Welche Rolle spielen Vertrieb und Kundenverhalten (z. B. Underinsurance, Underwriting-Erosion, Wechselverhalten) für die Margenentwicklung?
Die Margenentwicklung von Versicherungsunternehmen wird stark durch den Vertrieb und das Kundenverhalten beeinflusst, da beide Faktoren Risikostruktur, Prämienniveau und Kosten bestimmen.
Der Vertrieb ist in diesem Zusammenhang elementar für die Kundengewinnung, verursacht aber zugleich Kosten. Hohe Provisionen und Wettbewerbsdruck können die Kostenquote erhöhen und die Margen schmälern. Eine gezielte Vertriebssteuerung und risikoadäquate Vergütungssysteme verbessern dagegen die Profitabilität. Digitale Vertriebswege können Kosten positiv beeinflussen und eine bessere Datennutzung für risikoorientierte Kundenakquise ermöglichen. Auch die Beratungsqualität spielt eine wichtige Rolle. Eine unzureichende Beratung und Betreuung können zu einer Unterversicherung führen. Gute Beratung und transparente Produkte stärken hingegen die Kundenbindung und Margenstabilität.
Ein weiterer Faktor ist die sogenannte Underwriting-Erosion. In wettbewerbsintensiven Märkten oder bei automatisierten Prozessen werden Risikoprüfungen durchaus vereinfacht, was im ungünstigen Fall zu steigenden Schadenquoten führen kann. Eine konsequente, gut geplante und durchgeführte datenbasierte Risikoselektion kann dem entgegenwirken.
Das Kundenverhalten wirkt ebenfalls direkt auf die Marge: Hohe Wechselraten und Preissensitivität senken die Verweildauer des Versicherungsnehmers bei einer Versicherung und erhöhen die Akquisitionskosten. Da viele Verträge erst nach mehreren Jahren profitabel werden, mindert eine geringe Kundenbindung die Rentabilität.
Insgesamt zeigt sich: Intensiver Preiswettbewerb, Fehlanreize im Vertrieb und wechselbereite Kunden können zu Margenerosion führen. Umgekehrt sichern ein professionell gesteuerter Vertrieb, striktes Underwriting und langfristige Kundenbindung stabile Margen und nachhaltigen Unternehmenserfolg.
Sehen wir hier ein spezifisch deutsches Problem?
Das Problem ist kein spezifisch deutsches, sondern lässt sich in nahezu allen entwickelten Versicherungsmärkten beobachten. Allerdings unterscheiden sich die Ursachen und Ausprägungen von Land zu Land.
In Deutschland ist der Margendruck besonders stark, weil der Markt gesättigt, hoch reguliert und provisionsgetrieben ist. Der Wettbewerb läuft häufig über den Preis, was zu Underwriting-Erosion und hohem Wechselverhalten führt, vor allem in der Kfz-Versicherung.
In Großbritannien zeigen sich ähnliche Entwicklungen, allerdings getrieben durch eine etwas weiter fortgeschrittene Digitalisierung und eine hohe Attraktivität von Preisvergleichsportalen bei den Verbrauchern. Diese haben zu einer sehr hohen Preistransparenz geführt, wodurch Kunden regelmäßig den Anbieter wechseln. Versicherer reagieren mit datengetriebenen Preismodellen und personalisierten Produkten, um profitable Kundensegmente zu halten.
In den USA ist das Problem stärker durch Underinsurance geprägt. Viele Privatkunden sind unterversichert, insbesondere im Bereich der Kranken- und Lebensversicherung, was langfristig zu Ertrags- und Stabilitätsproblemen führt. Gleichzeitig verursachen aggressive Vertriebsmodelle hohe Akquisitionskosten, was die Margen zusätzlich belastet.
Auch in asiatischen Märkten wie Hongkong, Singapur oder Japan sind Margenprobleme sichtbar. Dort treiben digitale Plattformen und InsurTechs den Wettbewerb an, während die hohe Preissensitivität der Kunden und ein dynamisches Wechselverhalten die Profitabilität senken.
Insgesamt handelt es sich also um ein globales Phänomen, das überall dort auftritt, wo Märkte reifer, transparenter und wettbewerbsintensiver werden.