Gilt das Provisionsabgabeverbot noch?

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„Totgesagte leben länger“. Dieses alte Sprichwort passt zumindest auf das Provisionsabgabeverbot (ProbAbgV) - vorerst aber nur befristet. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hatte es bereits in Absprache mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) „zu Grabe getragen“, es aber doch nicht beerdigt. Ein Gastkommentar von Wilfried E. Simon, 1. Stv. Vorsitzender der Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM) und Dozent für Versicherungsrecht.

Im neuen Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), das am 1.1.2016 in Kraft trat, gilt das Bundesfinanzministerium (BMF) nach wie vor als ermächtigt, die Abgabe von Sondervergütungen an Versicherungskunden zu verbieten (§§ 298 Abs. 4 VAG 2016 -zuvor). Rechtslagen dafür sind: Die Verordnung zur Sachversicherung vom 17.8.1982, die Bekanntmachungen des Reichsaufsichtsamts zur Lebensversicherung vom 8.3.1934 und zur Krankenversicherung vom 5.6.1934.

Im Oktober 2015 sah der Verordnungsentwurf zum § 298 VAG 2016 vor, diese mit Wirkung ab dem 1.1.2016 außer Kraft zu setzen. Dagegen liefen Versicherer und Vermittlerverbände Sturm; eine seltene Einigkeit. Das BMF ließ deshalb eine Anhörung zu.

Die IGVM hatte in diesem Zusammenhang die Stellungnahme zum ProvAbgV gegenüber der BaFin vom 23.5.2012 und ein Urteil des Landgerichtes Köln dort eingereicht. Damit wurde dem Ausschuss vor Augen geführt, was daraus werden kann, wenn das Verbot kippt. Denn ein Kölner FinTech-Unternehmen lockte Versicherungskunden mit dem Versprechen, die Hälfte der empfangenen Courtagen an diese zu zahlen. Im Gegenzug schloss das als Versicherungsmakler registrierte Unternehmen rechtswidrig sowohl die Beratung als auch die Haftung gegenüber den beitretenden Mitgliedern in ihren AGB einfach aus. Die Beratung und die Übernahme der Haftung sei gesetzliche Pflicht, die nicht durch AGB einfach ausgeschlossen werden könne, urteilte das LG Köln und verurteilte das beklagte Unternehmen, dies zu unterlassen.

Die Weitergabe der hälftigen Courtage beanstandete das Gericht jedoch nicht. Gegen diesen Punkt der Entscheidung ging das IGVM-Mitglied Harald Banditt in die Berufung. Das OLG Köln hat die mündliche Verhandlung auf den 21.10.2016 terminiert.

Der BMF-Ausschuss erkannte die Auswirkungen bei Wegfall des ProvAbgV

Dass dies absolut nicht im Sinne des Verbraucherschutz und somit schon gar nicht dem Sinn und Zweck der Versicherungsvermittlergesetze entspricht, wurde den Ausschussmitgliedern damit eindrucksvoll vor Augen geführt. Am 15.12.2015 wurde die Endfassung der Verordnung zu 298 Abs. 4 VAG erlassen. Dort ist in Artikel 5 bestimmt, dass die Verordnung und die beiden Bekanntmachungen erst ab dem 1.7.2017 außer Kraft treten. Bis dahin soll das BMWi darüber befinden, ob es in Deutschland mit der Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) ein generelles Provisions-/Courtageverbot geben soll. Das gilt gegenwärtig zumindest als sehr unwahrscheinlich. Durch diesen Sinneswandel des BMF wird ganz deutlich, dass das BMF aktuell von der Gültigkeit des Verbots ausgeht und es nicht für verfassungswidrig erachtet. Denn sonst hätte man Änderungen des VAG unschwer vornehmen können.

Der Wegfall des ProvAbgV führt zur Beratungspiraterie

Was passiert aus Sicht der Versicherungsmakler, wenn das ProvAbgV wirklich kippt? Abschlusswillige Interessenten könnten sich von mehreren Versmaklern unabhängig beraten und sich eine Tarif- und Versichererempfehlung geben lassen. Zielgerichtet können sie damit einen anderen Vermittler mit der Antragserstellung und Vermittlung beauftragen und sich dafür zum Beispiel die Hälfte der Provision/Courtage zusagen lassen.

Dies ist natürlich von besonderem Interesse bei der Lebens- und Krankenversicherung. Eine Beratung, z. B. über eine Berufsunfähigkeitsversicherung, nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, wenn es richtig gemacht wird. Durchschnittlich neun Stunden müssen VersM bis zum Vertragsabschluss aufwenden, denn die Risikovoranfrage, der wiederum die Anforderungen der Patientenakte bei allen Heilbehandlern und die GKV-Auskunft vorausgehen sollte, gehört genauso dazu, wie der Abgleich der Versicherungsbedingungen der in Betracht kommenden Versicherer.

Der Berater schaut „in die Röhre“, wenn er keinen Abschluss verzeichnet

„Außer Spesen nix gewesen“. Das zumindest gilt, wenn der Abschluss über einen anderen Vermittler erfolgt oder übers Internet - jeweils mit Provisions- oder Courtageabgabe. Da dieser Vermittler ja die aufwendige Beratung spart, ist die hälftige Vergütungsabgabe schließlich noch ein gutes Geschäft für ihn. Der künftige Versicherungskunde, durch die EURO-Zeichen in den Augen geblendet, denkt dabei vermutlich auch nicht daran, dass auch mal der Leistungsfall eintreten kann und er dann auf fachkundige Unterstützung durch seinen Vermittler angewiesen ist. Einer von vier Versicherten wird statistisch berufsunfähig. Ob er den fachkundigen Experten und Unterstützer in dem Vertreter eines Versicherers findet, darf alleine wegen dessen Loyalitätspflichten gegenüber seinem Geschäftsherrn eher bezweifelt werden. Aber schon kleinste Fehler in der Leistungsfallbearbeitung können Ansprüche zunichte machen.

Was muss geschehen, wenn das ProvAbgV kippt?

Die herrschende Meinung in der Literatur geht davon aus, dass es VersM nicht gestattet ist, Verbraucher gegen Honorar zu beraten, wenn diese unabhängig vom Vermittlungserfolg erfolgen soll. VersM ist dies erlaubt, soweit es sich bei den Beratenen um Nichtverbraucher handelt (§ 34d Abs. 1, S. 4 GewO). Hier muss der Gesetzgeber handeln, und für klare Rechtsgrundlagen sorgen, denn qualifizierte Beratung kann nicht zum Nulltarif erwartet oder gar verlangt werden. Eine Doppelerlaubnis als Versicherungsberater für VersM wäre eine solche Maßnahme, die aber einige IHKn VersM nicht erteilen.

Für solche Änderungen tritt die IGVM ein, damit VersM für qualifizierte Dienstleistung auch angemessen vergütet werden. VersM haben insgesamt 18 Pflichtenkreise bei ihrer Arbeit zu beachten und werden vom BGH deshalb auch völlig zu Recht als Experten eingestuft, zu vergleichen mit anderen Beratern.