Steigendes Unfallrisiko: Jeder zweite Schwerverletzte im Straßenverkehr ist Zweiradfahrer

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Bei Unfällen mit Fußgängern wurde dagegen dem Radfahrer häufig (56,7 Prozent) die Hauptschuld angelastet. Diese machten jedoch laut Destatis „nur“ 6,6 Prozent der Zusammenstöße mit Personenschaden im Jahr 2020 aus, wenn ein Radfahrer involviert gewesen ist.

Hierzu hat die Allianz eigene Zahlen erhoben und ausgewertet. Nach internationaler Forschung fühlen sich Fahrrad- und Scooternutzer umso sicherer, je getrennter sie vom Autoverkehr unterwegs sind, und nehmen auch regelwidrige Bürgersteignutzung in Kauf, berichtet das AZT. Das bestätige eine Repräsentativerhebung unter 1.205 Radfahrenden: Zwei Drittel (65 Prozent) schließen die Nutzung des Bürgersteigs nicht aus, jeder Zehnte (11 Prozent) fährt dort sehr häufig oder häufig unerlaubt.

Auch die erlaubte Mitbenutzung des Gehwegs sei häufig: Als hoch oder sehr hoch bemisst jeder Vierte den Anteil seiner Fahrten auf freigegebenen Bürgersteigen. „Es darf keinen Kampf um den Bürgersteig geben, um sicher unterwegs zu sein“, sagt Jochen Haug, Schadenvorstand der Allianz Versicherungs-AG. „Das ist weder im Sinne des Rad- noch des Fußverkehrs.“

Unfälle zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern nahmen nach AZT-Berechnung in den vergangenen zehn Jahren um 25 Prozent zu. „Die Unfälle passieren nicht alle auf dem Gehweg“, erklärt Christoph Lauterwasser, Leiter des AZT, „dennoch mangelt es in Deutschland an einer Philosophie der Trennung von Rad- und Fußverkehr.“

Zwar treibe die Politik den Radwegebau voran, doch noch sei Radfahren im Autoverkehr die Normalität. Für 28 Prozent der Befragten ist der Anteil an Fahrten, die mangels Radweg im Autoverkehr stattfinden, sehr hoch oder hoch, für 64 Prozent mindestens mittelhoch.

Radwege garantieren keine Sicherheit

Doch auch Radwege würden keine Sicherheit garantieren, berichten die Allianz-Unfallforscher weiter. In den vergangenen zehn Jahren habe sich auch die Anzahl der Fahrrad-Fahrrad-Unfälle erheblich erhöht (+63 Prozent). „Ob das primär fehlender oder mangelhafter Infrastruktur geschuldet ist, muss aus Sicht der Unfallforschung noch genauer untersucht werden“, sagt Lauterwasser.

Ein weiterer Grund: Das Gros der Pkw-Fahrrad-Kollisionen ereigne sich nicht im Längsverkehr, sondern beim Abbiegen, Einbiegen und Kreuzen. Das habe die Auswertung von 500 zufällig ausgewählter Kfz-Fahrradunfall-Schadenakten der Allianz gezeigt. Demnach würden 45 Prozent aller Radopfer an Orten mit Radweg verunglücken. Bei 39 Prozent ereignete sich die Kollision beim Einfahren des Rads in die Kreuzung, von einem Rad- oder Fußweg kommend. Unfälle mit sich öffnenden Autotüren (Dooring) waren weniger auffällig (7 Prozent), Unfälle wegen geringen Pkw-Seitenabstands selten (unter 2 Prozent).

In Kreuzungskonflikten offenbare sich die trügerische Sicherheit auf Radwegen. „Die Fahrerinnen und Fahrer tragen ihr Sicherheitsgefühl, das ihnen die Radweg- oder Bürgersteigfahrt in der Strecke vermittelt, mit in den Knotenpunkt – psychologisch ein fataler Fehler“, so Jörg Kubitzki, Studienleiter und Sicherheitsforscher im AZT. Die Schuldfrage sei oft unklar: hier beruft sich die Allianz auf die eigene Umfrage, wonach Radfahrende zu 53 Prozent Abstands- und Geschwindigkeitsverstöße nicht gänzlich ausschließen. Warum hier auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu den Verursachern der Unfälle nicht zurückgegriffen wird, bleibt unklar: Diese speisen sich nicht nur aus polizeilichen Daten, sondern folglich auch aus den jeweiligen Gutachten der Versicherer.