Wohngebäudeversicherung: Zwischen Schwelbrand und Neuausrichtung

Quelle: DALL-E

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Steigende Schadenquoten erzwingen höhere Beiträge, die im Vertrieb allerdings häufig durch Rabatte wieder neutralisiert werden. Doch Rabatte kaschieren nur Symptome – sie lösen keine strukturellen Probleme. Sind die Produkte zu komplex, zu teuer oder wurden am tatsächlichen Bedarf der Kunden vorbeientwickelt, dann bleiben sie unattraktiv – egal, wie hoch der Nachlass ist.

Für die Versicherer ergeben sich aus diesem Spannungsfeld fünf konkrete Handlungsfelder, um die Brandherde zu bekämpfen und ihre Profitabilität zu sichern:

  1. Regionale Differenzierung: Die Bau- und Sanierungskosten unterscheiden sich regional teils erheblich. Wer also differenziert nach PLZ-Regionen oder Risikozonen kalkuliert, kann die tatsächlichen Kostenentwicklungen besser abbilden – und Fälle von Unter- wie Überversicherungen reduzieren.
  2. Dynamisches Produktdesign: Starre Versicherungssummen gehören auf den Prüfstand. Der Markt bevorzugt Angebote, die sich situationsbedingt anpassen, Risiken automatisch begrenzen und sich über modulare Bausteine passgenau erweitern lassen.
  3. Proaktive Kundenkommunikation: Steigende Beiträge und komplexere Produkte brauchen Transparenz. Vermittler müssen erklären können, warum eine Prämie steigt und welchen Mehrwert neue Bausteine bieten. Kunden akzeptieren höhere Prämien eher, wenn sie die Logik und den Nutzen verstehen.
  4. Strategische Neuausrichtung des Portfolios: Ein „Weiter-so“ ist keine Option. Angesichts von Extremwetterereignissen und hohen Baukosten müssen Produkte neu zugeschnitten werden: modular, dynamisch und differenziert nach Risikoprofil. Entscheidend ist eine echte Kundenzentrierung – Produkte müssen an klar erkennbaren Bedürfnissen ausgerichtet werden, nicht an internen Kalkulationslogiken oder Vertriebsrabatten.
  5. Rabatte neu denken: Viele Versicherer gewähren Rabatte zu großzügig und ohne klare Strategie. Rabatte sind ein Steuerungsinstrument, kein Verkaufsreflex. Wer nachhaltiges Wachstum will, muss Produkte neu denken, nicht Rabatte verteilen.

Von reaktiver Kalkulation zu vorausschauender Steuerung

Die Wohngebäudeversicherung braucht mehr als kleine Justierungen. Gefordert sind neue Werkzeuge: differenzierte Prognosemodelle, Szenarioanalysen und datenbasierte Steuerung. Nur so lassen sich künftige Kostenentwicklungen rechtzeitig erkennen. Gleichzeitig müssen Prozesse und IT so ausgerichtet sein, dass regionale Kalkulationen, modulare Produkte und transparente Kommunikation nahtlos zusammenspielen.

Fazit: Wer jetzt handelt, sichert Zukunft und Vertrauen

Die Branche steht am Scheideweg. Baukostenindex und Anpassungsfaktor bleiben wichtig, reichen jedoch allein nicht mehr aus. Versicherer, die jetzt handeln, sichern nicht nur ihre Profitabilität, sondern auch das Vertrauen ihrer Kunden. Erfolgsentscheidend sind moderne Kalkulationsmethoden, modulare Produktarchitekturen, klare Kommunikationsstrategien und eine konsequentere Rabattlogik.

Schließlich können Versicherer den Teufelskreis aus steigenden Schadenquoten, höheren Prämien und Rabatten, die nicht zielgerichtet sind, nur durchbrechen, wenn echte Kundenzentrierung zum Maßstab wird. Wer den Blick nach vorn richtet und seine Kalkulation sowie sein Produktportfolio konsequent erneuert, macht die Wohngebäudeversicherung zukunftsfest.

Hintergrund: Der Text erschien zuerst im neuen kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 02-2025. Das Magazin kann auf der Webseite des Versicherungsbote bestellt werden.