Um einem BWL-Studenten zu erklären, was ein Bilanzsprung, können Professoren ein aktuelles Beispiel heranziehen. In der Bilanz der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse (KZVK) im Jahr 2013 schlugen knapp 17 Milliarden Euro Versorgungsverpflichtungen zu Buche. Nach Berichten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) stehen in der jetzt erstellten Bilanz für das Jahr 2014 knapp 22,6 Milliarden Euro. Der Summen-Unterschied entspricht einer versicherungsmathematisch neu festgestellten Unterdeckung von 5,5 Milliarden Euro, der in der Bilanz als Fehlbetrag die Position „Ausgleichposten“ füllt.

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„Stets sorgfältig beobachtet und die erforderlichen Maßnahmen ergriffen“

Als Grund nennt die KVZK, getragen vom Verband der Diozösen Deutschlands (VDD) laut FAZ neben der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank die „veränderten Annahmen zur langfristigen Entwicklung der Verzinsung auf den Kapitalmärkten.“ Diese Veränderungen der Zinsen beeinflussen und betreffen alle Pensionskassen, nicht nur die KVZK, bereits seit mehreren Jahren - spätestens seit Beginn und den Folgen der Finanzkrise ab dem Jahr 2008.

In ihrem Geschäftsbericht beteuert die KVZK dem Zeitungsbericht zufolge, sie habe die Entwicklungen der Vergangenheit (Niedrigzins und demografische Risiken wie die zunehmende Langlebigkeit) „stets sorgfältig beobachtet und dabei jeweils die erforderlichen Maßnahmen ergriffen“. Gegen die Worte der KZVK in ihrem Geschäftsbericht stehen die Zahlen in demselben Papier: Von einem Jahr (2013) aufs andere (2014) fehlen in der Kasse scheinbar plötzlich 5,5 Milliarden Euro. Bemerkenswert ist, dass die Bilanzen in der Vergangenheit von Wirtschaftsprüfern testiert wurden.

Minus 1,4 Milliarden Anlagevermögen – Plus 1,36 Milliarden Mehrausgaben 2016

Zu diesem jetzt festgestellten Mehraufwand für Renten gesellen sich bei der KZVK weitere Lasten, meldet die FAZ. So dass aus 17 Milliarden (Stand 2013) rechnerisch oder tatsächlich nur noch etwa 15,6 Milliarden Euro Vermögen zu Buche schlagen. Hinzu kommen Mehrkosten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro (plus Zinsen 263 Millionen Euro): Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Dezember muss die KZVK ihren Mitgliedern und 1,1 Millionen pflichtversicherten Kirchenmitarbeitern das so genannte Sanierungsgeld, das seit 2002 wegen des Umbaus des Rentensystems der Kasse erhoben wurde, erstatten. Zurzeit hat die Kasse zudem 150.000 Rentner in ihren Büchern.

Wie bei der Zusatzversorgung des weltlichen öffentlichen Dienstes (zum Beispiel die Versorgungseinrichtung VBL) hat auch die KVZK vor 15 Jahren einen Systemwechsel durchgeführt. Von dem so genannten Abschnittsdeckungs-Verfahren ging die Kasse auf Kapitaldeckung über. Um dies auszufinanzieren, erhoben die Zusatzversorgungskassen dafür seit 2002 die Sanierungsgelder. Bei der VBL klappte das. Bei der KZVK nicht. Wegen Fehlern im Kleingedruckten zwingt der BGH der Kasse jetzt die Erstattung der Sanierungsgelder auf: Inklusive Zinsen gut 1,36 Milliarden Euro, die die KZVK in diesem Jahr erstatten muss.

Keine staatliche Aufsicht

Zwar steigert die Kasse ihren Beitrag bis 2024 von zurzeit 4,8 auf 7,1 Prozent vom Bruttolohn der Beschäftigten; die Kirchen nennen sie „Dienstnehmer“ und die Arbeitgeber „Dienstgeber“. Aber diese Einnahme-Steigerung wird nicht ausreichen, um das Loch in der Bilanz, und auf der Bank, zu stopfen. Der KZVK-Vorstandsvorsitzende Michael Klass habe der FAZ versichert, die Kasse habe „über Jahrzehnte hinweg kein Problem ..., ihren Rentenzahlungsverpflichtungen nachzukommen“. Seine Bilanz spricht krass gegen Klass’ Worte.

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Unterdessen unterstützt den Berichten der FAZ zufolge das Beratungsunternehmen KPMG die KZVK. Sanierungsvorschläge und Entscheidungen dazu würden nun in einem „Koordinations- und Kommunikationsprozess“ gesteuert, heißt es. Die KZVK unterliegt keiner staatlichen Aufsicht.

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