Wie können kleine und mittlere Unternehmen dazu gebracht werden, zukünftig ihren Mitarbeitern Betriebsrenten anzubieten? Mit dieser Frage schlägt sich aktuell die Bundesregierung herum, die eine stärkere Förderung der betrieblichen Altersvorsorge in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hat. Ungewohnte Unterstützung erhält dabei die Versicherungswirtschaft vom größten Dachverband der deutschen Gewerkschaften: DGB-Chef Reiner Hoffmann hat sich für eine allgemeine Pflicht zur bAV ausgesprochen.

“Es gibt Branchen, da gibt es solche Betriebsrenten nicht“

“Bei der Betriebsrente brauchen wir eine Verpflichtung“, sagte Hoffmann der Deutschen Presse Agentur (dpa). „Es gibt Branchen, da gibt es solche Betriebsrenten nicht, etwa im Catering und den personenbezogenen Dienstleistungen.“ Zudem forderte Hoffmann ein stärkeres Vorgehen gegen die drohende Altersarmut. „Das Absicherungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung darf nicht unter 50 Prozent fallen“, so der Diplom-Ökonom. Das Gesetz sieht eine Absenkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent bis zum Jahr 2030 vor.

Hintergrund der Forderung: Aktuell profitieren in Deutschland nur rund 60 Prozent der Arbeitnehmer von einer Betriebsrente. Speziell kleinere und mittlere Unternehmen, die nicht tariflich organisiert sind, bieten ihren Beschäftigten oft keine zusätzliche Altersvorsorge an.

Doch der Vorstoß des DGB-Chefs ist nicht ganz selbstlos. Das Bundesarbeitsministerium von Andrea Nahles (SPD) diskutiert derzeit ein Modell, wonach Arbeitgeber gemeinsam mit den Gewerkschaften eine verbindliche Altersvorsorge vereinbaren sollen (Versicherungsbote berichtete). Die Gewerkschaften könnten Firmen über Tarifverträge dazu verpflichten, Betriebsrenten in einer bestimmten Höhe anzubieten – was ihnen mehr Einfluss auf die Art der Altersvorsorge sichern würde.

Kritiker der aktuellen Pläne wenden hingegen ein, dass die Tarifbindung in Westdeutschland nur rund 60 Prozent der Firmen erfasst, in den neuen Bundesländern sogar nur 48 Prozent. Die Gewerkschaften würden folglich nur etwas mehr als die Hälfte der Beschäftigten vertreten. Auch boomen derzeit Teilzeitstellen, Minijobs und Leiharbeit, so dass gerade Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor kaum von Betriebsrenten profitieren würden.

Arbeitgeber lehnen Pflicht zur bAV ab

Die Arbeitgeber sprechen sich gegen eine Pflicht zur betrieblichen Altersvorsorge aus. „Der Schlüssel für eine weitere Verbreitung von Betriebsrenten sind bessere Rahmenbedingungen und nicht staatliche Zwangslösungen“, sagte Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer gegenüber dpa. Steuer- und beitragsfreie Einzahlungen in die bAV sollten in höherem Umfang möglich werden. „Bei den niedrigen Zinsen ist nun einmal mehr finanzieller Aufwand erforderlich, um eine Alterssicherung aufbauen zu können.“

Neben der Altersvorsorge-Pflicht plädiert DGB-Chef Reiner Hermann dafür, den Wechsel in den Ruhestand flexibler zu gestalten. Als Beispiel nannte verwies er auf die Chemie-Industrie. In den Tarifverträgen sei ein Demografiefonds vereinbart worden – mit 560 Euro pro Beschäftigtem und Jahr. „Alle betroffenen Arbeitnehmer in Wechselschicht über 57 Jahre bekommen aus diesem Topf einen Tag in der Woche Arbeitszeitverkürzung finanziert“, so Hermann. So sei es möglich, dass die Beschäftigten länger arbeiten.

dpa