Man muss Aussagen von Frank Grund von der Finanzaufsicht BaFin nicht aufwendig auslegen. Bei Betriebsrenten gilt der Grundsatz, dass die Beiträge hierfür grundsätzlich, und zwar sehr, sehr grundsätzlich als Arbeitslohn anzusehen sind. Dieses Kernwissen aus dem 1x1 der Betriebsrente habe Grund auf dem Rückversicherungssymposium der Technischen Hochschule Köln bekräftigt, berichtet der „Versicherungsmonitor“. Arbeitslohn muss ungekürzt ausgezahlt werden. Wird dieser Lohn über Umwege gezahlt, also als aufgeschobene Betriebsrente, so bleibt er dennoch das, was er ist: Arbeitslohn.

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Durchschnitt-Verlust des Betriebsrentners 5.000 Euro

Und dieser Arbeitslohn wird - in Rentenform - nun nach der angekündigten Kappung des Rechnungszinses der Neue Leben Pensionskasse bei „jüngeren Versicherten (...) im Schnitt um 16 Prozent sinken“, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ). Der Versicherungsbote rechnet: Rentenprofis wissen, dass private Rentenpolicen je 10.000 Euro Kapital rund 30 Euro lebenslange Rente garantieren. Sagen wir, es seien (ebenfalls realistische) 32 Euro je 10.000 Euro. Dann entspräche eine um 16 Euro gekappte Rente rund 5.000 Euro. Minus. Fehlendes Kapital.

Dieses Mankogeld müsste der Arbeitgeber des Betriebsrentners auffüllen, wenn in den Verträgen eine konkrete Rentenhöhe genannt wird. 100 Euro Rente sind kein Exotenfall, sondern Praxis. Ein Arbeitnehmer, der brutto (netto interessiert hier nicht) knapp 60 Euro einzahlt, hat nach 30 Jahren und bei glatten 3,00 Prozent Zins gut 31.000 Euro auf dem Betriebsrenten-Konto stehen. Entsprechend rund 100 Euro Rente. Dieses Ergebnis droht nun um 16 Prozent oder im Modellfall als Kapital betrachtet um 5.000 Euro Wert gekürzt zu werden.

Modellrechnung ergibt 50 Millionen Manko

Bei der Neuen Leben Pensionskasse seien 10.000 Mitarbeiter/Versicherte von den angekündigten Zinskappungen von einstmals (meist) 3,25 auf künftig ab 2017 geltenden 1,25 Prozent betroffen, meldet die SZ. Die Modellrechnung: 10.000 Mitarbeiter mal 5.000 Euro Manko. Diese beiden Werte miteinander multipliziert ergäben in Summe schlappe 50.000.000 Euro, Kleingeld für eine Allianz – eine Katastrophe für die vergleichsweise kleine Neue Leben Pensionskasse, womit die materielle Bedeutung der Pressemeldung zu der Betriebsrenten-Kasse des Talanx-Konzern und einiger Groß-Sparkassen beziffert ist. In Euro. Derer 50 Millionen nach dem Rechenmodell.

Kürzt also nun eine Pensionskasse wie an diesem Dienstag von der Neuen Leben berichtet ihre Renten zu Lasten der versicherten Arbeitnehmer, deren Chef sie dort versichert hat, dann könnten gekappte Renten ein Problem des Chefs werden. Nicht des Mitarbeiters. Letztere haben oft mit der von ihrem Arbeitgeber ausgesuchten Pensionskasse, und sei es die der Neuen Leben, schlicht nichts zu tun. Und nicht zu haften. Insbesondere ist anzumerken, dass Mitarbeiter meistens die Verträge ihrer Firma - mit wem auch immer - gar nicht kennen.

Bitte nachzahlen

Generell bekommen Angestellte in einem vereinfachten Verfahren von ihrem Chef statt einer Police (wie beim Privatkunden) lediglich eine mit „Beitritt“ oder „Teilnahme“ betitelte Erklärung, allenfalls mit sparsamen juristischen Hinweisen bedacht. Dort unterschreiben die Werktätigen und Betriebsrentner in spe ihr Einverständnis zur Teilnahme an dieser vom Betrieb organisierten Zusatzrente. Was sie meistens nicht sehen, das ist der Vertrag; nicht einschließlich, sondern ausschließlich des Kleingedruckten des zwischen Arbeitgeber und (hier) der Pensionskasse geltenden Vertrags.

Und so geht die juristische Kette dann weiter. Für Mitarbeiter gilt eine einfache Regel. Keine Kenntnisnahme der gesamten Vertrags-Paragrafen bedeutet: Keine (Mit-)Schuld oder gar (Mit-)Haftung für das Schicksal der eigenen Betriebsrente. Keine zumutbare Kürzung der Rente, die in der Police steht. Aber zumeist noch nicht einmal dieses Originaldokument erhalten die Mitarbeiter; allenfalls landet gelegentlich eine Art Versorgungsbestätigung oder Kontoauszug in ihrer Firmenpost. Von der zulässigen - im Verbrauchersinne überraschenden - Kürzungsklausel, nach der etwa die Neue Leben Pensionskasse den Rechnungs- gleich Garantiezins kappen darf, wissen wohl viele Betriebsrentner mangels Information gar nichts. Chefs müssten haften, und nachzahlen.

50.000 Euro Nachzahlung je Mitgliedsunternehmen möglich

Der „Versicherungsmonitor“ schreibt an diesem Mittwoch: „Angesichts der angespannten Situation bei Pensionskassen könne es passieren, dass in manchen Fällen die Arbeitgeberhaftung greift, warnte Versicherungsaufseher Frank Grund“. Zum konkreten Fall Neue Leben Pensionskasse samt angekündigter Kürzungen habe sich der zitierte Aufseher Grund sich nicht geäußert. Dennoch gilt das oben beschriebene Geschriebene.

Der Arbeitgeber haftet. Inwiefern eventuelle zusätzliche – und nach Kapitalmarktlage arg unwahrscheinliche – Zusatzzinsen mit Garantien der Pensionskasse verrechnet werden dürften. Tja..., das entscheidet in geschätzt drei bis fünf Jahren frühestens wohl das Bundesarbeitsgericht in letzter Instanz. Zumal Zinsen aus Beitrag (gleich Arbeitslohn) grundsätzlich den Mitarbeitern zustehen, je nach Vertrag – und je nach dem, was Mitarbeiter zumutbar zur Kenntnis nehmen konnten.

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Die klamme Neue Leben Pensionskasse im Besitz von Talanx und einigen Großsparkassen könnte den Chefs der dort versicherten Betriebsrentner wohl ein ziemlich großes, teures Kuckucksei ins Nest, nein in die Bilanzen gelegt haben. Bei 5.000 Euro je „Schadenfall“ und zehn Versicherten kämen auf Neue-Leben-Pensionskasse-Kunden (den Arbeitgebern) zehnmal 5.000, also rund 50.000 Euro Kosten zu.

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