PKV - Beamtenbund erneuert Kritik am Hamburger Modell

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Der Deutsche Beamtenbund (dbb) hat auf einer Veranstaltung in München seine Kritik am sogenannten Hamburger Modell bekräftigt. Das Beihilfesystem müsse schon deshalb erhalten werden, damit eine Beamten-Karriere attraktiv für Nachwuchskräfte bleibe, sagte dbb-Vize Friedhelm Schäfer. Auch löse es nicht die Probleme der Krankenkassen, Beamte in die gesetzliche Krankenversicherung zu lotsen.

Friedhelm Schäfer, Zweiter Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes (dbb) und Fachvorstand Beamtenpolitik, hat am Mittwoch bei einer Veranstaltung in München das sogenannte Hamburger Modell kritisiert. Dieses soll neuen Beamten die Wahl ermöglichen, ob sie sich privat krankenversichern oder einer gesetzlichen Krankenkasse anschließen. Bisher unterstützte der Dienstherr nur einen privaten Schutz mit Beihilfe — wollten sich Staatsdiener gesetzlich versichern, mussten sie auch den Arbeitgeberanteil selbst zahlen. Nun zahlt Hamburg erstmals auch eine Pauschale zum Krankenkassen-Beitrag hinzu.

Doch Schäfer hält nichts von dieser Wahloption: und argumentiert indirekt mit den Privilegien, die das Beihilfe-System Beamten bietet. „Die herkömmliche Beihilfe, die den anteiligen Aufwendungsersatz beinhaltet, ist ein bedeutender Attraktivitätsfaktor des Berufsbeamtentums, der mit Blick auf das Erfordernis, Nachwuchskräfte zu finden und zu binden, kommuniziert statt konfisziert werden sollte“, sagte der Steuerexperte. Er lobte ausdrücklich, dass sich die bayerische Landesregierung deutlich gegen dieses Modell ausgesprochen hat.

Vor allem Beamte mit kleinem Einkommen wechseln

Schäfers Kritik mag zunächst verwundern: Sollen die Beamten doch ausdrücklich mehr Wahloptionen erhalten, wie sie sich krankenversichern. Während der Dienstherr 50 bis 70 Prozent der Krankheitskosten als Beihilfe zuschießt, wenn die Amtsträger sich privat versichern, zahlt Hamburg seit dem 1. August des letzten Jahres auch eine Pauschale für den gesetzlichen Schutz. Andere Bundesländer wie Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen prüfen derzeit, ob sie das Modell übernehmen.

Tatsächlich gibt es einen Beamtenkreis, für den das Modell interessant ist: nämlich solche mit geringem Einkommen. Zwar machten in Hamburg bis zum Jahresende 2018 nur rund 1.000 der knapp 70.000 aktiven und pensionierten Staatsdiener von der Wechseloption Gebrauch und versicherte sich gesetzlich. Doch fast jeder zweite Wechsler gehört der unteren Besoldungsgruppe im Allgemeinen Verwaltungsdienst an, berichtet der Hamburger Senat. Je nach Entgeltgruppe und Dienstjahr haben diese Personen ein Netto-Einkommen von weniger als 2.000 Euro. Sie profitieren unter anderem davon, dass in der GKV Familienmitglieder kostenlos mitversichert werden können (der Versicherungsbote berichtete).

“Insellösungen“ — Dienstherr eingeschränkt wählbar

Warum also die ablehnende Haltung des Beamten-Funktionärs? Friedhelm Schäfer verweist darauf, dass nach dem jetzigen Modell die Wechseloption Nachteile mit sich bringen kann. Denn keineswegs planen alle Bundesländer, ihre Beamten mit einer Prämie zu unterstützen. Speziell die unionsgeführten Landesregierungen sind dagegen. Das kann es verhindern, dass sich ein Amtsträger einen neuen Dienstherren sucht — und ihn an eine Region binden.

„Nach bisheriger Positionierung der überwiegenden Mehrheit der 17 Gebietskörperschaften ist nicht davon auszugehen, dass es einen gemeinsamen Weg geben wird. Die Folge: Insellösungen, die bei einem Wechsel in eine Gebietskörperschaft ohne pauschale Beihilfe mit erheblichen Nachteilen verbunden wären“, sagt Schäfer.

Dieses Problem wird dadurch verschärft, dass die Wahl eine endgültige ist: Beamte sollen nicht mehr in das Beihilfe-System zurückkehren können. So soll verhindert werden, dass sie eine Art „Vorteils-Hopping“ betreiben und sich immer da versichern, wo es gerade am günstigsten für sie ist. Wer sich als gesetzlich Versicherter einer anderen Gebietskörperschaft anschließt, müsste folglich den Arbeitgeberanteil wieder selbst zahlen. Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) hatte bereits zu bedenken gegeben, dies bedeute einen Verstoß gegen das im Artikel 33 des Grundgesetzes verankerte Fürsorgeprinzip.

Jungen Menschen wird "unumkehrbare Entscheidung abverlangt"

Beim Hamburger-Modell handle es sich um ein einmaliges Wahlrecht, das, würde es zugunsten der pauschalen Beihilfe ausgeübt, mit einem unwiderruflichen Verzicht auf eigentlich zustehende Fürsorgeleistungen des Dienstherrn verbunden wäre, kritisiert nun auch Schäfer in München. Der Verzicht gelte für den gesamten verbleibenden Berufsweg. So würde jungen Menschen eine unumkehrbare Entscheidung abverlangt, deren Auswirkung sie noch gar nicht abschätzen können.

Zwar gebe es problematische Einzelfälle, argumentiert Schäfer: Beamte also, die mit den Prämien in der privaten Krankenversicherung überfordert sind. Diese dürften aber nicht instrumentalisiert werden, "um ein grundsätzlich bewährtes System in Frage zu stellen". Vielmehr solle die Politik systeminterne Lösungen für Beihilfen und die PKV entwickeln.

Auch scharfe Kritik am Beihilfe-System

Ob sich dieses Modell bewährt hat, auch daran haben jedoch Kritiker Zweifel angemeldet. So kritisierte zum Beispiel der Ökonom Bernd Raffelhüschen aus Freiburg die explodierenden Kosten der Beamtenversorgung: neben den Beihilfen auch für Pensionen. Ein wichtiger Grund: Weil sich Beihilfen an den zurückgelegten Dienstjahren orientieren, werden im Alter die höchsten Zuschüsse gezahlt: genau dann, wenn die anfallenden Gesundheitskosten pro Person statistisch auch höher sind.

Die Länder müssten schon jetzt ein Fünftel ihres Budgets für ihre Beamten ausgeben, rechnete Raffelhüschen dem "Focus" vor. Wenn bald die Generation der verbeamteten Babyboomer in Rente gehe, würden sich diese Kosten verdoppeln: 1,5 Millionen Staatsdiener stünden kurz vor ihrer Pensionierung.

Die Bertelsmann Stiftung riet 2017 in einer umstrittenen Studie sogar zu einer Abschaffung des jetzigen Beihilfe-Systems. Müssten sich Beamte gesetzlich versichern, können Bund und Länder bis 2030 rund 60 Milliarden Euro einsparen, argumentiert die private Stiftung auf Basis einer eigenen Untersuchung. Zahlen wiederum, die der PKV-Verband als "unrealistisch" geißelte: So würden unter anderem Arztpraxen, Physiotherapeuten und Hebammen Milliarden-Einbußen entstehen, die wieder ausgeglichen werden müssten. Auch verstoße eine solche "Zwangsversicherung" gegen das Verfassungsrecht.