkret ist damit gemeint? Können Sie Beispiele für intuitive Servicedienste nennen?

Intuitiver Service mag zunächst einmal abstrakt klingen, tatsächlich ist es aber genau das, was Kunden heutzutage vielfach erleben. Zum Beispiel bei den großen Technologie-Unternehmen wie Amazon, Netflix oder Booking.com, die heute beim Service am besten aufgestellt sind. Als Kunde erhält man dort mit minimalem eigenem Aufwand ein effektives, effizientes und zufriedenstellendes Service-Erlebnis.

„Intuitiv“ ist der Service deshalb, weil man ohne komplizierte Prozesse oder Rückfragen rasch eine zufriedenstellende Lösung für sein Problem bekommt. Viele Kunden fragen sich zu Recht, warum es so einen Service nicht auch bei ihrer Versicherung gibt. Genau das versuchen wir bei Signal Iduna umzusetzen.

Anzeige

Wie sieht das konkret aus? Zum Beispiel, indem wir künftig einen Adresswechsel ganzheitlich lösen. Denn das eigentliche Kundenanliegen ist nicht die Adressänderung. Der Kunden will vielmehr sicher sein, dass sein Versicherungsschutz durch den Wohnungswechsel weiterhin genau auf seine Bedürfnisse ausgerichtet ist und gegebenenfalls angepasst wird. Ein anderes Beispiel: Wenn jemand Student wird, bekommt er von uns als Krankenversicherer automatisch die für den Alltag notwendigen Bescheinigungen. Ohne dass er danach fragen muss. Der Kunden erhält von uns also einen Service, noch bevor er selbst weiß, dass er etwas von uns benötigt. Schnell, einfach und ohne großen Aufwand - das verstehen wir unter intuitivem Service.

...unsere Vermittler sind und bleiben Rückgrat für den Vertrieb

Versicherungsbote: Was bedeutet Vision2023 für den Außendienst und Vermittler aus Fleisch und Blut? Unter anderem wollen Sie die Digitalisierung vorantreiben. Welche Rolle werden dann künftig Vertreter und Versicherungsmakler für die Signal Iduna spielen?

Ulrich Leitermann: Unsere Vermittler sind und bleiben das Rückgrat für unseren vertrieblichen Erfolg. Denn gerade im Zeitalter der Digitalisierung ist die persönliche Verbindung zum Kunden im Vertrieb wichtiger denn je. Studien belegen das: Acht von zehn Kunden informieren sich heute erst online über Versicherungen, um dann bei ihrem Vermittler abzuschließen. Das Ziel unserer Digitalisierung ist deshalb nicht, den Vermittler – also Außendienstpartner oder Makler - zu umgehen, sondern ihn besser zu unterstützen! Durch den Einsatz neuer Technologien, durch bessere interne Prozesse und indem wir dem Vermittler Routineaufgaben abnehmen, so dass er mehr Zeit für die Beratung des Kunden hat.

Anzeige

Sie wollen auch die Unternehmenskultur der Signal Iduna erneuern. Wieso ist das aus Ihrer Sicht erforderlich? Und was soll konkret in Ihrem Unternehmen geändert werden?

Neue Technologien entwickeln sich mit exponentieller Geschwindigkeit. Künstliche Intelligenz, Sprach-Assistenten, Roboter, Industrie 4.0, selbstfahrende Autos… all das verändert nicht nur das Leben unserer Kunden, sondern auch unsere Arbeitswelt. Unternehmen sind heute in einem ständigen Veränderungsprozess. Daran müssen wir uns anpassen, auch in der Art wie wir arbeiten. Stichwort: Agilität. Wir müssen flexibler werden, schneller und auch mutiger. Das bedeutet für ein Unternehmen als Organisation weniger Hierarchien, weniger Silos, mehr Eigenverantwortung für den einzelnen Mitarbeiter und auch mehr Transparenz bei Informationen und Entscheidungen.

So eine Veränderung kommt natürlich nicht über Nacht. Dahinter steht ein langer Prozess und eine neue Unternehmenskultur, die wir gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickeln wollen. Das machen wir Schritt für Schritt. Zum Beispiel durch Angebote für Workshops zu neuen Arbeitstechniken oder Vorträge von Experten. Am Ende sollen unsere Mitarbeiter nicht nur kompetenter sein, sie sollen auch mehr Spaß bei ihrer Arbeit haben. Nur dann wird unser Transformationsprogramm erfolgreich sein.

Die Versicherungsbranche hat ein Nachwuchsproblem, der Altersschnitt im Vertrieb nähert sich den 50 Jahren. Zugleich berichten wir als Branchenblatt über verstärkten Vertriebsdruck und Jobabbau im Innen- wie Außendienst. Was können bzw. müssen die Versicherer aus Ihrer Sicht tun, um trotz dieser Schlagzeilen junge Fachkräfte für sich zu begeistern? Und sind die Anbieter nicht auch selbst ein bisschen schuld, wenn der Nachwuchs ausbleibt?

Das Berufsbild des Vermittlers wandelt sich. Die fachlich-methodischen Anforderungen steigen und damit wird eine betriebswirtschaftliche Ausbildung immer wichtiger. Gleichzeitig sehen wir einen Trend zur Mehrpersonen-Agentur. Qualifikationen wie Mitarbeiterführung und Unternehmensmanagement gewinnen deshalb an Bedeutung. Wie können wir als Signal Iduna darauf reagieren? Ganz zentral ist aus unserer Sicht eine qualifizierte Ausbildung, die jungen Menschen eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt.

Für die Ausbildung bieten wir verschiedene Angebote und Berufswege. Das kann zum Beispiel eine Anstellung vor einer später geplanten Selbständigkeit sein, damit man sich später im Beruf besser zurechtfindet. Das kann der Weg über ein duales Studium sein, das wir mittlerweile auch im Vertrieb anbieten. Oder ein Trainee-Programm. Um der von Ihnen angesprochenen Altersentwicklung entgegenzuwirken, haben wir verschiedene Nachfolgemodelle für Agenturen entwickelt. Zudem wollen wir junge Interessenten künftig verstärkt über Social-Media-Kanäle ansprechen. Ich denke, dass wir mit all diesen Maßnahmen gut aufgestellt sind, um auch jungen Außendienstpartnern sehr gute Entwicklungschancen zu bieten.

Ein weiteres Problem aus Sicht der Branche: die Regulierung. Nach Solvency II und IDD droht nun ein Provisionsdeckel in der Lebensversicherung, der für viele Vermittler Einbußen bedeutet. Wie positionieren Sie sich zu solch einem Deckel?

Niemand in der Versicherungswirtschaft will den Provisionsdeckel. Aber möglicherweise ist er unvermeidbar, denn der Gesetzgebungsprozess ist bereits im Gange. So lange die Zinsen auf einem historischen Tief sind, kann man den Kunden die hohen Kosten nicht vermitteln. Aus diesem Grund haben wir und werden wir künftig die Kosten auch bei den Provisionen begrenzen.

Wird die Signal Iduna im Falle eines Provisionsdeckels Maßnahmen ergreifen, um Einkommenseinbußen der Vermittler auszugleichen? Welche sind denkbar?

Maßnahmen zum Ausgleich möglicher Einkommenseinbußen halten wir bislang für nicht notwendig. Im Exklusivvertrieb gibt es eine Tendenz zu größeren Agenturen und Zusammenschlüssen, bei denen ein höherer Vergütungsanteil aus dem Bestand kommt. Dieser Trend wird zunehmen. Im freien Vertrieb gehen wir bei geschlossenen Vertrieben, Pools und Verbünden davon aus, dass ein Kostenausgleich für übernommene Dienstleistungen erfolgen kann, der der Kostenersparnis im Versicherungsunternehmen entspricht. Daher sind auch hier keine weiteren Ausgleichsmaßnahmen notwendig.

Wir steuern so langsam auf Weihnachten zu - und damit auch auf das Jahresende. Können Sie einen ersten Einblick geben, wie sich das Geschäftsjahr der Signal Iduna entwickelt hat?

Da wir unsere Bilanz erst im kommenden Jahr veröffentlichen, kann ich Ihnen keine konkreten Zahlen nennen. Nur soviel: Unsere Beitragseinnahme werden auch 2018 wieder steigen.

Anzeige

Die Fragen stellte Mirko Wenig

Seite 1/2/

Anzeige