Der Rentenbescheid ist ein wichtiges Dokument. Es soll Ruheständler ab Rentenbeginn darüber informieren, wie hoch die gesetzliche Rente ausfällt, aus welchen Versicherungszeiten sich die Ansprüche speisen und wann die Rente erstmals ausgezahlt wird. Doch in der Realität sind die Bescheide für Laien kaum verständlich. Bis zu 150 Seiten können sie umfassen, was dem Umfang eines kurzen Romans entspricht: Seiten vollgepackt mit schwer nachvollziehbaren Berechnungen, juristischen Fachbegriffen und Schachtelsätzen.

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DRV sieht dringenden Reformbedarf - und hat ein "Mammutprojekt" angeschoben

Dass die Rentenbescheide bei vielen Empfängern eher Frust verbreiten als aufzuklären, räumt auch die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) auf ihrer Webseite unumwunden ein. Und berichtet in einem Pressetext, dass man dies dringend ändern will. Gemeinsam mit Sprachwissenschaftlern der Verwaltungshochschule Speyer hat die Behörde ein Projekt angeschoben, um die Rentenbescheide deutlich einfacher und kürzer zu machen. Bereits im kommenden Jahr soll dann jeder Rentner die neuen Dokumente erhalten.

"Der bisherige Bescheid ist ein Mammutwerk, das aus rund 10.000 Textbausteinen zusammengesetzt wird", berichtet die DRV. "Für jeden denkbaren Versicherungsfall gibt es einen vorgefertigten Text, der individuell und maschinell im Bescheid aufgenommen wird. Alle diese Textbausteine werden nun sprachlich, inhaltlich und vom Aufbau her für den neuen Bescheid überarbeitet. Dieser wird deutlich vereinfacht."

"Operation am offenen Herzen"

Konkret sollen die Rentenbescheide deutlich gekürzt werden: im Schnitt soll jeder Rentner 30 Seiten weniger erhalten. So wird unter anderem der Basisteil von 18 auf 12 Blatt Papier zusammengestrichen. Die wichtigsten Informationen sollen auf der ersten Seite des Bescheids überblicksartig zusammengefasst werden, etwa die Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Auch fallen die Anlagen mit umfangreichen Zahlenkolonnen zur Berechnung der Rente weg, weil sie für Laien nicht immer nachvollziehbar gewesen seien, berichtet die DRV. Der Zahlenwulst soll durch einfache Erläuterungen ersetzt werden. Die Bescheide erhalten zusätzlich ein kommentiertes Inhaltsverzeichnis und einen Katalog mit Fragen und Antworten zu häufig nachgefragten Themen.

Darüber hinaus will die Rentenbehörde die Sprache überarbeiten. Die Ansprache der Rentner soll persönlicher werden und weniger von Behördensprech geprägt sein. Auch sollen Schachtelsätze entschlackt und gekürzt werden. Man habe bei der Überarbeitung Wünsche von Rentnern berücksichtigt, etwa aus Umfragen, heißt es im Pressetext.

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„Der Bescheid richtet sich jetzt mehr an Bürger statt an Juristen. Aber natürlich so, dass er auch von Richtern grünes Licht erhält und justiziabel bleibt“, berichtet Dirk von der Heide, Sprecher der DRV. Und verweist auf ein Problem: Allzu allgemeine Formulierungen würden dazu führen, dass die Bescheide vor Gericht anfechtbar sind. Zudem erfolge die Überarbeitung im laufenden Betrieb mit Millionen Kunden und sei folglich eine "Operation am offenen Herzen", so von der Heide. Das Ganze sei ein riesiges Modernisierungsprojekt, das schrittweise umgesetzt werden müsse.

Kritik von Rentenberatern

Dass die Rentenbescheide gut verständlich sind, erfordert schon ihre Aufgabe. Sie sollen den Rentnern auch dazu dienen, mögliche Fehler bei der Rente zu erkennen und Korrekturen einzufordern. "Trotz EDV schleichen sich bei der Erstellung des Rentenbescheids immer wieder Fehler ein", weiß Stefan Braatz, Experte der Rentenversicherung. Stichproben in den Tätigkeitsberichten des Bundesversicherungsamtes legen den Verdacht nahe, dass viele Renten zu niedrig berechnet werden, weil Anrechnungszeiten nicht oder falsch erfasst werden.

"Bestimmte Informationen nun kaum mehr zu finden"

Aber nicht überall finden die Pläne Zuspruch - zumindest ihre konkrete Umsetzung. Der Bundesverband der Rentenberater e.V. kritisiert, dass die neuen Rentenbescheide keineswegs übersichtlicher und verständlicher seien als die bisherigen. "Das Gegenteil ist der Fall", sagt Rentenberater Sascha Schilbach, Mitglied im Bundesverband."Was auf den ersten Blick gut gedacht erscheint, nämlich den Rentenbescheid kurz und knapp zu halten, bewirkt, dass bestimmte Informationen nun kaum mehr zu finden sind."

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Ärgerlich aus Sicht des Verbandes: Ausgerechnet jene Anlagen sollen entfallen, die detailliert Aufschluss geben, wie sich die Rentenhöhe errechnet. "Die Ermittlung der Entgeltpunkte, aus denen die individuelle Rentenhöhe berechnet wird, ist damit selbst für interessierte Laien nicht mehr nachvollziehbar", heißt es in einer Stellungnahme. Wer einen vollständigen und ausreichend begründeten Rentenbescheid in seinen Händen halten wolle, "muss die entsprechenden Anlagen nachträglich anfordern", bemängelt der Verband.

Die Rentenversicherung Bund weist die Kritik zurück. Wichtig sei, dass die Bescheide jetzt deutlich übersichtlicher werden, positioniert sich die DRV auf der eigenen Webseite. "Wie sich die jeweilige Rente berechnet, wird in dem neuen Rentenbescheid mit gut verständlichen Texten erläutert. Bisher erfolgte die Information über die Berechnung der Rente in langen Zahlenkolonnen, was für Laien nicht immer nachvollziehbar war. Wer diese Informationen im Einzelfall benötigt, kann sie schnell und unbürokratisch anfordern", argumentiert die DRV.

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