Im Interview mit dem Versicherungsboten erklärt der Rechtswissenschaftler Hans-Peter Schwintowski, weshalb er bei der Verbreitung der Honorarvermittlung auf Versicherungsmakler setzt. Der Experte für Versicherungsrecht an der Humboldt Universität zu Berlin hatte im Vorfeld der IDD-Gesetzgebung unter anderem mit einem Gutachten Aufsehen erregt, wonach ein Honorarannahmeverbot für Versicherungsvermittler nicht mit der Verfassung vereinbar sei: mit Erfolg, denn ein solches wurde im IDD-Umsetzungsgesetz gestrichen.
Versicherungsbote: Beim IDD-Umsetzungsgesetz ist ein Honorarannahmeverbot für Versicherungsvermittler, wie es ursprünglich vorgesehen war, nun vom Tisch. Was müssen Makler dennoch beachten, wenn sie sauber gegen Honorar beraten wollen?
Herr Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski: Das Honorarannahmeverbot ist zwar gestrichen worden, aber es gibt nach wie vor ein Provisionsabgabeverbot im Gesetz, das es dem Makler allerdings erlaubt, seine Provision, ganz oder teilweise an den Kunden abzugeben, wenn dies zu einer Prämienreduzierung führt oder zu einer Erhöhung des Leistungsumfangs der Versicherung. Das ergibt sich aus dem neuen § 48 a Abs. 4 Versicherungsaufsichtsgesetz – diese Regelung ist bereits in Kraft. Modelle, wie man Vereinbarungen treffen kann, um die Prämie beispielsweise zu reduzieren, sind veröffentlicht.
Kaum mehr als 300 Versicherungsberater sind bei den Industrie- und Handelskammern registriert. Warum hat es die Versicherungsvermittlung gegen Honorar in Deutschland so schwer?
Sie haben recht, wir haben im Moment circa 300 Versicherungsberater, allerdings etwa 45.000 Makler. Aus einem Maklerverband, der eine Erhebung durchgeführt hat, ist mir berichtet worden, dass inzwischen mehr als 15 Prozent der Makler – das sind also immerhin schon um die 6.000 – häufig und mit zunehmender Tendenz gegen Honorar beraten. So gesehen würde ich nicht sagen, dass die Honorarberatung in Deutschland nicht möglich ist – wie immer muss man sich an neue Strukturen erst einmal gewöhnen. Aber die Vermittler auf der einen und die Kunden auf der anderen Seite begreifen, dass es durch das Honorarsystem neue interessante Möglichkeiten gibt, die die traditionelle Brutto-Prämie verdrängen.
Viele Verbraucher schätzen Aufwand und Kosten einer Honorarberatung falsch ein – in der Regel deutlich zu niedrig. Laut einer früheren Studie von TNS Infratest wäre nur jeder fünfte Verbraucher bereit, überhaupt für eine unabhängige Beratung zu zahlen, in der Regel weniger als 150 Euro. Was kann bzw. muss sogar getan werden, um hier einen Bewusstseinswandel zu erreichen?
Richtig ist, dass Honorarberatung bei Versicherungen mit geringen Jahresprämien schwierig ist, einfach deshalb, weil eine zeitangemessene Honorarberatung sehr viel teurer ist als die in der Jahresprämie typischerweise enthaltene Provision. Das allerdings war schon immer so. Wenn also in der Vergangenheit ein Makler bereit war, für 15 oder 20 Euro eine Beratung für eine private Haftpflichtversicherung durchzuführen, dann fragt es sich umgekehrt, warum er das heute nicht tun sollte. Offenbar war ihm der Kunde das wert, vielleicht weil es sich um eine Einstiegsberatung mit der Chance auf Folgeverträge gehandelt hat.
Wenn sich die Honorarberatung durchsetzen soll, müssen auch die Versicherer entsprechende Nettopolicen anbieten. Wie ist hier der aktuelle Stand? Wo gibt es Widerstände auch von Seiten der Versicherer gegen die Honorarberatung?
Sie haben recht, wenn sich Honorarberatung flächendeckend durchsetzen soll, dann benötigen die Vermittler echte Nettopolicen. Es gibt einige, aber wenige, Anbieter von Nettopolicen. Der Grund aus Sicht der Versicherer liegt auf der Hand: Die Nettopolice legt den wirklichen Preis der Versicherung offen. Ein Versicherer, der mit gebundenem Vertrieb auf der einen und Maklervertrieb auf der anderen Seite arbeitet, würde also quasi gegen sich selbst Wettbewerb eröffnen. Um das zu verhindern, versuchen die Versicherer beim System der Bruttopolice zu bleiben, solange es irgend geht.
Besteht nicht tatsächlich ein Interessenkonflikt, wenn Versicherungsmakler einerseits gegen Honorar beraten, an anderer Stelle aber gegen Provision?
Ein Interessenkonflikt sehe ich nicht, solange der Makler offenlegt, ob er gegen Honorar oder gegen Provision berät und, die Höhe in jedem Falle ebenfalls offenlegt. So sieht das übrigens auch das Gesetz – der Grundgedanke des Handelsgesetzbuches ist seit alters her, dass der Makler von beiden Seiten, und zwar hälftig, honoriert wird (§ 93 HGB).
Wie sieht es mit der Haftung des Honorarberaters für seinen Rat aus? Hier sind Makler ja sehr stark in der Pflicht. Droht eventuell eine Haftungslücke zum Nachteil des Kunden, wenn Honorarberater etwa allgemein beraten, aber der Kunde sich um die konkrete Police selbst kümmern muss?
Der Honorarberater haftet für seinen Rat genauso wie der Makler nach § 63 VVG. Wenn er falsch oder unvollständig berät, dann haftet er also auf Schadensersatz. Die Annahme, dass der Kunde sich um die Police selbst kümmern muss, ist heute nicht mehr zutreffend, denn der Honorarberater darf nach dem neuen Recht die Police auch vermitteln.