Corona: Bundesregierung sieht keine Versäumnisse der Versicherer bei Betriebsschließung

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Gezielt fragte die FDP-Fraktion auch danach, ob der Finanzaufsicht BaFin Fälle bekannt seien, wonach "Versicherungsgesellschaften die vereinbarten Vertragsbedingungen von Betriebsausfallversicherungen in der Corona-Pandemie nicht eingehalten haben“. Auch wollten die Liberalen wissen, welche Maßnahmen die Bundesregierung und Aufsichtsbehörde ergriffen, um gegen mögliche Vertragsverletzungen der Versicherer vorzugehen.

Versicherungswirtschaft stellt sich nach wie vor quer

Die Frage kommt nicht von ungefähr. Nach wie vor weigert sich das Gros der Versicherer, Hoteliers und Gastronomen voll zu entschädigen, wenn der Betrieb infolge einer Corona-Allgemeinverfügung dicht machen musste. Dabei lassen sich grob zwei Argumentationslinien unterscheiden:

  • Zwar seien Betriebsschließungen infolge des Infektionsschutzgesetzes versichert. Aber nur jene Krankheiten, die wortwörtlich in den Vertragsbedingungen genannt werden: Folglich nicht Covid-19, das erst im Februar 2020 in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen wurde. In vielen Altverträgen wird das Virus noch nicht genannt.
  • Die Betriebe haben nur Anspruch auf die Versicherungsleistung, wenn ein konkreter Corona-Fall in der Firma auftrat und sie deshalb geschlossen werden musste. Nicht jedoch bei Allgemeinverfügungen.

Das Wirtschaftsministerium hat jedoch laut Antwort auf die Kleine Anfrage keine Erkenntnisse, dass Leistungen zu Unrecht verweigert werden, musste aber zahlreiche Rechtsstreite einräumen. Wörtlich heißt es in dem Papier:

„Der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sind keine Fälle bekannt, in denen ein Versicherer eine Leistung aus der Betriebsschließungsversicherung entgegen eindeutig getroffener vertraglicher Vereinbarungen verweigert hätte. Die Auslegung der Versicherungsbedingungen der Betriebsschließungsversicherung ist derzeit Gegenstand zahlreicher anhängiger Gerichtsverfahren.“

Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes: BaFin könnte eingreifen

Anders sieht das hingegen FDP-Politiker Schäffler. “Die Versicherer ziehen sich mit fadenscheinigen Argumenten aus der Verantwortung. Die Finanzaufsicht Bafin bleibe in der Angelegenheit untätig, obwohl sie eigentlich eingreifen könnte“, kommentiert der Diplom-Volkswirt auf Twitter.

Schäffler, der früher selbst im Versicherungs- und Finanzvertrieb tätig war, beruft sich auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes zu der Kleinen Anfrage. Demnach hätte die BaFin sehr wohl einschreiten können, um rechtliche Unklarheiten auszuräumen. Auf seiner Webseite zitiert er aus dem Papier:

„Einzelfragen des Versicherungsvertrags sind im Streitfall durch die ordentlichen Gerichte und nicht durch die Versicherungsaufsicht zu klären. Dennoch kann die BaFin einschreiten, wenn das Verhalten des Versicherers über den Einzelfall hinaus Bedeutung erlangt, also viele Versicherungsnehmer in vergleichbarer Weise betrifft. Die Bundesanstalt kann dann überprüfen, ob die Gesellschaft die vereinbarten Vertragsbedingungen und die rechtlichen Vorgaben eingehalten hat…“

Münchener Rechtsgutachten sieht oft volle Zahlungspflicht der Versicherer

Zuvor kam bereits ein Rechtsgutachten des Juristen Walter Seitz, bis 2003 Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München, zu dem Ergebnis, dass die Versicherer in vielen Fällen voll zahlungspflichtig sein dürften: wenn auch abhängig vom Vertrag. Der Grund: Die Verträge enthalten oft mehrdeutige Formulierungen und Pandemie-Risiken seien darin nicht explizit ausgeschlossen.

Demnach seien auch Allgemeinverfügungen oder Verordnungen eines zuständigen Ministeriums als „Schließung durch die zuständige Behörde" anzusehen, die laut Vertrag oft versichert seien. Denn mehrdeutige Formulierungen in Geschäftsbedingungen gehen – gemäß Paragraph 305c Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) – zulasten des Verwenders und damit des Versicherers. Will der Gesetzgeber doch vermeiden, dass trickreiche Mehrdeutigkeiten zur Verletzung der Vertragspflichten führen.