Allianz Leben hat von Fourmore erst knapp 1.000 Verträge verkauft

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Fourmore sollte ein Vorzeigeprodukt für die Allianz Leben werden: Eine Lebensversicherung, die sich an eine junge Zielgruppe wendet und recht flexibel die Entnahme von Geld erlaubt. Aber der Start entpuppt sich als schwierig. Knapp ein Jahr nach Markteinführung haben erst rund 1.000 Personen die Police erworben, so berichtet Allianz-Leben-Chef Markus Faulhaber in einem Interview. Um das Altersvorsorge-Geschäft muss die Stuttgarter Tochter von Deutschlands größtem Versicherer dennoch nicht bangen, die Marktanteile sind enorm.

Modern, hip und flexibel — so will sich die Allianz mit ihrem Vorsorgeprodukt „Fourmore“ präsentieren. Die Webseite für die digitale Lebensversicherung ist erkennbar auf junge Zielgruppe ausgerichtet, wie man an den dort präsentierten Werbeträgern schnell merkt. Hier springt eine junge Frau mit ihrem BMX-Bike waghalsig über Hindernisse, surft eine Kite-Surferin auf hohen Wellen, präsentiert ein Bartträger mit nerdiger Brille stolz seine Tattoos auf den muskulösen Oberarmen. Und wo in einem Allianz-Fernsehspot der 80er Jahre zwei ältere Herren um die Kirchen im Garten stritten, betreibt nun eine junge Frau im orangen Kleid Urban Gardening.

“Fourmore noch in Start- und Testphase“

Nur vong Erfolg her läuft es mit Fourmore bisher nicht so nice. Im Juli 2018 ging der Tarif an den Start, mit großen Erwartungen. Wie nun Markus Faulhaber einräumen musste, Vorstandschef der Allianz Leben, wurden bisher weniger als 1.000 Policen verkauft. „Fourmore wurde im Juli mit direkter Ansprache der Kunden im Internet eingeführt, für eine Bilanz ist es zu früh“, sagte der promovierte Mathematiker. „Wir schalten im Moment sukzessive die physischen Vertriebe zu, verbessern die digitale Präsenz und, basierend auf den Erfahrungen der vergangenen Monate, auch die Positionierung“.

Die Allianz Leben sei mit „Fourmore“ bisher noch in einer Start- und Testphase und habe bisher knapp 1.000 Verträge vermittelt, berichtet Faulhaber weiter. Das Statement lässt erkennen, weshalb sich der Vorstand nun doch einen Schub für den Tarif erhofft. Bisher wurde die Police ausschließlich digital im Direktvertrieb angeboten: Wer sie haben wollte, musste die Webseite ansurfen. Nun also sollen auch die rund 8.300 Vertreter sowie wohl auch andere Vermittler aus Fleisch und Blut den Tarif anpreisen. Die Werbung wird wohl ebenfalls noch einmal deutlich aufgepimpt — auch wenn schon jetzt „Fourmore“ auf Plattformen wie Facebook, Instagram und Co. sehr offensiv angepriesen wird.

Flexibel, aber mit Tücken

Mit “Fourmore“ verfolgt die Allianz das Ziel, eine junge Generation für das Thema Altersvorsorge zu gewinnen: Jene Teens, Twens und Thirties, die sich normalerweise noch nicht für Lebensversicherungen interessieren. Das Mittel hierzu lautet, neben einer jugendlichen Ansprache, Flexibilität. Weder müssen die Versicherten regelmäßig einzahlen, noch mit der Auszahlung Jahrzehnte starrer Ablaufzeit überbrücken. Stattdessen gibt es viele Optionen, sich das Geld auszahlen zu lassen: als Rente, als Zeitrente, per Einmalbetrag oder mittendrin.

Ganz neu ist dieses Konzept nicht, im Gegenteil. Bereits ab Mitte der 80er Jahre wurden derartige Policen in den USA unter dem Begriff „Universal Life“ angeboten. Aber die Flexibilität hat ihren Preis. In einem Kommentar für das „Manager Magazin“ kritisierte Axel Kleinlein, Vorstandssprecher beim Bund der Versicherten (BdV), die vermeintliche Intransparenz und die hohen Kosten der Verträge. Zum Beispiel berechnet die Allianz die branchenüblichen vier Prozent als Abschluss- und Vertriebskosten: trotz Direktvertrieb. Das begründet sich freilich damit, dass nun der Tarif auch für den Vertrieb über Agenturen und andere Wege geöffnet werden soll (der Versicherungsbote berichtete).

Weitere Kritikpunkte: Auch die Effektivkosten des Vertrages seien sehr hoch, oder anders formuliert: nur 60 Prozent des eingezahlten Beitrages würden verzinst. Die Berechnung der enthaltenen Garantien sei ebenfalls unklar. Auch die "Stiftung Warentest" zeigte mit dem Daumen nach unten. "Die Kosten betragen 4 Prozent von jedem einge­zahlten Beitrag plus jähr­lich 0,8 Prozent des gesamten Guthabens, plus aktuell 0,18 Prozent fürs Anlagemanagement“, schrieb die Stiftung im November 2018 auf ihrer Webseite. Das drücke die zu erwartende Rente bzw. Kapitalzahlung.

Ganz schön viel Gegenwind für einen jungen Hoffnungsträger - ob die Kritik Einfluss auf die Abschlusszahlen hatte, lässt sich nur mutmaßen. Doch auch die Werbekampagne für "Fourmore" präsentiert sich wenig mutig und ruft Klischees junger Menschen auf. Der Name selbst ist ein Wortspiel aus dem englischen "Four" und "more". Denn gleich einen vierfachen Mehrertrag verspricht die Allianz: "mehr Freiheit“, „mehr Klarheit“, „mehr Sicherheit“ und „mehr Wachstum“. Stereotype Begriffe, die aus dem antiken PR-Baukasten der Versicherer entnommen scheinen.

"Kunde kann Produkt online selbst verwalten"

Allerdings gab es auch Lob für Fourmore: eben, weil sie sich auf neues Terrain wagt und vergleichsweise flexibel ist. Die Rentenpolice weise in die richtige Richtung, sagt Gregor Pohv, CEO des Beratungshauses Persephone Quantitative Finance Group. "Dieses digitale Produkt beinhaltet mehr als nur eine digitale Abschlussstrecke, denn es enthält Neuerungen bei den Produkteigenschaften, den Vertriebswegen, in der Kommunikation und im Service", lobte Pohv im Interview mit dem Versicherungsboten. Die Allianz Leben selbst begründet die teils hohen Kosten damit, dass die Kunden "umfassende Features und Services" nutzen können - etwa Anlageexperten, die eben nicht umsonst zu haben seien.

Auch Markus Faulhaber erklärt im Interview mit der Börsen-Zeitung noch einmal den Grundgedanken des Hoffnungsträgers. "Wir wissen, dass die Biographien der jüngeren Generation nicht mehr so stabil sind wie die meiner Generation. Sie haben andere Vorstellungen, ihr Leben zu gestalten, und wollen sich nicht mehr 30 Jahre lang binden", so der 65jährige. Deshalb könne der Kunde "beliebig Geld einzahlen und entnehmen". Weil der Kunde wisse, dass er Geld entnehmen könne, "wird er eher einzahlen. Am Ende wird er auf diese Weise mehr Geld sparen als bei konventionellen Produkten", argumentiert Faulhaber.

Zudem könne der Kunde das Produkt über ein digitales Online-Portal komplett selbst verwalten, hebt der Allianz-Vorstand hervor. Zu der Kritik an den hohen Kosten des Vertrages passt nicht ganz, dass er explizit die niedrigen Verwaltungskosten hervorhebt. Diese würden mit 0,9 Prozent deutlich unter dem Marktschnitt liegen und sollen weiter sinken. Hier stellt sich die Frage, warum dem Kunden dann trotzdem derart hohe Beträge in Rechnung gestellt werden.

Allianz ist unangefochtener Marktführer

Um "Fourmore" weiter zu pushen, denkt die Allianz darüber nach, weitere Angebote mit dem Rentenvertrag zu verbinden, erklärt Faulhaber weiter: etwa mit dem Parkdepot der Allianz, das vom Versicherer als Alternative zum Festgeld beworben wird, oder mit Instant-Payment-Prozessen. Eine strategische Entscheidung hierzu sei aber noch nicht gefallen. Fourmore sei von Beginn an als hybrides Produkt angelegt gewesen, das es erlaube alle Vertriebswege einzubeziehen: auch, weil selbst bei einfachen Produkten wie der Risikolebensversicherung noch immer 90 Prozent der Allianz-Kunden eine persönliche Beratung wünschen würden.

Mit Blick auf die gesamte Leben-Sparte müssen sich die Stuttgarter aktuell wenig Sorgen machen. Die Allianz ist in Deutschland unangefochtener Marktführer, quasi der Babo unter den Versicherern. Der Marktanteil nach Bruttobeiträgen lag zum Ende abgelaufenen Geschäftsjahres bei 24,5 Prozent, wie Faulhaber bestätigt: Fast jeder vierte Euro, den Deutsche in der Lebensversicherung zahlen, geht an die Allianz.

Entgegen dem Branchentrend zeigt auch das Neugeschäft des Versicherers ein beachtliches Wachstum. Die Beitragseinnahmen in der Lebensversicherung legten 2018 um 6,6 Prozent auf 22,5 (21,1) Milliarden Euro zu, während bei vielen anderen Versicherern aktuell eher Geschäft wegbricht. Das Neugeschäft der Allianz Leben wuchs um 10,7 Prozent: auch das war Branchenrekord in Deutschland.