Bundestagswahl 2013 - Die Assekuranz hat viel zu verlieren

Quelle: © Marco Urban / Pressefoto SPD

Einen noch drastischeren Einschnitt für die Assekuranz dürfte allerdings die geplante Abschaffung der privaten Krankenversicherung als Vollvorsorge bedeuten. Die SPD will das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung beenden, fortan sollen alle Bürger zur Einzahlung in einen einheitlichen Topf gezwungen werden. „Im Gesundheitssystem und in der Pflege wird die SPD die Bürgerversicherung einführen für alle Neu- und gesetzlich Versicherte“, heißt es auf der Webseite der Sozialdemokraten.

Die Privaten Krankenversicherungen wären die großen Verlierer dieser Reformpläne. Zwar ist ihnen erlaubt, die bisherigen Mitglieder weiterhin zu versorgen. Auch dürfen sie gleichsam den gesetzlichen Kassen die neue Bürgerversicherung anbieten. Jedoch wird dem Neugeschäft ein Riegel vorgeschoben, denn zukünftig dürfen keine Kunden im Vollgeschäft nach dem bisherigen Prinzip einer individualisierten und kapitalgedeckten Risikovorsorge geworben werden. Bisher privat Versicherte sollen ein Jahr befristet wählen können, ob sie in die GKV zurück wechseln wollen. Allerdings hätten die privaten Versicherungsanbieter fortan die Möglichkeit, verstärkt auf das Geschäft mit Zusatzversicherungen zu setzen. Es könnte ein zentraler Wahlkampfslogan der Sozialdemokraten werden, endlich „die Zwei-Klassen-Versorgung“ im Gesundheitssystem zu beenden - ob die Forderung berechtigt sei oder nicht.

Zukunftsfragen zu lange ausgespart

Es spielt der SPD in die Karten, dass die Privatversicherer wichtige Zukunftsfragen zu lange unbeantwortet ließen. Ausgerechnet die AOK präsentierte in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung McKinsey vor zwei Monaten eine Studie, die Versäumnisse der privaten Krankenversicherungen auflistete. Viele Privatversicherer würden mit veralteten Zahlen kalkulieren, seien bürokratisch und behäbig, hätten keine Antwort auf die steigenden Gesundheitskosten. Und obwohl die Anbieter sich per Gesundheitsfragen bevorzugt die jungen und gesunden Kunden aussuchen – der Privatpatient ist mit vierzig Jahren im Schnitt fünf Jahre jünger als der Durchschnittsbürger – hätten die Anbieter keine Antwort auf die Alterung der Gesellschaft gefunden. Eine PKV ohne florierendes Neugeschäft sei demnach kaum überlebensfähig.

Zudem steigen im Alter die Ausgaben für einen Privatpatienten doppelt so stark an wie für einen gesetzlich Versicherten. So „kostet“ ein 70-jähriger Mann der GKV 4.000 Euro im Jahr, mit 85 Jahren knapp unter 5.000 Euro, also rund ein Viertel mehr. Bei der Privaten Krankenversicherung (PKV) steigen die Ausgaben dagegen vom Alter 70 mit rund 6.000 Euro auf 10.000 Euro im Alter 85, also um fast 70 Prozent (nach Angaben des Wissenschaftlichen Instituts der PKV). Uneffektiv, behäbig, auf die Alterung der Gesellschaft nicht vorbereitet – es sind genau jene Vorwürfe, die normalerweise von den Privatversicherern in Richtung gesetzliche Krankenversicherung erhoben werden.

Obwohl es offensichtlich scheint, dass die AOK mit ihrer einseitigen Studie Stimmung gegen die Privatversicherer machen will, geben auch Branchenkenner zu, dass die Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen sind. Das Analysehaus Bain & Company machte ebenfalls existenzielle Herausforderungen bei der PKV aus. Speziell die teils drastischen Beitragssteigerungen für ältere Versicherungsnehmer, die in den letzten Jahren stärker anwuchsen als das Bruttosozialprodukt, nagen am Image der Versicherer. In den Medien wird derzeit offen vor einer „Schuldenfalle PKV“ im Alter gewarnt, zum 01. Mai haben einige Versicherer die Beiträge erneut um bis zu 25 Prozent angehoben. Das schlechte Image bremst auch das Neugeschäft, das im letzten Jahr hinter den Erwartungen zurück blieb. „Die öffentliche Wahrnehmung der PKV ist auf einem historischen Tiefpunkt“, konstatiert Bain & Company.

Ist das duale System sozial unausgeglichen?

Doch die Interessenvertreter der PKV gehen in die Offensive. Seit Monaten trommelt der Dachverband der privaten Krankenversicherung (PKV) gegen die Bürgerversicherung. Volker Laienbach, geschäftsführendes Vorstandsmitglied im PKV-Verband, sprach sich bereits im Februar auf einer Podiumsdiskussion auf dem 13. Vorlesungstag des Institutes für Versicherungswissenschaften Leipzig für eine Fortführung der schwarz-gelben Koalition aus. „Wenn die SPD gewinnt, wird es die PKV nicht mehr geben“, sagte Leienbach. „Von mir aus klare Ansage: Wir brauchen aus Sicht der PKV - ich rede jetzt als Verbandsfunktionär, der Interessen vertritt - eine Regierungsbeteiligung entweder von Union oder von FDP“.

In seiner Argumentation versuchte Leienbach, die Gegner der PKV mit ihren eigenen Argumenten zu schlagen. Es sei gar nicht davon auszugehen, dass eine Bürgerversicherung mehr Gerechtigkeit in der Krankenversorgung schaffe. So habe Deutschland zwar die Dualität zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung – aber nur ein Versorgungssystem, das in der Regel allen Versicherten offen stehe. In anderen Ländern hingegen, in denen es keine private Vollversicherung gebe, würden gute Ärzte häufig nur gegen Bargeld oder Zusatzversicherung behandeln, die soziale Ungleichheit im Gesundheitssystem größer sein. Es ist ein altbekanntes Argumentationsmuster der Privatversicherer: Sie beanspruchen für sich, durch höhere Arzthonorare und Vergütungen für Medikamente indirekt die Versorgung der gesetzlich Versicherten mitzusubventionieren. Viele Arztpraxen müssten sogar schließen, wenn sie nicht weiterhin die höheren Honorare der Privatversicherungen bekämen.

Eine These freilich, den die Vertreter der GKV entschieden zurückweisen. „Eine Subventionierung des Gesundheitswesens durch die PKV findet nicht statt“, heißt es etwa auf der Webseite einer großen Krankenkasse. „Die Anteile der Leistungsausgaben entsprechen fast genau dem jeweiligen Versichertenanteil: Von knapp 79 Millionen Krankenversicherten entfielen 88,6 Prozent auf die GKV, 11,4 Prozent auf die PKV mit knapp 10 Millionen Versicherten“ (Zahlen für 2009/2010, Quellen: PKV-Verband und Bundesministerium für Gesundheit). Dass die PKV mit ihren höheren Zahlungen ein besseres Gesundheitssystem für alle gewährleistet - es könnte ein selbst geschaffener Mythos sein. Zumal die Kosten für schwerbehinderte Menschen und gesundheitliche Risikogruppen oft einseitig den gesetzlichen Versicherungen aufgebürdet werden.