Eine private Haftpflichtversicherung sollte ein „Must have“ auch für die Besitzer freilaufender Katzen sein. Ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken zeigt aber auch: Verursacht eine Katze einen Verkehrsunfall, können Unfallopfer eine (Teil-) Schuld zugesprochen bekommen. Versicherungsbote stellt das Urteil vor, für das auch die Rasse der Katze bedeutungsvoll war.
Insgesamt lebten 16,7 Millionen Katzen in Deutschland – in 26 Prozent der deutschen Haushalte gibt es mindestens ein Exemplar. Das teilen der Industrieverband Haustierbedarf (IVH) aufgrund einer Studie mit. Weil die meisten dieser Stubentiger auch Freigang haben, ist es nicht unwahrscheinlich, dass man auch im Verkehr auf sie trifft. Genau das passierte einem Motorradfahrer, der eine Katze über die Straße laufen sah und einen Unfall baute – und in der Folge einen Prozess führte über zwei Instanzen, um den Schaden ersetzt zu bekommen.
Der Motorradfahrer war mit einer Geschwindigkeit von unter 30 km/h unterwegs, als eine Katze plötzlich die Fahrbahn querte. Er bremste und versuchte zugleich ein Ausweichmanöver, verlor dabei das Gleichgewicht, stürzte. Dabei verletzte er sich schwer und beschädigte sein Motorrad erheblich. Schon der Sachschaden war immens: die Reparatur des Motorrads – eine Harley Davidson – kostete über 5.000 Euro, der Schaden an der Kleidung schlug mit rund 400 Euro zu Buche. Die Verletzung verursachte zudem einen Verdienstausfall in Höhe vom 4.200 Euro netto. Doch damit nicht genug. Denn ein Gutachter – er kostete nochmals rund 660 Euro – bescheinigte dem Mann auch einen „erheblichen Dauerschaden“ als Folge des Unfalls.
Wer haftet? Suche nach Besitzern wäre bei Hauskatze schwer
Aber an wen konnte sich der Mann wenden, um den Schaden ersetzt zu bekommen? Mit der Frage hätte es der Mann schwer gehabt, wenn eine gewöhnliche Hauskatze den Unfall verursacht hätte – bei einer Katze unter vielen wäre es nahezu unmöglich gewesen, den Besitzer zu ermitteln. Die Unfallverursacherin jedoch war ein besonderes Exemplar: schwarzes Fell, weiße Pfoten und außergewöhnlich groß. Sowohl die Beschreibung des Mannes als auch die Aussagen mehrerer Zeugen halfen, das Tier als Maine Coon-Katze einer Frau zu identifizieren, die in der Nähe wohnte.
Daraufhin forderte der Mann von der Frau Schadenersatz – gemäß Paragraf 833 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der die „Tierhalterhaftung“ festschreibt. Die Haftpflichtversicherung der Frau ersetzte zunächst allerdings nur 8.000 Euro, und dies ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. So kam es zur Klage des Mannes vor dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) und dann – auf Berufung des Mannes gegen das Urteil (Az. 4 O 131/17) – vor dem Oberlandesgericht in Zweibrücken (Az. 1 U 9/18).
Gegenstandswert des Rechtsstreits: 100.000 Euro
Die Klage des verunglückten Motorradfahrers hatte es in sich: auch aufgrund der bleibenden Schäden sollte u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro vor Gericht geltend gemacht werden, so dass sich die verhandelte Summe auf insgesamt 100.000 Euro belief. Vor dem Landgericht allerdings hatte der Mann keinen Erfolg: das Landgericht sah es schlicht nicht als erwiesen an, dass die Katze der Frau den Unfall verursachte.
An der Maine Coon als Unfallverursacherin aber hatte das Oberlandesgericht in zweiter Instanz keinen Zweifel: eine Katze mit auffallender Musterung, die zwei Mal so groß war wie eine normale Hauskatze, gab es nur ein Mal in der Wohngegend. Die übereinstimmenden Zeugenaussagen waren dem Oberlandesgericht also Beweis genug.
Bei einem Ausweichmanöver für Hauskatzen hätte das Urteil anders ausgesehen
Für die Beurteilung, ob überhaupt Anspruch auf Schadenersatz besteht, musste das Gericht zunächst das Ausweichmanöver des Mannes bewerten. Besagen doch verschiedene Gerichtsentscheide: das Ausweichen bei kleinen Tieren ist nicht angemessen, da hierdurch ein wesentlich höheres Unfallrisiko entstehen kann. Dies urteilte zum Beispiel das Oberlandesgericht Hamm (Az. 13 U 217/09) für ein Ausweichmanöver aufgrund eines Hasen. In solchen Fällen würde kein Schadenersatzanspruch bestehen. Auch beim Ausweichmanöver aufgrund einer gewöhnlichen Hauskatze hätte kein Anspruch auf Schadenersatz für den Motorradfahrer bestanden – eine sicherlich bittere Erkenntnis für Katzen- und Tierfreunde. Ein Verzicht auf eine Haftpflicht für das "Katzenrisiko" freilich sollte mit einem solchen Urteil nicht begründet werden. Eine freilaufende Katze kann auch durch vielerlei andere Weise hohen Schaden anrichten – ein Beispiel aus der Praxis sind Kratzschäden auf der Motorhaube mehrerer geparkter Autos, die einem Tier zugeordnet werden konnten.
Motorradfahrer mit Schadenersatzanspruch – und dennoch mit Teilschuld
Da es sich im vorliegenden Fall um eine außergewöhnlich große Maine Coon-Katze handelte, erkannte das Oberlandesgericht Zweibrücken an, dass eine spezifische Tiergefahr gemäß Paragraf 833 BGB vorlag. Demnach war das Ausweichmanöver für das Gericht nachvollziehbar, was den Anspruch auf Schadenersatz begründete. Jedoch: Dennoch bekam der Motorradfahrer nicht die volle Summe von 100.000 Euro als Schadenersatz zugesprochen. Denn er erhielt – trotz allem – eine Teilschuld.
Der Grund: Auch die Betriebsgefahr des Motorrads muss für jeden spezifischen Unfall berücksichtigt werden. Die Betriebsgefahr bezieht sich auf die verschuldensunabhängige Haftung, die allein aus dem Betrieb eines Fahrzeugs resultiert, weil dieses Fahrzeug eine Gefahrenquelle darstellt. Das Oberlandesgericht erklärt: "Ganz generell ist anerkannt, dass bei einem Unfall zwischen Tieren und Kraftfahrzeugen deren Betriebsgefahr dergestalt zu berücksichtigen ist, dass sich die Haftung des Tierhalters nicht unerheblich reduziert." In welchem Maße die Betriebsgefahr für einen Unfall und die Mit-Haftung bedacht wird, hängt immer vom Einzelfall ab.
Im vorliegenden Urteil wurde die Betriebsgefahr des Motorrads aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h mit einer Mitverantwortungsquote von einem Drittel bewertet – dies bedeutet, dass der Kläger trotz der nachvollziehbaren Reaktion auf die Katze eine Teilverantwortung in Höhe von einem Drittel für den Unfall trägt. Letztendlich bekam er nicht einen Schadenersatz nebst Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro zugesprochen, sondern nur zwei Drittel der Schadensumme.
Was lehrt uns das Urteil über den Versicherungsschutz?
Das Urteil veranschaulicht die Wichtigkeit umfassender Versicherungen sowohl für Tierhalter als auch für Fahrzeugführer. Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken erkannte die spezifische Tiergefahr einer außergewöhnlich großen Maine Coon-Katze gemäß Paragraf 833 BGB an und sprach dem Kläger Schadenersatz zu, jedoch unter Berücksichtigung einer Mitverantwortungsquote von einem Drittel aufgrund der Betriebsgefahr des Motorrads. Die Betriebsgefahr ist eine verschuldensunabhängige Haftung, die aus dem Betrieb eines Fahrzeugs resultiert und bei Unfällen berücksichtigt wird. Das bedeutet, dass der Motorradfahrer eine Teilschuld von einem Drittel trägt und somit nur zwei Drittel seines Gesamtschadens ersetzt bekommt.
Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen:
- Tierhalter sollten sicherstellen, dass ihre Haftpflichtversicherung Schäden abdeckt, die durch ihre Haustiere verursacht werden. Die private Haftpflichtversicherung deckt Schäden durch Kleintiere wie Katzen, Meerschweinchen und Wellensittiche ab. Für größere Tiere wie Hunde und Pferde ist eine spezielle Tierhalterhaftpflichtversicherung erforderlich.
- Motorradfahrer sollten eine umfassende Haftpflichtversicherung haben. Wenngleich dies schon durch die Versicherungspflicht gewährleistet sein dürfte, empfiehlt sich aufgrund von Risiken wie der Betriebsgefahren-Teilschuld auch eine Unfallversicherung. Die private Unfallversicherung kann Unterstützung für Verletzungen und Folgekosten bieten unabhängig von der Haftungsfrage. Allerdings sind Motorsport-Rennen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen (Versicherungsbote berichtete).