Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Bewertung von Risiken in der Projektphase, wenn oft noch keine langfristigen Betriebsdaten vorliegen?
Spannend sind die Lebenszyklus-Modelle. Hier ist bereits bei Projektierung auf die entsprechenden Schutzbedürfnisse zu achten.
Der erste Lebenszyklus einer Batterie – auch „First Life“ genannt – endet, sobald die Batteriekapazität nutzungsbedingt auf ca. 80 Prozent (in seltenen Fällen auf bis zu 70 Prozent) gesunken ist. Sie ist für den laufenden Betrieb auszutauschen.
Aufgrund der durch die E-Fahrzeuge massenhaft vorhandenen „alten“ Batterien entstehen Projekte, die diesen gebrauchten Batterien ein zweites Leben schenken: „Second-Life“-Parks. Hier kommen Batterien zum Einsatz, die zwar eine verringerte Kapazität mitbringen, aber in der Parkanordnung dennoch sinnvoll eingesetzt werden können.
Hinsichtlich der Brandgefährdung von Second-Life-Batterien spricht für diese Anordnung, dass ein Ladegrad von 100 Prozent nicht mehr erreicht werden kann. Dadurch ist das Risiko eines thermischen Durchgehens geringer als bei First-Life-Batterien. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass die Batteriezellen bereits einem gewissen Verschleiß unterliegen oder schlimmstenfalls unentdeckte Beschädigungen aufweisen. Dieser mögliche Sicherheitsnachteil relativiert den Vorteil des begrenzten Ladegrads. Allenfalls kann man annehmen, dass diese Batterien mit weniger heftigem Verlauf abbrennen.
Es handelt sich hierbei um eine noch junge Entwicklung. Viele Versicherer stehen der Second-Life-Technologie abwartend gegenüber, da für eine fundierte Risikobewertung bislang zu wenig Erfahrungswerte vorliegen.
Inwiefern ist es sinnvoll, Versicherer bereits in der frühen Projektphase einzubinden? Und welche Vorteile ergeben sich daraus für Betreiber und Versicherer gleichermaßen?
Ausgangspunkt der Sicherheitsüberlegungen sollte die Erkenntnis sein, dass Brände mit unerwartet hoher Heftigkeit und Temperaturentwicklung verlaufen können. Organisatorischer, baulicher und abwehrender Brandschutz müssen darauf abgestimmt werden.
Eine Brandbekämpfung ist nur möglich, wenn ein Brand im sehr frühen Stadium erkannt und eingedämmt wird. Beim Design der Anlage können diese Erfordernisse berücksichtigt werden. Versuche, nach Errichtung des Batterieparks nachträglich Schutzverbesserungen herbeizuführen, sind weniger effektiv und kostenintensiver.
Der Betreiber hat ein Interesse an einem störungsfreien Betrieb. Versicherer können ihn dabei unterstützen, indem sie auf ausreichende Abstände zwischen den Batterien und anderen technischen Komponenten hinwirken. Weiterhin können Versicherer Empfehlungen zur Ausführung der Branderkennungs- und Brandlöschsysteme geben. Natürlich ist jedes Projekt Zwängen unterworfen (z. B. begrenzter Raum), jedoch geht es darum, Großschäden zu vermeiden. Häufig müssen wir unseren Versicherungsnehmern die unbequeme Botschaft vermitteln, dass dies in der Bauphase nur durch zusätzliche Kosten zu realisieren ist.
Fakt ist: Ohne anlagentechnischen Brandschutz ist eine Brandeindämmung kaum möglich. Ausschließlich baulicher und/oder organisatorischer Brandschutz stößt hier glasklar an seine Grenzen. Mit unserer Expertise und Erfahrung arbeiten wir gemeinsam daran, die Versicherbarkeit von Batterieparks zu ermöglichen, indem wir auf das sicherheitstechnische Design einwirken. Trotzdem gilt immer: Schäden gänzlich zu vermeiden ist unmöglich – das Risiko von Großschäden lässt sich jedoch minimieren.
Wie lässt sich die Versicherungssumme für Betriebsunterbrechungen bei Batteriespeichern sinnvoll bemessen, wenn sich die Wirtschaftlichkeit aus sehr volatilen Strompreisen ergibt?
Ein tatsächlich spannendes Thema, denn die Ermittlung der Betriebsunterbrechungssumme ist keine leichte Aufgabe. Das Erlösmodell von Batteriespeichern basiert auf der Teilnahme am Regelenergiemarkt sowie am Börsenstrommarkt (Modell: Strom kaufen und speichern, wenn der Preis niedrig ist; verkaufen bzw. „ausspeichern“ bei hohen Strompreisen). Beide Vergütungsmodelle sind volatil – und a priori lassen sich die Erlöse nur schwer abschätzen.
Im Vorfeld ist deshalb zwischen Betreiber und Versicherer nach individueller Diskussion ein jährlicher Durchschnittserlös zu vereinbaren. Ein entsprechendes Gespräch sollte jährlich stattfinden, um auf Basis der Vergangenheitsbewertung die Grundlage für das kommende Jahr zu schaffen.
Wir stellen fest, dass häufig ein signifikanter Unterschied zwischen der Umsatzerwartung des Kunden und der tatsächlichen Vergütung durch den Markt besteht. Mancher Betreiber vermittelt seinen Investoren hier ein zu rosiges Bild vom Return on Investment.
Es gilt, einen für Versicherer und Versicherungsnehmer akzeptablen Eurowert je Megawattstunde zu vereinbaren. Denn: Basis der Entschädigung sind die in der Fachwelt veröffentlichten („announced“) Preise – und nicht die von Projektplanern im Vorfeld versprochenen.
Wie wird im Schadenfall ermittelt, welche finanziellen Einbußen durch eine Betriebsunterbrechung entstehen, wenn sich der Wert gespeicherter Energie laufend ändert?
Richtig: Aufgrund der Volatilität des Marktes ist die genaue Höhe der Betriebsunterbrechungssumme nicht exakt ermittelbar.
Als Versicherer verfahren wir so, dass wir auf Grundlage der veröffentlichten spezifischen Einspeisevergütungen im Vorfeld mit dem Versicherungsnehmer eine Vereinbarung zur Entschädigung treffen und so die zu erwartenden Umsatzerlöse quantifizieren. Bereits hier zeigt sich oftmals eine große Diskrepanz zwischen der optimistischen – teils unrealistischen – Erwartungshaltung des Versicherungsnehmers und den realistischen Marktbedingungen.
Vielleicht sollten wir an dieser Stelle zunächst klären, wie die tatsächliche Einspeisevergütung im Regelbetrieb funktioniert: Der Versicherungsnehmer veräußert die im Batteriespeicher befindliche Energie zum Beispiel am Regelenergiemarkt, an Großhandelsmärkten oder über den Börsenhandel.
Nimmt ein Batteriespeicher am Markt für Regelenergie teil, bietet er seine Systemdienstleistung dem Netzbetreiber an. Dieser profitiert davon, dass die Netzfrequenz stabilisiert wird, indem Einspeisung und Verbrauch von Strom mit wenig Vorlaufzeit ausbalanciert werden. Die entsprechenden Vergütungssätze werden transparent und rückwirkend veröffentlicht.
Anders sieht es aus, wenn der Strom – aus finanzieller Sicht deutlich spekulativer – am Spotmarkt der Strombörse veräußert wird. So kann man – KI-gestützt oder mit „glücklichem Händchen“ – Preisschwankungen zu seinem Vorteil nutzen: günstigen Strom speichern und bei höheren Stromkursen einspeisen („Arbitragegeschäft“). Um solche Geschäfte zu realisieren, müssen Stromspeicher sehr kurzfristig reagieren – insbesondere, wenn sie für den Handel auf Intraday-Märkten genutzt werden. Diese sprungartige Ladung bzw. Entladung führt jedoch zu vorschnellem Altern der Batterien.
Wie beim Aktienhandel ist man hinterher klüger: Den idealen Zeitpunkt zum Laden und Einspeisen kann man in der Retrospektive leicht festlegen. Doch nach einem Schaden und der Nichtteilnahme am Spotmarkt kann der Versicherungsnehmer unmöglich angeben, zu welchem Zeitpunkt er tatsächlich ge- oder verkauft hätte. Somit bleibt als Entschädigungsmodell die vorher festgelegte Vergütung die einzige für beide Seiten faire Lösung. Die auf Euro/MWh hochgerechnete Jahresentschädigung wird pro Ausfalltag mit 1/360 des Jahreswertes bewertet.
Hintergrund: Das Interview ist zuerst in der Ausgabe 01/2025 des Fachmagazins Versicherungsbote erschienen; die Fragen stellte Björn Bergfeld. Das Magazin kann auf der Versicherungsbote- Webseite kostenfrei abonniert werden.