Es gehört zu den Schattenseiten des Makler-Daseins. Jahrelang treue Kunden gehen von Bord und lassen sich von den Versprechungen oder Dienstleistungen eines neuen Vermittlers überzeugen oder unterschreiben einen neuen Maklervertrag. Die gewohnten oder eingeplanten Vergütungen über die Bestandspflege-Courtage fallen weg. Und wenn es um große Kundenverbindungen geht, können das schnell mal einige tausend Euro sein, die dann im Umsatz eines Vermittlerunternehmens fehlen.

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Der @AssekuranzDoc

Der @AssekuranzDoc

Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.

Die besonderen Kunden im Maklerbestand

Besonders ärgerlich wird der Verlust von Großkunden, wenn der Kundenbestand erst vor kurzem über einen Share Deal oder Asset Deal erworben wurde. Schnell machen dann Vorwürfe zur unrechtmäßigen Kundenabwerbung, Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht oder als Verletzung des Kaufvertrages die Runde. Natürlich gibt es solche. Es scheint für manchen Bestandsverkäufer einfach zu verlockend, den bereits verkauften und mit einem ansehnlichen Verkaufspreis veräußerten Bestand sich auf illegalem Wege wiederzuholen.

Klare Regelungen in einem Kaufvertrag können das Wildern im verkauften Bestand eindämmen und mit entsprechenden Festlegungen zu Sanktionierungen solcher Kundenabwerbung unattraktiv machen. Entsprechende Hinweise für einen individuellen Kaufvertrag beim Bestands(ver)kauf kann ein Bestands-Experte oder ein Fachanwalt für Versicherungsrecht bieten. Doch das ist ein spezielles Thema, was in der heutigen Kolumne nicht im Mittelpunkt stehen soll.

Neben den strafrechtlich relevanten Aktivitäten des Bestandsverkäufers ist das Augenmerk auf den neuen Bestandsinhaber zu lenken. Ich stelle immer wieder fest, dass die Bestandskäufer entweder keine Strategie für die möglichst schnelle und intensive Bindung der VIP-Kunden haben - oder die durchaus bewusste Problematik im operativen Alltag untergehen lassen. Letzteres ist für die Zeit des Übergangs des Bestandes auch noch nachvollziehbar. Zwischen den notwendigen Informationen an die Versicherungsgesellschaften sowie die Kunden, Anpassung der Technik zur Kundenverwaltung und Überprüfung des passenden Versicherungsschutzes ergeben sich Zeitlöcher, in denen dann auch einige Kunden aus dem Bestand verschwinden können.

Schritt 1: Übersicht verschaffen

Bereits vor einem Bestandkauf sollte sich Verkäufer und Käufer einen Überblick verschaffen, welche VIP-Kunden vorhanden sind. Dies gehört zu den wichtigen Details der Verkaufsvorbereitung, die wir auch in unserer neuen Fachbroschüre zum Bestandsverkauf zusammengestellt haben.

Es ist zu definieren, was ein VIP-Kunde sein soll. Das können beispielsweise Kunden mit mehr als sieben Verträgen sein. Es ist aber auch möglich, eine bestimmte Jahresnettoprämie oder die daraus resultierenden Courtageeinnahmen als Basis für die Klassifizierung zu nehmen. Als weitere mögliche Kriterien für den Status VIP können Kunden mit Multiplikatorenfunktion in der Region oder Branche, Potentiale der Kundenverbindung, die familiäre oder freundschaftliche Bindung zum Verkäufer oder ein größerer Anteil an den Gesamt- Courtageeinnahmen klassifiziert werden.

Es empfiehlt sich, zu den so gekennzeichneten VIP-Kunden eine Übersicht zu erstellen, die Verträge und entsprechende Versicherer, Nettobeitrag, Courtagesatz und Schadenquote ausweist. Hilfreich ist es auch, wenn die Art der VIP-Kategorisierung vermerkt ist. Gerade das Wissen um freundschaftliche und familiäre Bindungen erleichtert es dann auch, gegebenenfalls besondere Vereinbarungen zwischen Bestandskäufer und - verkäufer zu diesen Kunden zu treffen. Es ist beispielsweise vorstellbar, dass der Verkäufer eines Bestandes die engsten Kunden aus dem familiären Umfeld regulär nach dem Verkauf weiter betreut.

Schritt 2: Persönliche Übernahme von VIP-Kunden

Sind die VIP-Kunden klassifiziert und transparent zwischen Verkäufer und Käufer personifiziert, dann kann es an die Planung der „Übergabe“ gehen. Bewährt hat sich der gemeinsame Besuch bei VIP-Kunden. Planen Sie dafür genügend Zeit ein, denn allein für nur 30 solcher Kunden brauchen Sie mindestens 15 Arbeitstage, wenn man Vor- und Nachbereitung des Termins, Fahr- und Gesprächszeiten mit berücksichtigt.

Und dann ist Konsequenz gefragt. Die im Rahmen von vertraglich vereinbarten Mitwirkungspflichten vereinbarten gemeinsamen Termine müssen dann auch umgesetzt werden. Bei einem mir bekannten Fall wurde im Rahmen des Verkaufs einer Maklerfirma zirka 30 VIP-Kunden benannt, die innerhalb von zwei Monaten besucht werden sollten. Soweit alles gut.

Aber dann begann der Alltag. Die ersten fünf Besuche fanden planmäßig statt. Dann gab es beim Käufer „Terminschwierigkeiten“ und er delegierte die nächsten Besuche an einen Mitarbeiter, der für diese VIP-Kunden nicht geeignet war. VIP-Kunden, die selbst Inhaber oder Geschäftsführer einer Firma sind, wollen auf Augenhöhe abgeholt werden. Die VIP-Kunden wurde ein erstes Mal brüskiert. Der nächste ähnlich negative Anlass wurde dann vom Kunden genutzt, die Kunden wandten sich einem anderen Makler zu.

Schritt 3: Erreichbarkeit. Erreichbarkeit. Erreichbarkeit.

Es gibt bei der Vorbereitung einer Bestandsübernahme ebenso wie im tagtäglichen Umgang mit den Kunden kein wichtigeres Thema als die Absicherung der Erreichbarkeit. Dabei geht es nicht vordergründig um einen 7/24 - Service, sondern um Transparenz und Verlässlichkeit bei der Erreichbarkeit.

Illustrieren wir es an einem Beispiel: Ein Makler hat eine andere Maklerfirma gekauft. Kurze Zeit nach der Übernahme der neuen Kunden wurde aus betriebswirtschaftlichen Gründen das Büro des Verkäufers geschlossen und das betreuende Personal entlassen. Das kann aus Ertragssicht durchaus sinnvoll sein, aber nicht nach nur wenigen Monaten der Bestandsübernahme.

Für die betreffenden Kunden war die gewohnte Anlaufstelle - und auch der neben dem früheren Eigentümer vertraute Personenkreis - von heute auf morgen weg. Noch gravierender wirkte sich aus, dass die gewohnte Telefonnummer des „Kümmerers“ abgeschaltet und nicht umgeleitet wurde. Die Kunden wurden so dem freien Markt feilgeboten.

Sichern Sie in solchen Situationen - wie auch im Alltag der Bestandskunden - das Thema Erreichbarkeit ab. Besonders in Zeiten der rund um die Uhr geöffneten Online-Vermittler und der wachsamen Mitbewerber muss klar sein, wie der Kunde seinen Vermittler telefonisch oder persönlich erreicht.

Es gilt, sich allen Kommunikationswegen zu öffnen. Vermitteln Sie Ihren Kunden beispielsweise auch mit differenzierten Servicelevels, wann Sie sich über welchen Weg zurückmelden. Ein Anrufbeantworter, der nicht regelmäßig abgehört wird, verbessert die Erreichbarkeit natürlich nicht.

Schritt 4: Aktive Bindung der Bestandskunden

Bereits mehrfach habe ich zum Thema der aktiven Bindung von Bestandskunden geschrieben. Und ich freue mich, bei Beratungen von Maklerfirmen immer mehr Kundenbindungsinstrumente zur Verstärkung der Kundenloyalität in der Maklerpraxis zu finden.

Zu den Basics der Kundenbindung gehören aus meiner Sicht:

  • a) die Orientierung auf Vollkunden mit einem entsprechenden Beratungskonzept,
  • b) differenzierte Serviceangeboten verbunden mit besonderen Servicevereinbarungen und
  • c) eine spezielle Kommunikations- und Marketingstrategie.

Bei Bestandsübernahme empfehle ich den Käufern besonders im Hinblick auf VIP-Kunden für den Erstkontakt die Einbindung des eigenen Beratungskonzeptes in das Gespräch. Es ist bekannt: Der erste Eindruck zählt. Da man aber nie sicher sein kann, ob man mit VIP-Kunden sofort eine passende zwischenmenschliche Chemie entwickeln kann, empfiehlt es sich, zumindest fachlich zu überzeugen.

Was kann es da besseres geben, als die Stärken des eigenen - hoffentlich besseren - Beratungskonzeptes im Erstgespräch mit dem Kunden vorzustellen? Hilfsmittel können die Übergabe eine Firmen-Imagebroschüre und ein Werbemittel mit den neuen (oder optimaler: den alten) Erreichbarkeiten sein. Verstärken Sie das Ganze bei VIP-Kunden mit der Übergabe der Handynummer, mit der die VIP-Kunden Sie persönlich erreichen können.

Kommen wir zu Punkt b) - den differenzierten Serviceangeboten. Das Thema ist teilweise umstritten, dennoch bleibe ich dabei. Kein Makler schafft es, alle seine Kunden in gleicher Intensität zu beraten und zu betreuen. Das geht weder von Seiten des Zeitbudgets - noch ist es betriebswirtschaftlich vertretbar.

Ein bewährtes Instrument ist deshalb die Differenzierung der Serviceangebote über die Grundpflichten als Makler hinaus. Ob Gold-, Silber- und Bronze-Kunden oder ob mit oder ohne Servicegebühren, ist weitgehend egal. Wichtig sind die Transparenz und Verlässlichkeit.

Nach c) gilt es, eine zu den Kunden und Themen passende Kommunikations- und Marketing-Strategie zu etablieren. Die Kundenbindung sollte in allen Kategorien der Kundenklassifizierung abgesichert werden. Newsletter und Social Media für alle Kunden, Makler-Blog für spezielle Kunden oder Themen, Spezialvorträge oder kleine Events für VIP-Kunden sind nur einige der Möglichkeiten, die die Kundenbindung verstärken können. Für jeden der genannten Punkte gibt es auch externe Anbieter, die dem Unternehmer und Makler helfen, die eigenen Ressourcen adäquat einzusetzen.

Fazit:

Der Verlust von VIP-Kunden ist nicht selten ein hausgemachtes Problem von Vermittlern. Besonders bei Bestandsübernahmen zeigen sich die Schwachstellen in der fehlenden oder noch nicht optimalen Strategie zur Kundenbindung. In dieser Frage ist der Makler als Unternehmer gefordert. Es gilt ein Konzept zu erstellen, mit welchen Inhalten, Mitteln und Maßnahmen das wertvollste Gut einer Maklerfirma, die Bestandskunden, immer wieder neu begeistert und so loyal gehalten werden können.

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In dem Sinne wünscht Ihnen Ihr AssekuranzDoc gute Besserung.