Die geplante Frühstart-Rente ist gut gemeint. Aber sie greift zu kurz. Der ehemalige Finanzminister Christian Lindner fordert, den Zinseszinseffekt stärker zu nutzen und die Förderung bereits ab der Geburt ansetzen zu lassen. Für die Altersvorsorge der jungen Generation ist jetzt der richtige Zeitpunkt für mutige Weichenstellungen.
Die private Altersvorsorge in Deutschland bleibt ein ungelöstes Problem. Zwar ist im Koalitionsvertrag die Umgestaltung des bisherigen Riester-Systems vorgesehen, auch die geplante Frühstart-Rente wird als innovativer Ansatz gefeiert. Doch für FDP-Politiker Christian Lindner greift dieser Plan deutlich zu kurz.
Der frühere Bundesfinanzminister begrüßt zwar grundsätzlich die Idee, Kindern zwischen dem 6. und 18. Geburtstag eine staatlich geförderte Vorsorge zu ermöglichen. Doch er wirft eine grundlegende Frage auf: Warum startet die Förderung erst mit dem Schulbeginn? Würde man stattdessen bereits ab der Geburt ein Vorsorgekonto besparen, könnte der Zinseszinseffekt über die gesamte Kindheit und das gesamte Erwerbsleben hinweg deutlich stärker wirken.
Gerade beim langfristigen Kapitalaufbau spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle. Je früher das angesparte Vermögen zu arbeiten beginnt, desto höher sind die Erträge im Alter. Lindner kritisiert daher, dass der aktuell geplante Startpunkt der Förderung unnötig Potenzial verschenkt. "Warum wird zum Beispiel der Besuch einer Bildungseinrichtung als Startpunkt für die Förderung genommen und nicht die Geburt, um so den Zinseszinseffekt länger wirken zu lassen?", fragt er im Handelsblatt-Kommentar.
Damit positioniert sich Lindner klar für eine konsequentere Ausgestaltung der privaten Vorsorgepläne. Das bisherige Konzept, das sich auf einen relativ kleinen Zeitraum im Leben der Kinder beschränkt, reiche bei weitem nicht aus, um die zukünftigen Herausforderungen der Altersvorsorge nachhaltig zu bewältigen. "Entscheidend ist, welche Einzahlungen, Förderungen und steuerlichen Anreize danach während der Zeit des Erwerbslebens folgen", legt Lindner den Finger in die Wunde. Denn analog zur bisherigen Handhabung bei Riester könnte via Förderung die Motivation für weitere Einzahlungen deutlich erhöht werden.
Zudem wirbt Lindner für eine deutlich offenere Haltung gegenüber den Kapitalmärkten in der Altersvorsorge. In Deutschland herrsche weiterhin eine gewisse Skepsis gegenüber kapitalgedeckten Systemen, während andere Länder, allen voran die USA, längst vorgemacht hätten, wie Kapitalmärkte sinnvoll für die Alterssicherung genutzt werden können. Dort sei es selbstverständlich, dass Menschen durch breit gestreute, kapitalgedeckte Vorsorgeformen wie die 401(k)-Pläne aktiv für ihren Ruhestand sparen. Hier würde Kapitalmarktteilhabe nicht als Risiko, sondern als Chance gesehen, um private Vermögen aufzubauen. Deutschland hingegen habe in dieser Hinsicht noch erheblichen Nachholbedarf.
Lindner zeigt sich in seinem Gastkommentar dennoch optimistisch: Es gebe für die SPD die Chance, ähnlich wie einst beim Godesberger Programm, ein modernes Verständnis von Kapitalmärkten und privater Vorsorge zu entwickeln. Für ihn ist klar: Eine Altersvorsorgepolitik, die den Zinseszinseffekt konsequent nutze und breiten Bevölkerungsschichten Kapitalmarktteilhabe ermögliche, sei der richtige Weg in die Zukunft.
Die Lindner-Rente und die Aktienrente
Im September 2024 hatte der damalige Finanzminister Christian Lindner seine Vorstellungen für eine Lösung der privaten Altersvorsorge vorgestellt. Mit einem privaten Altersvorsorgedepot sollten Bürger weitgehende Freiheit bei der Wahl der Anlageprodukte haben. Das Depot sollte wie die Riester-Rente staatlich gefördert werden. Bei der Förderung sollte der Staat auf jeden selbst eingezahlten Euro 20 Cent drauflegen, bis zu einem maximalen Eigenbetrag von 3.000 Euro pro Jahr. Für Menschen mit Kindern sollte es neben der Grundzulage weiterhin eine Kinderzulage geben. Überdies sollte der Fiskus erst im Ruhestand zugreifen. Das bedeutet, dass alle Erträge während der Ansparphase zunächst im Depot bleiben sollten.
Im Februar 2025 hatte die FDP-Fraktion einen überarbeiteten Antrag für eine gesetzliche Aktienrente vorgelegt. Ein Teil der Rentenbeiträge (zwei Prozentpunkte) sollte verpflichtend in einen staatlich verwalteten Fonds fließen. Dieser soll ähnlich wie das schwedische Prämienrentensystem funktionieren, bei dem Einzahlungen individuell zugeordnet werden und unter Eigentumsschutz stehen, um politische Eingriffe zu verhindern.
Zusätzlich fordert die FDP:
- Mehr Wahlfreiheit beim Renteneintritt, angelehnt an Schweden, wo Versicherte flexibel entscheiden können, wann sie in Rente gehen – mit Zuschlägen bei längerer Erwerbstätigkeit.
- Eine Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) durch vereinfachte Beitragszusagen und eine dynamische Anpassung von Fördergrenzen.
- Ein staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot, um privaten Kapitalaufbau außerhalb klassischer Versicherungsprodukte zu ermöglichen.
Der Antrag wurde zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Politische Mehrheiten für diesen Antrag zu finden, dürfte angesichts der Kräfteverhältnisse im Bundestag schwierig werden.