Seit 2013 gibt es den Ausschuss für Finanzstabilität. Dieses Expertengremium, dem Vertreter des Finanzministeriums, der Bundesbank sowie der Finanzaufsichtsbehörde BaFin angehören, soll den Bundestag darüber informieren, wie es um die Stabilität des deutschen Finanzsystems bestellt ist und wo mögliche Gefahren liegen. Der jüngste Bericht des Ausschusses dürfte den deutschen Versicherern gar nicht gefallen. Denn die Lebensversicherer werden darin als Risiko ausgemacht.

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Lebensversicherer „potentielle Gefahrenherde“

Die deutschen Lebensversicherer seien durch den anhaltenden Niedrigzins „merklich belastet“, heißt es im vierten Bericht zur Finanzstabilität in Deutschland. Und weiter: „Es besteht die Gefahr, dass die erwirtschafteten Erträge nicht mehr ausreichen, um den langfristigen Verpflichtungen nachzukommen“. Ein Indiz hierfür sei, dass mehrere deutsche Lebensversicherer ihr Neugeschäft einstellen und die Bestände in den Run-off schicken, also nur noch abwickeln. „Die damit verbundene Konsolidierung kann die Risikotragfähigkeit des ganzen Sektors steigern“, so das Fazit der Autoren.

Krise der Versicherer könnte Realwirtschaft und Banken anstecken

Zugleich benennt der Report, worin das systemische Risiko durch die Lebensversicherer besteht.„Versicherer erfüllen eine für die Finanzstabilität kritische Funktion, weil sie Unternehmen, Finanzinstitute, private Haushalte und staatliche Stellen gegen finanzielle Risiken absichern“, heißt es im Text. Ein Ausfall dieser kritischen Funktion träfe die Realwirtschaft unmittelbar. Dies verdeutlicht der Ausschuss an einem Beispiel: Als in Australien 2001 ein großer Schaden- und Unfallversicherer pleite ging, hätten Bauprojekte vorübergehend abgebrochen werden müssen, weil sie nicht mehr mit Bauversicherungen abgesichert werden konnten.

Zugleich seien Versicherer und Altersvorsorgeeinrichtungen als Investoren an den Kapitalmärkten tätig. Sie verwalteten im vierten Quartal 2016 mit rund 2,6 Billionen € circa 17,5 Prozent der finanziellen Aktiva in Deutschland, heißt es in dem Report. Und daraus erwachse ein weitere Gefahr: Die Versicherer seien derart mit anderen Finanzmarkt-Akteuren wie Banken verflochten, dass sie von deren Risiken angesteckt werden könnten oder selbst gar Risiken auf den Bankensektor übertragen.

„Früh zielgerichtete Maßnahmen unternommen“

Zugleich würdigt der Bericht, dass Gesetzgeber und Aufsicht „schon früh mit zielgerichteten Maßnahmen reagiert hätten, um die Risikotragfähigkeit der Versicherer im lang anhaltenden Niedrigzinsumfeld zu stärken“. Hier werden unter anderem die Zinszusatzreserve genannt, die sich zum Jahresende 2016 auf 44 Milliarden Euro summierte. Oder auch das Aufsichtsregime Solvency II der Europäischen Union, das eine bessere Ausstattung mit Eigenkapital vorschreibt. Entsprechend der Vorschriften sollte die Solvenzquote, die sich aus dem Verhältnis der Eigenmittel eines Versicherers zu den Solvenzkapital-Anforderungen SCR errechnet, nicht kleiner als 100 Prozent sein.

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Bezüglich der Aufsichtsregeln nach Solvency II gibt der Ausschuss zu bedenken, dass noch bis zum Jahr 2031 Übergangsregeln gelten, die erleichterte Bedingungen für die Eigenmittel-Ausstattung eines Versicherers vorsehen. "Tatsächlich wenden über 70 Prozent der deutschen Lebensversicherer diese Übergangsmaßnahmen an. Dabei nutzen gerade jene Versicherer dieses Instrument, die ansonsten eine zu niedrige Solvenzquote ausweisen und nicht über ausreichende Eigenmittel verfügen würden", warnt der Stabilitätsausschuss des Bundestages in seinem Bericht. Mit anderen Worten: Gerade Versicherer, die weniger stabil sind, können mit diesen Regeln ihre finanzielle Situation beschönigen und Risiken vertuschen.

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