Risikoprüfung in der Lebensversicherung: von maschinellem Lernen können Versicherer und Kunden profitieren

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Die Risikoprüfung eines Lebensversicherers spielt sich oft im Hintergrund ab: Anhand von Risikoprofilen werden Risiken tarifiert, beobachtet und bewertet, um Versicherungsnehmern ein passendes Angebot zu unterbreiten. Gerade im Geschäft mit Spezialversicherungen und in der Rückversicherung ist dieser Prozess entscheidend. Wie künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen den Prüfprozess verändern können, darüber sprach der Versicherungsbote mit Declan O'Neill, Executive Vice President, Product & Data bei Munich Re Automation Solutions mit Sitz in Dublin/Irland. Die Munich-Re-Tochter bietet hierfür bereits digitale Lösungen unter Nutzung von KI an.

Versicherungsbote: Welche Auswirkungen wird AI auf die Zukunft der Versicherung haben?

Declan O'Neill: Zunächst ist es wichtig zu verstehen, worauf wir Bezug nehmen, wenn wir von „künstlicher Intelligenz“ sprechen, da dies ein sehr allgemeiner Begriff ist. In den meisten Fällen wurde dieser Begriff als nicht ganz zutreffende Bezeichnung für die Implementierung und Integration von Vorhersagemodellen in Versicherungsprozesse verwendet: Modelle, die eben auch Prozesse maschinellen Lernens beinhalten. Die Verwendung des Begriffs „künstliche Intelligenz“ trübt diesbezüglich häufig den Blick auf die Zukunft der Technologie in der Versicherungsbranche.

Quelle: City Headshots / Munich ReDie Zukunft der Risikoprüfung liegt in der Anwendung des prädiktiven Modellierens und Maschinen-Lernens: Also, Schadenwahrscheinlichkeiten und Risiken durch maschinelles Lernen noch exakter vorhersagen zu können. Indem wir uns über das regelbasierte Prüfen hinaus in die potentiell grenzenlose Welt der Datenwissenschaft begeben, können wir es Versicherern ermöglichen, die Merkmale der von ihnen versicherten Personen oder Gesellschaften besser und genauer zu analysieren.

Wird maschinelles Lernen genutzt, um fortschrittliche Analysemodelle zu erstellen, hat dies das Potential, die Versicherungsbranche zum Nutzen des Versicherers und des Kunden gleichermaßen radikal zu ändern. Die Versicherungsgesellschaft profitiert, indem sie ihre Effizienz steigert und die Kosten innerhalb des Geschäftsbetriebs senkt. Und der Endbenutzer, weil das Kundenerlebnis verbessert wird und lästige medizinische Tests entfallen oder zumindest reduziert werden können.

Darüber hinaus können diese Prozesse im Rahmen des Prüfprozesses aber auch Probleme aufwerfen, wenn Menschen erkennen, dass eine Art unfassbarer Maschinenalgorithmus eine Entscheidung über sie getroffen hat. Das ist von entscheidender Bedeutung in einer Branche, die aus regulatorischer Perspektive zunehmend verpflichtet wird, ihre Entscheidungen gründlicher gegenüber dem Kunden zu erklären.

Wie können KI und maschinelles Lernen den Prüf-Prozess verändern?

Maschinelles Lernen bietet ein enormes Potenzial, um die Erfahrungen der Endkunden mit der Lebensversicherungsbranche als Ganzes zu verbessern. Die Branche wird traditionell als bürokratisch, aufdringlich und langsam empfunden. Werden hingegen fortschrittliche Analysemodelle genutzt und Methoden des maschinellen Lernens in den Zeichnungsprozess einbezogen, so kann potentiell jeder Antragsprozess zum Vorteil des Kunden rationalisiert werden: etwa, indem er deutlich weniger Antrags- und Interviewfragen beantworten muss, medizinische Untersuchungen entfallen und der Kunde deutlich schneller eine Entscheidung über Annahme oder Ablehnung seines Antrages erhält.

Gerade die Geschwindigkeit der Antrags- und Schadensbearbeitung ist in der heutigen schnelllebigen Gesellschaft, in der fast jeder den Finger auf dem Touchscreen hat, ein entscheidendes Kriterium für Versicherer, um Kunden zu gewinnen und zu binden. Darüber hinaus bietet maschinelles Lernen die Chance, den Segmentierungsprozess des Versicherungsunternehmens zu verbessern: Der Versicherer kann also noch genauer Zielgruppen ansprechen und die von ihm eingegangenen Risiken besser auswerten und verstehen.

Bei welchen Antragsprozessen genau kann Zeit eingespart werden?

Aus Verbrauchersicht kann während des gesamten Antrags-Prozesses erheblich Zeit eingespart werden. Zunächst entfällt ein Teil der Zeit, den ein Kunde benötigt, um sich einem Interview zur Ermittlung des Risikos bzw. den Antragsfragen bei Leben-Policen zu unterziehen. Zweitens ist zu erwarten, dass mehr Antragsteller den Prüfprozess abschließen können, ohne zusätzliche Nachweise erbringen zu müssen, die aktuell für die manuelle Risikoanalyse noch erforderlich sind. In solchen Fällen kann die Entscheidung nun innerhalb von Minuten getroffen werden anstelle von Tagen. Dies liegt daran, dass das erweiterte automatisierte Prüfverfahren weniger Fragen, weniger Tests und insgesamt weniger Schritte zwischen den Endnutzern und ihrer Lebensversicherung vorsieht.

In ähnlicher Weise können Versicherungsunternehmen intern die Effizienz massiv verbessern und die Kosten senken, insbesondere wenn maschinelle Lernmethoden zur Analyse von Zeichnungsdaten verwendet werden, anstatt sich auf herkömmliche manuelle Analysemethoden zu verlassen und Risikoprofile quasi per Handarbeit zu erstellen.

Anmerkung Redaktion: Das Interview wurde aus dem Englischen übersetzt.