Bestandsübertragung: Nach berechtigtem Maklereinbruch hat Vertreter kein Recht auf vorbereitende Auskunft

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Verliert ein Vertreter seinen Bestand an einen Versicherungsmakler und war eine klar formulierte Klausel hierfür ausschlaggebend, hat er auch kein Recht, vorbereitende Auskunftsansprüche vom Versicherer einzufordern. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Hamm (Urteil vom 27.2.2020, Az.: 18 U 59/19).

Geklagt hatte im konkreten Rechtsstreit ein Versicherungsvertreter, der seit 1984 für seine Versicherung tätig ist. 2002 hatte der Vertreter eine Autohaus-Kette gewinnen können, mit dem der Versicherer einen Rahmenvertrag schloss. Mit den Gewerbe-Policen sichern sich Autohäuser und Werkstätten gegen zahlreiche Risiken ab: etwa Hagelschäden an den PKW, Ertragsausfall, Betriebshaftpflicht etc. Auf das Urteil macht aktuell Rechtsanwältin Judith John im Magazin des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) aufmerksam.

Auf Vorschlag des Klagenden wich der Rahmenvertrag in vielen Punkten von der ansonsten vertriebenen Autohauspolice (HAuP) des Versicherers ab. Unter anderem ließ sich der Vertreter eine Provision in Höhe von 13,34 % der jährlichen Prämienzahlung für jeden vermittelten Einzelvertrag zusichern, weitere 1,0 Prozent für das Erstellen der Rechnungen und das Inkasso. Das Autohaus agierte hierbei als Versicherungsnehmer.

Zudem hatte der Vertreter einen Agenturvertrag mit dem Versicherer geschlossen. Eine Klausel in den AVB sah vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Vertreter seine Verträge verlieren kann: ohne Entschädigung. Konkret lautete die Klausel:

Während des Vertretervertrages darf (das Versicherungsunternehmen) einzelne Versicherungsverträge oder Gruppen von Versicherungsverträgen ohne Entschädigung des Vertreters aus dem Bestand der Vertretung aussondern, wenn die Versicherungsverträge nicht oder nicht mehr in dem Arbeitsgebiet des Vertreters laufen, … oder wenn die Versicherungsnehmer es ausdrücklich wünschen und die Nichterfüllung dieses Wunsches den Bestand der Versicherungsverträge gefährdet.

Makler wollte Verträge des Autohauses preiswerter betreuen

Im Jahr 2015 schrieb das Autohaus dem Versicherungsvertreter, dass ihm das Angebot eines Maklers vorliege, alle Policen zu übernehmen: mit der Garantie, dass der Beitrag um 20 Prozent gesenkt werden könne. Darauf antwortete der Vertreter, dass sich der Jahresbeitrag ohnehin um 20 Prozent senken werde: aufgrund einer Sondervereinbarung um zehn Prozent sowie einer vertraglich vereinbarten Gewinnbeteiligung um weitere zehn Prozent. Abgeben wollte er die Verträge nicht.

Zeitgleich informierte der Versicherer seinen Vertreter in einer Mail wie folgt: „„ … der Makler U hat mittels eines Auskunftsmandats Schadenverläufe bei uns angefordert. … Des Weiteren haben wir der Maklerdirektion mitgeteilt, dass es sich um ein exklusives Produkt handelt, welches wir nicht auf einen anderen Vertriebsweg übertragen können. Die Abrechnungsmodalitäten / -vereinbarungen bei diesem Konzept können nicht eins zu eins abgebildet werden.“

Schließlich unterzeichnete das Autohaus als Versicherungsnehmer eine Maklervollmacht und einen entsprechenden Vertrag. Der Makler forderte wiederum den Versicherer auf, die Einschaltung zu bestätigen und künftig den gesamten Schrift- und Zahlungsverkehr über ihn zu führen. Das hatte zur Folge, dass der Versicherer die Provisions-Zahlungen an den Vertreter einstellte: und untersagte ihm, sich zu Details der Verträge und zu Prämien-Berechnungen zu äußern.

Bestand gefährdet - oder nicht?

Der Vertreter wollte es nicht akzeptieren, dass er nun die Verträge und die Provision verliert. Und klagte gegen seinen Versicherer. Nach Ansicht des Vertreters hätte der Bestand nicht auf den Makler übertragen werden dürfen. Deshalb bestand der Vertreter darauf, dass er Auskunft über die vermittelten Verträge und über den Rahmenvertrag zwischen Versicherer und Makler erhalte. Zudem forderte er weiterhin seine Provision und hilfsweise Schadensersatz.

Der Makler führte er mehrere Gründe an, weshalb er widerrechtlich seinen Bestand verloren habe:

  • Es handle sich bei den vermittelten Autohaus-Policen um exklusive Verträge, die nur auf dem Vertriebsweg der Ausschließlichkeit angeboten werden, folglich nicht auf einen Makler überführt werden dürfen.
  • Es sei nicht anzunehmen gewesen, dass das Autohaus seine Verträge gekündigt hätte, wenn der Versicherer eine Bestandsübertragung abgelehnt hätte. Denn der Makler habe weder ein Konkurrenzangebot noch eine Schadenkalkulation unterbreiten können. Folglich sei der Bestand nicht gefährdet gewesen.
  • Ihm sei durch den Versicherer keine Rückgewinnungs-Chance eingeräumt worden. Er habe sich vielmehr auf die Info im Schreiben des Versicherers verlassen, dass es sich um ein exklusives Produkt für die eigenen Vertreter handle.
  • Ein sogenannter Maklereinbruch zu seinem Nachteil habe folglich nicht stattgefunden: stark vereinfacht ein Vorgang, der dazu führt, dass er rechtmäßig seinen Bestand und die Provision an einen Makler verliert, Verträge also aus seinem Besitzstand herausgebrochen werden.

Versicherer: "Bestand war gefährdet"

Dem entgegen argumentierte der verklagte Versicherer, dass der Versicherungsnehmer -das Autohaus- die Bestandsübertragung ausdrücklich gewünscht habe und bei Nichterfüllung der Bestand gefährdet gewesen sei, das Autohaus sich folglich nach einem neuen Versicherer umgeschaut hätte.

Bei der erfolgten Mitteilung, es handle sich um ein exklusives Produkt für Vertreter, habe es sich zudem um keine rechtsgeschäftliche Erklärung gehandelt, sondern die Übertragbarkeit des Bestandes sei lediglich bewertet wurden. Zudem habe man den Vertreter per Email auf die Gefahr hingewiesen, dass sich ein Makler einschalten wolle: Folglich habe man dem Vertreter auch die Option zur Rückgewinnung des Bestandes ermöglicht.

Vertreter verliert Rechtsstreit

Das Oberlandesgericht Hamm machte deutlich, dass der Vertreter kein Recht auf vorbereitende Auskunft habe: Die Berufung des KIägers gegen das am 17.5.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Essen, das ebenfalls im Sinne des Versicherers entschied, wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Auskunftsansprüche weder aus Paragraphen des Handelsgesetzbuches (§§ 92 Abs. 2, 87 c Abs. 2, 3 HGB) noch aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 242 BGB) zu.

Bestandsübertragung rechtens - kein Auskunftsanspruch

Die Richter argumentierten hierbei, dass die Bestandsübertragung rechtens gewesen sei - und deshalb der Vertreter keinen Anspruch auf Provisionen oder Schadensersatz auf die verlorenen Bestände habe. Dies gehe aus den Formulierungen in der Klausel des Agenturvertrages zwischen Versicherer und Vertreter hervor, wobei die Klausel als wirksam bestätigt wurde.

So habe das Autohaus als Versicherungsvertreter eine Bestandsübertragung ausdrücklich gewünscht und bei Nichterfüllung seien die Bestände gefährdet gewesen. Damit scheiden auch Auskunftsansprüche aus, die lediglich der Vorbereitung dienen, um Ansprüche aus Provisionen bzw. Schadensersatz durchzusetzen.

Klare, angemessene Vertragsklausel

"Zwar ergebe sich aus dem Vertretervertrag die grundsätzliche Verpflichtung des Versicherers, auf das Provisionsinteresse des Vertreters Rücksicht zu nehmen und den von ihm aufgebauten oder ihm übertragenen Bestand zu erhalten", schreibt Fachanwältin John zu dem Urteil. "Auf der anderen Seite seien auch die Interessen des Versicherungsunternehmens an einer Bestandsübertragung zu berücksichtigen."

Die Wirksamkeit der Klausel ergebe sich daraus, dass es sich um eine klare Klausel handle, die beiderseitige Interessen angemessen berücksichtige: da sie die Bestandsübertragung auf von "engen, konkret gefassten sachlichen Voraussetzungen" abhängig mache.

Für die Frage, ob der Bestand tatsächlich gefährdet ist, komme es entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf die objektive Sachlage an, so hob das Gericht hervor: also, zu welchem Zeitpunkt der Kunde den Wunsch auf Übertragung geäußert habe. Sondern auf diejenige Sachlage, die sich einem Versicherer nach sorgfältiger Prüfung der ihm zugänglichen Fakten mit Blick auf eine etwaige Kündigung der Verträge (Umdeckung) darstelle. Dabei könne der Versicherer auf eigene Prognosen zurückgreifen, die auf seiner darauf gründenden, (versicherungs-)käufmännischen Erfahrung beruhen.

"Urteil lässt Bemühen um Ausgleich vermissen"

Auch wenn das Urteil hervorhebe, dass der Kundenwunsch bei der Vorlage einer Maklervollmacht bzw. Maklervertrages zu berücksichtigen sei, bewertet es Fachanwältin John auch kritisch. Denn es lasse den Umstand vermissen, dass ein Versicherer auf das Provisionsinteresse eines Vermittlers Rücksicht nehmen soll und bei einer entsprechenden Bestandsübertragung einen einvernehmlichen Ausgleich im Rahmen seiner Treuepflicht schaffe, kommentiert John.

Ein Ausgleich könne etwa dadurch erfolgen, dass der neue Makler einen Ausgleich für die verlorenen Verträge an den "alten" Vertreter zahle. "Die im Agenturvertrag vereinbarte Klausel stellt nach unserem Dafürhalten für den Vertreter eine unangemessene Benachteiligung dar", kommentiert die Fachanwältin, die als Referatsleiterin beim BVK tätig ist.