Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im privaten Versicherungsgewerbe kommen nicht richtig in Gang. Zwar hatten die Arbeitgeber ein verbessertes Angebot vorgelegt. Für die Gewerkschaft ver.di war die Offerte "aber nach wie vor unzureichend". Nun sollen der Druck auf die Arbeitgeber erhöht werden und weitere Warnstreiks folgen.
Auch die dritte Verhandlungsrunde zwischen der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland (AGV) endete ohne eine Einigung. Im Vorfeld hatte sich der Ton verschärft. Die Gewerkschaft hatte das erste Angebot der Arbeitgeberseite als „komplett inakzeptabel“ zurückgewiesen und mit mehrerern Warnstreiks reagiert.
In der dritten Verhandlungsrunde haben sich die Arbeitnehmervertreter nun den Forderungen angenähert. So wurde unter anderem die Laufzeit von 35 Monaten auf 28 Monate verkürzt. Einhergehend damit gab es eine zunächst stärkere Einstiegserhöhung. Demnach sollen die Tarifgehälter bereits zum 1. August 2025 um 4,8 Prozent steigen. Ursprünlich waren 3,6 Prozent ab September angeboten worden. Eine weitere Erhöhung um 3,3 Prozent ist zum 1. September 2026 vorgesehen. Dafür fiel die dritte Stufe der Anhebung weg. Dadurch stehen statt der bisher offerierten 8,63 Prozent nun in Summe 8,29 Prozent.
Auch bei den unteren Tarifgruppen wurden Nachbesserungen vorgenommen. So sollen sämtliche Stufen der Tarifgruppe B auf das Niveau der höchsten B-Stufe (2.334 Euro) angehoben werden. Zudem wird die Tarifgruppe A auf die zweite Stufe der B-Gruppe (2.261 Euro) angeglichen. Beide Gruppen sollen an den vereinbarten linearen Erhöhungen teilnehmen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Azubis und Berufseinsteigern: Die Ausbildungsvergütungen sollen nun konkret um 220 Euro monatlich steigen. Darüber hinaus enthält das neue Angebot eine Reihe tarifpolitischer Verlängerungen und Öffnungsklauseln: Der Tarifvertrag zur Altersteilzeit im Innendienst und Außendienst soll um zwei Jahre bis Ende 2027 verlängert werden. Auch der Arbeitszeitkorridor, der Tarifvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung sowie der Übernahmeanspruch für Ausgebildete mit guten Leistungen sollen jeweils bis 31. Dezember 2027 fortgeführt werden. Ebenso verlängert wird die Möglichkeit, die Mai-Sonderzahlung in Freizeit umzuwandeln.
Der AGV brachte folgendes Angebot in die Verhandlungen ein:
- Laufzeit des neuen Tarifvertrages: 28 Monate (vom 1. April 2025 bis 31. Juli 2027).
- Die Tarifgehälter (einschließlich Tätigkeits- und Verantwortungszulagen) werden ab 1. August 2025 um 4,8 %, ab 1. September 2026 um 3,3 % linear erhöht.
- Die Tarifgruppe A wird auf die zweite Stufe der Tarifgruppe B (zweites und drittes Berufsjahr), somit von aktuell 2.128 € auf 2.261 € (+ 6,3%) erhöht und Teilhabe der neuen Gehälter der Tarifgruppen A und B (2.261 € und 2.334 €) an den vereinbarten linearen Tariferhöhungen für 2025 und 2026 (4,8 % bzw. 3,3 %). Anhebung der ersten und zweiten Stufe der Tarifgruppe B auf das Niveau der dritten Stufe der Tarifgruppe B und Teilhabe an den linearen Tariferhöhungen.
- Anhebung der Vergütungen für Auszubildende um 220 €. Der AGV hatte zunächst für eine Laufzeit von 32 Monaten eine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 250 € angeboten.
- Verlängerung der Altersteilzeitabkommen für den Innendienst und für den organisierenden Werbeaußendienst – d.h. ohne Rechtsanspruch – um zwei Jahre bis 31. Dezember 2027, wobei die Rentenabschlagsausgleichsregelung in § 2 Abs. 9 AtzA zu streichen wäre.
- Verlängerung des sog. tariflichen Arbeitszeitkorridors zu unveränderten Bedingungen – um zwei Jahre bis 31. Dezember 2027.
- Verlängerung des Tarifvertrages zur Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer bei Arbeitnehmerüberlassung (TV AÜG extern) – um zwei Jahre bis 31. Dezember 2027.
- Erhöhung des tariflichen Fahrtkostenzuschusses gemäß § 2a GTV für Angestellte von 20 € auf 25 € und für Azubis von 25 € auf 30 € ab 1. August 2025.
- Verlängerung des Tarifvertrags „Übernahmeanspruch für Ausgebildete mit guten Leistungen“ – um zwei Jahre bis 31. Dezember 2027.
- Vereinbarung eines jeweils zusätzlichen freien Arbeitstages für Auszubildende zur Prüfungsvorbereitung vor der GPA I und GPA II unter Anrechnung interner oder externer Prüfungsvorbereitungsmaßnahmen – mit Geltung ab 1. September 2025.
- Entfristung des Tarifvertrages zur Qualifikation (TVQ)
- Verlängerung des Anspruchs auf Umwandlung der Mai Sonderzahlung in Freizeit – um zwei Jahre bis 31. Dezember 2027.
- Verhandlungsverpflichtung zu den beiderseits nicht im Zuge der Tarifrunde behandelten Themen.
Für die Arbeitnehmerseite waren die Verbesserungen derweil nicht ausreichend. Resultierend daraus wurden die Verhandlungen nach vier Stunden abgebrochen. Zwar wurde ein geringfügig verbessertes Angebot des AGV gesehen. Dieses sei "aber nach wie vor unzureichendes", heißt es in einer Pressemitteilung. „In einer wirtschaftlich starken Branche mit Rekordgewinnen und steigenden Dividenden ist den Beschäftigten, die für diese Erfolge sorgen, erneut ein absolut inakzeptables Angebot präsentiert worden“, erklärte ver.di-Verhandlungsführerein Martina Grundler.
Die Gewerkschaft hatte zwölf Prozent mehr Gehalt bei einer Laufzeit von zwölf Monaten gefordert sowie eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 250 Euro. „Es kann nicht sein, dass eine Branche regelrecht floriert – und die Beschäftigten an diesem Erfolg kaum beteiligt werden“, betonte die Gewerkschafterin.
Ein neuer Verhandlungstermin stehe aktuell noch nicht fest. Die Gewerkschaft kündigte jedoch an, den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen und zu weiteren Warnstreiks aufzurufen. Bereits am Freitag, zu Beginn der Verhandlungen, hatten rund 700 Streikende ihre Forderungen zum Ausdruck gebracht. Seit der vorigen Tarifrunde beteiligten sich bundesweit mehr als 7.000 Beschäftigte an Streiks.