Lebensversicherer trennen sich von hochverzinsten Anleihen

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Verscherbeln die Lebensversicherer ihr Tafelsilber? Laut Bundesregierung stoßen sie vermehrt Anleihen ab, um die Garantien ihrer Kundinnen und Kunden bedienen zu können. Allein in diesem Jahr sollen sich die Gesellschaften von Anleihen im Wert von 14,5 Milliarden Euro trennen: Tendenz steigend. Oft müssen diese Papiere gegen neue Anleihen mit niedrigeren Zinsen eingetauscht werden, um vorübergehend besser dazustehen.

Die Lebensversicherer stoßen verstärkt Zinspapiere ab, um im Niedrigzins die Garantien der Sparer bedienen zu können. Das zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP im Bundestag. Demnach werden im laufenden Geschäftsjahr 2018 voraussichtlich Staatsanleihen im Wert von 14,5 Milliarden Euro abgegeben, so berichtet der „Focus“ am Montag. Im letzten Jahr seien es noch zehn Milliarden Euro gewesen.

Oft hochqualitative Staatsanleihen abgestoßen

Zunächst scheint es normal, dass die Versicherer im Niedrigzins auf Geldanlagen setzen, die weniger von Zinsen abhängig sind. Doch die Zahlen nähren den Verdacht, dass die Versicherer aufgrund des Renditedrucks ihr Tafelsilber verscherbeln. So handle es sich oft um hochverzinste Anleihen, die nun abgestoßen werden, um Reserven aus alten Positionen zu heben und die von der Finanzaufsicht geforderten Erträge ausweisen zu können. Hierbei gilt es zu bedenken, dass die Lebensversicherer gesetzlich gezwungen sind, große Teile ihres Portfolios in festverzinste Wertpapiere zu stecken.

Im Grunde handelt es sich bei den Verkäufen um ein schlechtes Tauschgeschäft. Die Lebensversicherer würden hochverzinste Anleihen aus besseren Zeiten zunächst abstoßen, um damit kurzfristig ihre Finanzausstattung zu verbessern. Dann aber werden sie gegen neue Anleihen eingetauscht - niedriger verzinst und mit längerer Laufzeit. Denn die Versicherer müssen zur Zeit extrem lange Laufzeiten akzeptieren, um überhaupt noch einen halbwegs auskömmlichen Zins zu erzielen. Der „Focus“ nennt zwei Beispiele: Deutsche Bundesanleihen mit zwanzigjähriger Laufzeit werfen aktuell 0,92 Prozent ab, französische Staatsanleihen mit Laufzeit bis 2045 immer noch 1,48 Prozent.

Der Verkauf des alten Tafelsilbers scheint auch deshalb lukrativ, weil der Wert dieser Altanleihen vermeintlich steigt. Fallen die Zinsen, so steigt deren Kurs, da neue Anleihen aktuell noch weniger Zins versprechen. Dieser Kursanstieg würde aber nur vorübergehend die Bilanz aufbessern, wenn die Versicherer die Geldanlage bis zum Ende halten: dann handelt es sich um Scheingewinne. Die Anlagen werden nämlich zu einem festen Endwert gehandelt. Es scheint also lukrativ, sich davon zu trennen, wenn sie aktuell höher bewertet werden.

"Modell nicht für künstlich erzeugte Zinsen gemacht"

Für die Versicherer ist kurzfristig keine Besserung in Sicht: Der Leitzins wird in Europa im Keller bleiben. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat durchblicken lassen, dass sie am Status Quo bis zum Herbst 2019 nicht rütteln will. FDP-Finanzexperte Frank Schäffler warnt nun laut „FAZ“, der Verkauf von Tafelsilber bringe nur Zeit. Langfristig verschärfe er das Problem der Versicherer. Laut der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) drohen jedem dritten deutschen Lebensversicherer mittel- bis langfristig finanzielle Probleme.

In einem am Freitag veröffentlichten Interview mit dem „Handelsblatt“ hatte bereits Allianz-Chef Oliver Bäte der EZB indirekt eine Mitschuld dafür gegeben, dass einige Lebensversicherer finanzielle Probleme bekommen könnten. Viele der Leben-Modelle hätten ursprünglich „auf rational gestalteten Zinsszenarien“ beruht, die durch die aktuelle Zinspolitik künstlich über den Haufen geworfen worden sei, gab Bäte zu bedenken. Denn eigentlich müsste der "normale Zinssatz“ heute anderthalb bis zwei Prozent höher liegen. „Das Geschäftsmodell der Versicherer ist nicht für künstlich erzeugte Zinsen gemacht“, sagte Bäte (der Versicherungsbote berichtete).