Was das Metaverse für die Versicherungsindustrie bedeuten könnte


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Immer wieder wird das Schreckensszenario vom Einstieg der Bigtechs in die Versicherungsbranche gezeichnet. Aktuell haben sich Amazon, Facebook & Co. noch nicht nachhaltig beim Thema Versicherungen durchgesetzt. Allerdings haben sie bei vielen Marktteilnehmern die Sinne geschärft und einige Entwicklungen könnten große Chancen für Versicherer beinhalten. Welche Rolle dabei das Metaverse spielen könnte, erklärt Markus Zimmermann. Er leitet den Bereich Versicherungen bei dem Strategieberatungsunternehmen Accenture. In seiner neuen Kolumne 'Zimmermanns Versicherungstrends' analysiert er Trends und zeigt auf, wie die Branche damit umgeht.

Das Metaverse gilt als die nächste Evolutionsstufe des Internets. Mit seinem breiten Spektrum ausgereifter und neuer Technologien definiert es digitale Interaktionen (read-write) neu und revolutioniert digitale Besitztümer (own). Neu dabei ist die Art und Weise, wie die verschiedensten Technologien ineinandergreifen und zusammenarbeiten, um sogenannte 3D-immersive, also interaktive Inhalte und Erlebniswelten zu erschaffen.

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Analysten schätzen das Marktpotenzial des Metaverse bis zum Jahr 2030 auf mehrere Milliarden Euro. Aber inwieweit ist dieses Potenzial auch für die Versicherungsindustrie und ihre Player relevant?

Vom virtuellen Gaming zu virtuellen Erlebnissen, Services & Produkten

Noch ist die virtuelle Welt des Metaverse ein großes Experimentierfeld. Welche Relevanz das Metaverse für Versicherer und ihre Kunden tatsächlich einnehmen wird, ist derzeit noch nicht abzuschätzen. Tatsächlich profitiert die aktuelle Version aber stark von den Entwicklungen im Gaming-Sektor.

Viele der bisher verbreiteten kommerziellen Use Cases im virtuellen Raum, wie digitale Events oder der Handel mit digitalen Besitztümern, sind elementare Bestandteile diverser Videospiele und haben dort ihren Ursprung. Deren zunehmende Popularität hat allerdings auch Anwendungsfälle zum Vorschein gebracht, die nicht nur Gamer begeistern. So ist es für viele Menschen beispielsweise spannend, entlegene Orte oder vergangene Epochen virtuell zu erkunden. Zudem sind sie im Metaverse unabhängiger und können trotz eventuell vorhandener Einschränkungen wie mangelnder Mobilität, Alter oder soziokulturell bedingten Nachteilen profitieren. So kann die virtuelle Besteigung des Mount Everest trotz vorhandener Gehbehinderung zum einzigartigen Erlebnis werden. Soweit die Theorie. Warum könnten die Möglichkeiten des Metaverse also spannend für die Versicherungsbranche sein?

Es dreht sich, wie so oft, um das Wohl der Kunden: Unternehmen, die es schaffen, im Metaverse mit emotionalen Erlebnissen zu begeistern, haben große Chancen, Nutzer bzw. Kunden an sich zu binden. Sei es durch Simulationen oder mittels Einkaufserlebnissen im dreidimensionalen Raum, die durch soziale Komponenten, wie Beratungsleistungen oder dem Treffen von Gleichgesinnten, angereichert werden können.

Das Metaverse wird unseren Alltag verändern – auch den von Versicherungen

Es überrascht daher nicht, dass bereits einige Versicherer auf der Suche nach spannenden Anwendungsfällen sind, um von den neuen Möglichkeiten der virtuellen Welt zu profitieren. Zwei Szenarien bieten dabei aus Sicht der Vorreiter das Potenzial, bis Ende 2030 Realität zu werden:

Szenario 1: Grundprozesse unseres Lebens verlagern sich vermehrt in den virtuellen Raum.
Das Metaverse bietet die Möglichkeit neue Bedürfnisse zu erfüllen. Noch sind diese allerdings für den Durchschnittsbürger schwer zu begreifen. Potenzial ist aber allemal vorhanden – ähnlich wie damals, als das Internet und Social Media ihren Siegeszug antraten.

Szenario 2: Produkte und Dienstleistungen im virtuellen Raum.
Sie ergänzen sowohl den beruflichen als auch den privaten Alltag in unterschiedlichster Weise, ohne eine zentrale Rolle im Leben der Menschen einzunehmen.

Welches der beiden Szenarien sich durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Versicherer sollten jedoch ein frühzeitiges Verständnis für diese Technologie und sich daraus ergebende mögliche Veränderungen bei Kundenverhalten und -wünschen entwickeln und Ansatzpunkte für das Versicherungswesen identifizieren. Bei allen Experimenten und Aktivitäten im Metaverse sollte der Mehrwert für die Stakeholder immer im Mittelpunkt stehen. Für Versicherungen könnte dies beispielsweise zu mehr Aktivitäten in den folgenden Bereichen führen:

  • Neue Formen der Mitarbeiterschulung
    Die Durchführung virtueller Trainings und Schulungen findet zunehmend Verbreitung. Erste Experimente in diesem Zusammenhang gibt es beispielsweise im Sales-Umfeld. Gleichwohl stellt sich hier die Simulation echter Kundensituationen noch als eine Herausforderung dar. Anders ist die Situation in der Schadenregulierung, wo eine realistische Darstellung von Gebäudebränden oder Naturkatastrophen schon heute einen echten Mehrwert bei der Ausbildung – und späteren realen Abwicklung – liefern kann.
  • Neue Einnahmequellen
    Wie eingangs erwähnt spielen auch digitale Vermögenswerte im Metaverse eine zentrale Rolle: von virtuellen Währungen für Transaktionen über virtuelle Kunst bis hin zu anderen virtuellen Besitztümern – sie bringen völlig neue Risiken mit sich. Diverse Versicherer bieten hier bereits erste Lösungen an, die diese Vermögenswerte gegen Verlust oder Diebstahl absichern. Weitere produktseitige Innovationen sind durch neue Risiken im Zusammenhang mit der Zunahme gestohlener biometrischer Daten zu beobachten, deren Einsatz im Metaverse u.a. zu Authentifizierungszwecken künftig eine wichtige Rolle spielen kann.
  • Vertriebsplattform Metaverse
    Das Metaverse könnte den Interaktionen der Versicherer mit ihren Kunden wieder eine persönlichere Note verleihen. Simulationen von Schadenereignissen können beispielsweise im Verkaufsgespräch mit Kunden helfen, aufzuzeigen, wo typischerweise Schwachstellen respektive Risiken versteckt sind – Stichwort Prävention.

Zukunftsmusik, die man bereits leise hören kann

Noch ist es den großen Technologiekonzernen nicht gelungen, die breite Masse für das Metaverse zu begeistern. Versicherer sollten ihren Vertrauensvorteil gegenüber den Technologieriesen geschickt nutzen und ein Gleichgewicht zwischen Kreativität und den Erfordernissen an Sicherheit etablieren. Hier haben Sie einen breiten Fundus an Wissen, was die Regulatorik und Kundenwünsche angeht. Dafür sollten sie sich bereits jetzt in Stellung bringen. Denn erinnern wir uns: Zu dot.com Zeiten mussten jene Unternehmen, die eben diesen Trend verschlafen haben, hohes Lehrgeld zahlen.

Persönlich bin ich noch nicht sicher, welches der skizzierten Szenarien eintreten wird und welche konkrete Bedeutung das Metaverse in unserem künftigen (Versicherungs-)Leben haben wird. Aber: Wenn Sie in den 90ern Ihrer Großmutter erklärt hätten, sie könne in 30 Jahren auch per Telefon einen Kühlschrank kaufen, der nicht nur am nächsten Tag bei ihr zu Hause steht, sondern dieser ihr auch sagen kann, was sie noch zu Hause hat, während sie im Supermarkt steht – da hätte die Großmutter sie wohl für verrückt erklärt. Bleiben wir gespannt was passiert. Vielleicht lösen AR/VR Brillen unsere heutigen Smartphones schon früher ab, als wir denken, und unser virtueller Avatar holt in Zukunft perfekt personalisierte Angebote verschiedener Risikoabsicherer ganz nebenbei für uns ein…weil wir erst virtuell auf den Mount Everest gestiegen sind und nun mit unserem Avatar im digitalen Reisebüro sitzen, für Flüge nach Nepal. In der echten Welt.