Prolongation zwischen Erst- und Rückversicherern: Kompromisse und Balance sind gefragt

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Erstversicherer und Rückversicherer nutzen jährlich zu Beginn des dritten Quartals die Gelegenheit, im partnerschaftlichen Austausch ihre Interessen vorzutragen, um zeitnah eine einvernehmliche Prolongation vereinbaren zu können. Alwin W. Gerlach notiert in einem Gastbeitrag flankierende Indikatoren, die für beide Parteien angemessen festzulegen sind und den Raum für einen akzeptablen Abschluss bieten.

Die jährliche Prolongation ermöglicht den Erstversicherern und Rückversicherern, ihre Geschäftsbeziehungen anzupassen und sicherzustellen, dass die Rückversicherungsdeckung den aktuellen Anforderungen und Risikoprofilen entspricht. Das ist notwendig, da die Versicherungsbranche von Unsicherheiten und Veränderungen geprägt ist. Bekannte und sich noch unerkannt entwickelnde Gefahren setzen die Branche einem ständigen Risiko aus. Kaum sind die Auswirkungen von Pandemie und Naturkatastrophen verbucht, bricht im April 2022 überraschend der Krieg in der Ukraine aus, der zu geopolitischen Unsicherheiten und Schäden an Vermögenswerten führt. Die wirtschaftliche Folge ist eine Inflation mit einem kurzfristigen Spitzenwert von zehn Prozent. Die Kosten für die Versicherer steigen vor allem bei den Schadenzahlungen, da die Preise für Reparaturen und Ersatzteile steigen. Zinserhöhungen der EZB als Eindämmungsmaßnahme wirken sich auf die Anlageportfolios aus. Höhere Zinssätze führen dazu, dass Anleihen und andere festverzinsliche Wertpapiere weniger wertvoll werden. Da viele Versicherer in Anleihen investieren, um ihre Verpflichtungen zu decken, sind finanzielle Verluste zu registrieren.

Die Branche ist daher mehr denn je gefordert, ihre Risikostrategien an diese Veränderungen anzupassen. Die Versicherer müssen sicherstellen, dass sie über ausreichende Kapitalreserven verfügen, um den gestiegenen Risiken - sei es durch politische Unsicherheit, Inflation oder Zinserhöhungen - begegnen zu können. Um die gestiegenen Risiken und Kosten zu bewältigen, sind die Versicherer gezwungen oder könnten gezwungen sein, ihre Tarife anzupassen. Dies kann zu höheren Prämien für die Kunden führen, um die steigenden Risiken und Kosten zu decken. Die Ankündigung und Einforderung höherer Prämien für sich negativ entwickelnde Sparten und die Anpassung der Prämien für hohe Risiken, neue Gefahren und neue Bedingungen werden von den Rückversicherern verlangt, um ihre Kapazitäten weiterhin vergeben zu können.

Diese Forderungen erscheinen unter den gegenwärtigen Umständen mehr als gerechtfertigt und für Erstversicherer sinnvoll. Erstversicherer können durch die Erhebung höherer Beiträge für risikoreiche Branchen und Geschäfte insgesamt mehr Prämieneinnahmen generieren und die finanzielle Stabilität des Unternehmens stärken. Die Anpassung der Beiträge ermöglicht es Erstversicherern, ihre Risiken besser zu steuern. Sie können sicherstellen, dass sie angemessene Ressourcen für die Deckung von Risiken zur Verfügung haben, die als besonders gefährlich angesehen werden. Höhere Beiträge für hochriskante Policen können dazu beitragen, Verluste zu minimieren oder zu verhindern, insbesondere in Zeiten, in denen Schäden und Verluste vermehrt auftreten.

Problematisch könnten Verhandlungen mit Rückversicherern werden, wenn ein Erstversicherer Wettbewerbsnachteile durch Beitragsanhebungen als Argument anbringt und den Verlust an Marktanteilen anführt, Kundenbindungen gefährdet sieht und Prämienerhöhungen als nicht förderlich oder notwendig ansieht. Damit riskiert der Erstversicherer die weitere Unterstützung des Rückversicherers, falls keine nachhaltige Lösung erarbeitet wird.

In Abhängigkeit von der Gesamtgeschäftsverbindung und mittelfristigen Festschreibung absoluter Rekuperation wird ein Rückversicherer kaum davon absehen, höhere Prämien von den Erstversicherern zu verlangen, um die notwendige Liquidität insbesondere bei Großschäden bereitstellen zu können, die die Erstversicherer durch die vereinbarte Rückversicherungsstruktur entlasten. Angemessene Rückversicherungspreise sichern die zugesagte Leistungserbringung, führen im besten Fall zu gesundem Wachstum und eröffnen die Chance, Kapazitäten zu generieren. Wenn der Erstversicherer zudem mehr Transparenz über die Exponierung seines Portfolios schafft und damit aufzeigt, wie die Risiken diversifiziert sind, kann eine intensive Risikobewertung helfen, sich besser gegen potenzielle Verluste zu schützen.

Verhandlungen in dieser Phase sind fair zu führen, da angepasste Prämien dazu führen können, dass neue Rückversicherer in den Markt eintreten, um von den höheren Prämien zu profitieren, was den Wettbewerb verschärft. Demnach hängen die Ergebnisse der Verhandlungen, die auch unterjährig von Repräsentanten begleitet werden, für Erstversicherer und Rückversicherer von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der spezifischen Marktsituation, der Branchentrends und der Fähigkeit, angemessene Beiträge festzulegen, die sowohl den Schutz der Versicherungsnehmer als auch die finanzielle Stabilität des Unternehmens gewährleisten. Risikogerechte Prämien sind für die Leistungsfähigkeit der Branche unabdingbar. Denn bei Versicherern muss das Eigenkapital und das Fremdkapital ungefährdet bleiben. Erstversicherungs- und Rückversicherungsunternehmen benötigen sowohl Eigenkapital als auch Fremdkapital, um ihre Kapazitäten und finanzielle Stabilität sicherzustellen:

  • Eigenkapital ist notwendig, um das Unternehmen zu betreiben und das Vertrauen der Kunden und Aufsichtsbehörden in die finanzielle Stabilität des Unternehmens zu stärken. Ein ausreichendes Eigenkapitalpolster ist ebenso entscheidend, um mögliche Verluste aus Schadensfällen oder anderen unerwarteten Ereignissen abzudecken. Und es ermöglicht dem Unternehmen, die Solvenzkapitalanforderung (Solvency Capital Requirement - SCR) zu erfüllen, die von der Versicherungsaufsicht vorgeschrieben wird.
  • Fremdkapital, das auch in Form von Anleihen oder Darlehen aufgenommen wird, ermöglicht es dem Unternehmen, zusätzliche Kapazitäten bereitzustellen, indem es zusätzliches Kapital beschafft, ohne das Eigenkapital zu stark zu belasten. Es kann kostengünstiger sein als Eigenkapital, da die Zinsen auf Schulden in der Regel niedriger sind als die Renditeerwartungen der Aktionäre. Oft wird Fremdkapital genutzt, um Kapazitäten zu erweitern und größere Risiken zu übernehmen.

Die Kombination von Eigenkapital und Fremdkapital ermöglicht es den Versicherungsunternehmen, die erforderliche Kapazität für die Übernahme von Risiken bereitzustellen, die finanzielle Stabilität sicherzustellen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Bedeutend ist dabei, die richtige Balance zwischen Eigenkapital und Fremdkapital zu finden, um das Risiko angemessen zu steuern und den Anforderungen der Aufsichtsbehörden gerecht zu werden. Dies ist entscheidend, um das langfristige Überleben und den Erfolg eines Unternehmens sicherzustellen.

Zusammenfassung: Insgesamt beruht die Akzeptanz der Prolongation auf einer Abwägung der wirtschaftlichen, strategischen und risikobezogenen Faktoren, die für die jeweiligen Unternehmen relevant sind. Diese Faktoren können sich im Laufe der Zeit ändern, was dazu führt, dass Erstversicherer und Rückversicherer ihre Positionen anpassen und die Prolongation für das Jahr 2024 akzeptieren, obwohl es zuvor unterschiedliche Ansichten gab. Somit trägt eine solide Prolongation, trotz vorheriger Meinungsverschiedenheiten, zur Werterhaltung, Solidarität, Vertrauen und Stabilität in der Versicherungsbranche bei. Sie zeigt, dass die Branche bereit ist, sich an veränderte Umstände anzupassen und die Bedürfnisse ihrer Kunden zu erfüllen, was letztendlich für alle Beteiligten von Vorteil ist.