Das Wichtigste in der Gewerbekunden-Beratung ist die Analyse des Risikos. Doch dafür braucht es Weiterbildung, so Dr. Wolfgang Kuckertz, Vorstand des Bildungsdienstleisters Going Public! aus Berlin.
Das Gewerbekundengeschäft ist das High-End-Geschäft der Versicherungsvermittler. Das weiß jeder und deshalb trauen sich auch nur wenige Vermittler an dieses Geschäft ran. In den Geschäftskundenabteilungen der Banken wird das Geschäft sogar gänzlich links liegen gelassen. Das ist nicht gut. Und zwar nicht nur für die Vermittler, sondern auch für die Versicherungen und insbesondere für die Unternehmenskunden. Woran liegt das und wie kann man dem entgegenwirken?
Die meisten Einsteiger in die Versicherungsbranche starten mit dem klassischen Privatkundengeschäft. Das ist zwar von den Regelungswerken und der Fülle an Optionen komplex, aber neuen Kollegen fällt es leicht, den Bedarf des Kunden schnell zu verstehen. Denn die Vermittler sind ja selber Verbraucher und Versicherungskunden und kennen insofern den Bedarf aus der eigenen Erfahrung.
Jeder Vermittler hat selbst einen Hausrat, Haftungsrisiken und könnte mal krank werden. Die Bedarfe zu verstehen und auf Kunden zu übertragen ist also einfach. Das ist bei Unternehmenskunden ungleich schwerer. Deren Risiken liegen oft woanders und sind schon vom grundlegenden Verständnis her schwerer zu fassen. Die Absicherung des Forderungsausfalls, der Schutz von Organen des Unternehmens durch die D&O oder auch die Absicherung gegen Cyber-Kriminalität – all das ist dem gewöhnlichen Verbraucher doch sehr fremd.
Hinzu kommt, dass für Privatkunden sehr gute Analyse-Tools zur Verfügung stehen. Nahezu alle Vertriebe, Versicherungen, Makler und Banken nutzen Kundenanalysen, um Bedarfe von Privathaushalten strukturiert zu ermitteln. Diese Tools sind fast alle gut bis sehr gut. Im Gewerbebereich gibt es hingegen meist keine Hilfestellung, um den grundlegenden Bedarf des Geschäftskunden zu ermitteln. Für die Tarifierung bzw. Antragsstellung gibt es natürlich Hilfen. Allerdings sind dort die Fragestellungen für die Tarifierung so schwierig, dass sie ohne einen fundierten Background kaum zu beantworten sind. Außerdem muss bis zum Punkt der Tarifierung erst einmal der grundsätzliche Bedarf erkannt werden.
Ergebnis: der gesamte Markt erkennt die Notwendigkeit Gewerbekunden besser zu beraten und zu schützen, gleichwohl gibt es viel zu wenige Berater, die dieses Geschäft beherrschen und sich daran trauen. Dabei liegt die Lösung relativ klar auf der Hand und besteht aus drei Komponenten:
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Tarifierungsmerkmale
Die Fragebögen vieler Versicherer beinhalten Fragestellungen, bei denen nur dem Fragenden klar ist, wie diese Fragen eindeutig beantwortet werden sollen. Zu einer Cyber-Versicherung findet man z.B. folgende Fragen: „Bedient Ihr Unternehmen einen Nischenmarkt?“ oder „Wie viele Tage benötigen Sie nach einem erfolgreichen Cyber-Angriff, bis die IT wieder reibungslos funktioniert?“. Das sind Fragen, die einfach sehr schwer zu beantworten sind. Rückfragen an den Vermittler wird dieser auch nur selten eindeutig beantworten können. Die Fragebögen so zu gestalten, dass sie für Kunden und Vermittler kein Hemmnis mehr darstellen, wäre ein großer Schritt nach vorne. -
Bedarfs-Analysen
Welche Risiken hat ein Unternehmen und wie kann ich diese aufdecken? Hier fehlen in der Praxis in fast allen Unternehmen Hilfestellungen. Hier kann man sich leicht am Markt bedienen. So hat z.B. Finoso ein Tool, das auf der DIN 77235 basiert und somit neutral die Bedarfe von Gewerbekunden sichtbar macht. Insgesamt sind damit 52 Themenfelder hinterlegt, die alle einzeln genutzt werden können oder auch in der Gesamtheit. Das ist dem einzelnen User überlassen. -
Schulung
In Gewerbeschulungen ist es viel wichtiger als im Privatkundensegment, zunächst die Bedarfe von Unternehmenskunden zu verstehen und zu analysieren, bevor man in die Untiefen der Produkte einsteigt. Das heißt, dass Gewerbeschulungen an einem anderen Punkt ansetzen müssen, als andere Trainings. Seminare zu Bedingungen und Produkten sind sehr wichtig, laufen aber vollkommen ins Leere, wenn nicht vorab die Unternehmenskunden verstanden werden. Damit ergeben umfassende Schulungsprogramme wie z.B. die Ausbildung zur/zum „Fachwirt/-in für Finanzberatung (IHK)“ noch deutlich mehr Sinn als im Privatkundensgment.
Wer den Weg zur Geschäftskundenberatung findet, der hat ein tolles Geschäftsfeld mit hohen Margen, oft zugänglichen Kunden und geringerem Wettbewerb als im Privatsegment. Ich hoffe sehr, dass immer mehr Vermittler diesen Weg finden!