Versichert und verloren: Der Fall Daniel Bernert

Versicherungsstreit: Claudia Bernert kämpft seit 30 Jahren um eine angemessene Entschädigungsleistung für ihren Sohn. 1984 kam ihr Sohn Daniel schwerstbehindert zur Welt - durch einen Behandlungsfehler bei seiner Geburt, davon ist sie überzeugt. Seither versucht Familie Bernert von den Haftpflichtversicherern des Arztes und der Hebamme Schadensersatz für ihren Sohn Daniel zu bekommen (der Versicherungsbote berichtete).

Durch alle Instanzen

Nach 30 Jahren ist der Fall Daniel Bernert - auch nach Gang durch die Instanzen - noch immer nicht endgültig in allen Belangen entschieden. Einer der Hauptgründe dafür liegt laut einem ARD Bericht in einem wohl zweifelhaften Gutachten, gegen die sich die nunmehrig neue Klage von Frau Bernert richtet. Wie hoch die Versicherungssumme der Haftpflichtversicherung des verklagten Gutachters ist, dies wurde im Bericht nicht erwähnt. Ebenso unerwäht blieb, ob der ganze Fall neu aufgerollt werden könnte, wenn sich herausstellt, dass das streitgegenständliche Gutachten tatsächlich falsch oder fehlerhaft war.

Allianz bot 1,8 Millionen

Versicherer des Arztes und der Hebamme sind nach Angaben des Fernsehberichtes die Allianz Versicherung und die Bayrische Versicherungskammer. Die Allianz Versicherung habe Frau Bernert nach dem letzten Prozess 1,8 Mio. Euro Schadenersatz angeboten; das sei mehr als der Betrag, zu deren Leistung die Allianz Versicherung verurteilt wurden war. Frau Bernert hat das Angebot abgelehnt, weil das Geld nach ihren Angaben bereits nach 15 Jahren für die Pflegeleistungen des Sohnes verbraucht wäre. Ob die Bayrische Versicherungskammer ebenfalls ein über das Urteil hinausgehendes Angebot an Frau Bernert abgegeben hat, blieb im Bericht unerwähnt. Überhaupt wurde im Bericht mehr auf die Allianz als die Bayrische Versicherungskammer eingegangen. Die Gründe dafür blieben ebenfalls unklar.

Versicherer-Netzwerke

Der Bericht des ARD beleuchtet auch Netzwerke, die zwischen der Versicherungswirtschaft, der Politik, Gutachtern und weiteren Beteiligten bestehen. So meint Rechtswissenschaftler Prof. Wolfgang Schünemann, dass die Versicherungskonzerne inzwischen die Versicherungswissenschaft beherrschen und dadurch die Politik beeinflussen. Diese Einflussnahme gehe durch "Sponsoring" der Versicherungswirtschaft über Fördervereine bereits bis in die Hochschulen hinein. Schünemann spricht gar von einer "gut geölten Maschinerie" bis hin zur wechselseitigen Weiterbildung von Richtern (also der Justitz) durch die Versicherungswirtschaft und auch umgekehrt.

Eine große Rolle spiele darüber hinaus die erfolgreiche Lobbyarbeit der Versicherungswirtschaft. Ehemalige Politiker sitzen später in den Etagen der Versicherungskonzerne. Dazu werden Beispiele genannt, u.a. der Weg des ehemaligen Gesundheitsministers Bahr von der Politik hin zur Allianz.

Versicherten-Netzwerke

Inzwischen versuchen Geschädigte eigene Netzwerke aufzubauen um sich gegen von Versicherern bei Gericht vorgelegte Pauschalgutachten zu wehren. Christian Federl, der ebenfalls Bekanntschaft mit seiner Meinung nach fragwürdigen Gutachtern machte, gründete aufgrund seiner Erfahrungen die Unfallakte24 gemeinnützige UG (haftungsbeschränkt). Initiator Federl ist nach seinen Aussagen selbst seit über 25 Jahren Unfallgeschädigter. Er hat erreicht, dass der betreuende Arzt des Deutschen Skiverbandes, Dr. med. Uwe Glatzmaier gerichtlich als befangen erklärt wurde. Im Bereich einer Unfallbegutachtung wurde (laut Homepage von Unfallakte24) durch Gerichtsbeschluss einem weiteren Befangenheitsantrag stattgegeben, hier gegen Herrn Prof. Dr. med. Andreas Stevens.

Rechtsschutzversicherung ist wichtig

Einmal mehr zeigt der von der ARD beschriebene Fall Bernert, dass eine Rechtsschutzversicherung zu den wichtigen Versicherungen zu zählen ist. Ohne Rechtsschutzversicherung ist es den Versicherten oft unmöglich für ihr Recht zu kämpfen, da die Streitwerte hoch und die Kosten gewaltig sind.

Dies gilt nicht nur für Fälle wie am Beispiel Bernert in der ARD Sendung beschrieben, sondern auch für selbst abgeschlossene Versicherungsverträge, so z.B. im Personenversicherungsbereich. Hierzu zählen z.B. Berufsunfähigkeits-, Unfall- und Lebensversicherungen, aber auch Dread Disease Policen (Absicherung der Folgen schwerer Krankheiten), Multiinvaliditätsversicherungen sowie Erwerbsunfähigkeits- und Grundfähigkeitsversicherungen. Kommt es hier im Leistungsfall zum Streit mit dem Versicherer, dann sind die Kosten eines Rechtsstreites ebenfalls sehr hoch. Nicht selten müssen Versicherte ihre Hoffnung auf Leistung aufgeben oder sich mit für sie ungünstigen Vergleichen zufrieden geben, weil das Geld für einen Rechtsstreit schlichtweg fehlt.

Sendung in ARD-Mediathek verfügbar

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels hier war die Sendung noch in der ARD-Mediathek verfügbar. Der Titel der Sendung, die am Montag, den 17.08.2015 ausgestrahlt wurde, lautet "Versichert und verloren – Die zweifelhaften Methoden der Versicherer".