Grundfähigkeitsversicherung – Das Leben nach dem Hype

Quelle: @Philip Wenzel

Die Grundfähigkeitsversicherung hatte von Beginn an kaum eine Chance, eine echte Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung zu werden. Ich habe schon seit einigen Jahren gesagt, dass sie höchstens als Berufsbild-Versicherung sinnvoll ist – vorausgesetzt, der Tarif orientiert sich nicht mehr an alltäglichen Grundfähigkeiten, sondern an den spezifischen Fertigkeiten, die zur Ausübung eines Berufs erforderlich sind.

Diese Entwicklung begann mit der LKW-Klausel, setzte sich fort mit Prüfverfahren der Berufsgenossenschaft, wie etwa zur Lärm-Exposition, und geht nun mit den neuen Bedingungen der Hannoverschen einen weiteren Schritt. Ihr Baustein „Bauhandwerk“ lehnt sich an das Berufsbild eines Bauhandwerkers an und nutzt dabei einige Definitionen der Berufsgenossenschaft.

Die selbst definierten Fertigkeiten sind zehn Minuten knien, drei Minuten die Arme über dem Kopf halten, zehn Minuten eine vornübergebeugte Haltung einnehmen, die Benutzung eines Baugerüstes und das Ziehen oder Schieben einer Schubkarre mit einem Gewicht von 30 Kilogramm über eine Strecke von 50 Metern. Hinzu kommt ein Arbeitsunfall, der zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 Prozent führt, sowie der Verlust des Führerscheins der Klasse L oder T, der zum Führen von Traktoren oder Arbeitsmaschinen berechtigt.

Das ist zwar immer noch nicht mit einer BU-Versicherung vergleichbar, da nicht der zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Beruf geprüft wird und psychische Erkrankungen nicht als Auslöser greifen. Aber das Berufsbild ist als solches eben schon erkennbar.

So kann es bei einer angemessenen Beratung schon auch dazu führen, dass der Kunde am Ende den Unterschied verstanden hat und sich wegen des Beitrags für eine Berufsbild- und nicht für eine Berufsunfähigkeitsversicherung entscheidet.

Die Grundfähigkeitsversicherung als „Options-Tarif“

Darüber hinaus bleibt die Grundfähigkeitsversicherung als „Options-Tarif“ interessant. Viele Grundfähigkeitsversicherungen sind bereits in jungen Jahren abschließbar – in der Spitze schon ab dem sechsten Lebensmonat. Bis zu einer BU-Versicherung ist es dann zwar noch einige Zeit hin, aber es kann dennoch sinnvoll sein, den Gesundheitszustand frühzeitig zu sichern. Nicht zuletzt, weil im Leistungsfall keine vorvertragliche Anzeigepflicht mehr entstehen kann, falls etwas in der Akte stand, von dem der Kunde nichts wusste. Denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre ein Leistungsfall eintritt.

Allerdings haben die BU-Optionen in der Grundfähigkeitsversicherung etwas mit den versicherten Grundfähigkeiten gemeinsam: Am Ende ist es nicht ganz das, was man sich vorstellen würde.

Denn bei den meisten Tarifen gibt es eine Wartezeit von fünf Jahren. In dieser Zeit kann die Option also nicht gezogen werden. Das ist vor allem dann blöd, wenn man einem Azubi aus Kostengründen eine GF-Versicherung empfiehlt mit dem Hinweis, dass er diese später, sobald er ein gutes Gehalt bezieht, in eine BU-Versicherung umwandeln kann. Das dürfte nicht klappen, da eine Ausbildung in der Regel keine fünf Jahre dauert.

Andere Versicherer haben keine Wartezeit, dafür sind aber alle Vorerkrankungen, die länger als zehn Tage bestanden, nach dem Ziehen der Option für drei Jahre ausgeschlossen.

Und selbstverständlich kann man die Option nicht einfach dann ziehen, wenn man will. In den meisten Fällen ist dies nur bei Berufsbeginn möglich. Da es hier ziemlich viel zu beachten gibt, habe ich eine Liste erstellt, die über die Website der Fonds Finanz in der Wissenswelt zum Download bereitsteht.

Zusammenfassend ist der Hype um die Grundfähigkeitsversicherung ziemlich offensichtlich vorbei. Aber andererseits scheint sie mehr und mehr ihren Platz im Repertoire zur Absicherung biometrischer Risiken zu finden. Ich würde mir wünschen, dass es künftig mehr Lösungen in Richtung Berufsbildabsicherung gibt. Denn Handwerker brauchen eine sinnvolle Absicherung, die sie bezahlen können.

Hintergrund: Der Gastbeitrag ist zuerst in der Ausgabe 01/2025 des Fachmagazins Versicherungsbote erschienen. Das Magazin kann auf der Versicherungsbote- Webseite kostenfrei abonniert werden.