Handelsvertreter müssen auch nach der Kündigung weiter Umsatz machen

Quelle: Banerjee & Kollegen

Die Kündigung eines Handelsvertretervertrags entbindet nicht von der Pflicht zur aktiven Vertriebstätigkeit. Das zeigt ein Urteil des OLG Köln, das Handelsvertretern deutlich macht: Wer seine Vermittlungsarbeit nach der Kündigung einstellt, muss mit Schadenersatzforderungen rechnen. Wie sich Handelsvertreter nach der Kündigung korrekt verhalten, erklärt Rechtsanwalt Dr. Tim Banerjee von der Rechtsanwaltskanzlei Banerjee & Kollegen.

Freie Handelsvertreter müssen bis zum letzten Tag ihrer Vertragslaufzeit aktiv bleiben. Wer den Handelsvertretervertrag kündigt, darf seine Vermittlungstätigkeit nicht einstellen – andernfalls riskiert er eine Schadenersatzpflicht. Das hat das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 22. September 2023 (Az.: 19 U 150/22) klargestellt.

„Die Pflichten eines Handelsvertreters enden nicht mit dem Ausspruch der Kündigung. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass der Handelsvertreter bis zum Ablauf des Vertrags seine Vermittlungspflichten weiterhin erfüllen muss – andernfalls macht er sich schadensersatzpflichtig“, erklärt Dr. Tim Banerjee, Rechtsanwalt und Partner der wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Kanzlei Banerjee & Kollegen in Mönchengladbach. Maßgeblich sei § 86 Absatz 1 Handelsgesetzbuch (HGB), der die Pflicht zur Vermittlung und zur Wahrung der Interessen des Unternehmens auch für die Zeit zwischen Kündigung und Vertragsende aufrechterhält. Die Rechtsanwälte Dr. Tim Banerjee und Manuela Müller vertreten Mandanten unter anderem im Arbeitsrecht, Vertriebs- und Handelsvertreterrecht, Gesellschaftsrecht, Erbrecht und Wirtschaftsstrafrecht. Ein besonderer Fokus liegt auf der Beratung freier Handelsvertreter sowie auf rechtlichen Fragen rund um den Vertrieb.

Das OLG Köln hatte im vorliegenden Fall über einen nebenberuflichen Handelsvertreter zu entscheiden, der nach seiner Kündigung im August 2020 kaum noch Vermittlungserfolge vorweisen konnte. Während er in den drei Jahren zuvor im Durchschnitt mehr als 5.000 Einheiten pro Jahr abgeschlossen hatte, sank seine Abschlussquote nach der Kündigung auf nur noch 69 Einheiten innerhalb von sechs Monaten. Als Ursache benannte der Vertreter die Corona-Pandemie. Das Gericht ließ dieses Argument nicht gelten, denn gerade im Zeitraum nach der Kündigung habe es keine durchgehenden Kontaktbeschränkungen mehr gegeben. Der drastische Rückgang der Abschlüsse und die Tatsache, dass nur noch 13 Kundentermine stattfanden, wertete das Gericht als eindeutigen Verstoß gegen die Bemühenspflicht – mit der Folge, dass der Handelsvertreter dem Unternehmen grundsätzlich zum Schadenersatz verpflichtet ist.

Was bedeutet das für die Praxis? Handelsvertreter dürfen sich nach Ausspruch der Kündigung keinesfalls in Passivität zurückziehen. Ihre vertraglichen Pflichten gelten bis zum letzten Tag – nicht nur formal, sondern auch inhaltlich. „Es genügt nicht, auf bessere Zeiten zu hoffen oder sich auf äußere Umstände zu berufen. Wer nicht mehr aktiv vermittelt, muss mit Konsequenzen rechnen“, warnt Dr. Banerjee. Wichtig sei daher, die eigenen Vermittlungsbemühungen sorgfältig zu dokumentieren. Besuchsprotokolle, Kommunikationsnachweise und Gesprächsversuche mit Kunden können im Streitfall entscheidende Beweise liefern. Zugleich appelliert Banerjee auch an Unternehmen, die Rechtslage nicht vorschnell einseitig auszulegen: „Nicht jede Umsatzdelle ist ein Pflichtverstoß. Entscheidend ist, ob der Handelsvertreter seiner Obliegenheit zur aktiven Bemühung erkennbar nachgekommen ist. Dafür braucht es nicht zwingend Abschlüsse – wohl aber einen belegbaren Einsatz.“

Das Urteil des OLG Köln unterstreicht zudem, dass Handelsvertreter auch in der Übergangsphase zwischen Kündigung und Vertragsende in einer rechtlichen Grauzone agieren können, wenn sie ihre Tätigkeit faktisch einstellen, ohne dies offen zu kommunizieren. In solchen Fällen kann der Eindruck entstehen, der Vertreter wolle lediglich noch die Restlaufzeit „aussitzen“. „Das ist nicht nur rechtlich problematisch, sondern schadet auch dem Vertrauensverhältnis und der eigenen Verhandlungsposition bei späteren Abrechnungsfragen“, betont Dr. Tim Banerjee. Wer seine Vermittlungstätigkeit ernsthaft fortführt, kann dies nicht nur durch Ergebniszahlen, sondern auch durch strukturierte Vertriebsplanung und dokumentierte Kundenkontakte belegen – etwa durch digitale Kundenakte, Kalendervermerke oder CRM-Systeme. Solche Nachweise stärken im Zweifel die Position des Handelsvertreters gegenüber pauschalen Vorwürfen der Untätigkeit.