Aktuell legte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einen Entwurf zu Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vor. Der Entwurf sieht unter anderem vor, kartellrechtliche Vorschriften auch auf das Wettbewerbsverhalten der Krankenkassen untereinander und zu ihren Versicherten anzuwenden.
Bereits mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) wurden Kartellverbot und Missbrauchsaufsicht zwischen der Krankenkassen und Leistungserbringern geregelt. Der GWB-Gesetzesentwurf würde diese Vorgaben nun für die Krankenkassen wirksam machen. Das heißt: Unter anderem werden das Kartellverbot sowie die Kontrolle über Zusammenschlüsse von Vereinigungen auch für die GKV gelten. Das Bundeskartellamt wäre damit künftig befähigt, Einfluss auf die Möglichkeit der Vereinigung von Krankenkassen zu nehmen. Im November letzten Jahres hatte das Hessische Landgericht festgestellt, dass das Bundeskartellamt für Krankenkassenfusionen nicht zuständig ist (versicherungsbote.de informierte: Kartellamt stoppt Kontrollen bei Krankenkassenfusionen). Eine gesetzliche Regelung hierfür fehlte.
Für die gesetzliche Krankenversicherung sollen außerdem die Verfahrensvorschriften des Gesetzes für unlauteren Wettbewerb (§12 UWG) wirksam werden. Künftig wären dann auch nicht mehr Sozialgerichte für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten der Kassen untereinander zuständig, sondern Zivilgerichte. Das Bundeskartellamt begrüßte diese Zuständigkeit: Auch Vergaberechtskonflikte würden bereits zivilgerichtlich gelöst werden können - die Zuweisung trage also der Einheitlichkeit der Kartell- und Vergaberechtsanwendung zutreffend Rechnung.
Grundsätzlich werde durch die Gesetzesänderung sichergestellt, dass die wettbewerblich organisierten Bereiche des Gesundheitssystems vor Verzerrungen geschützt werden und so das gesetzgeberische Wirtschaftlichkeitsziel besser erreicht werden könne. Dafür sei nach Auffassung des Bundeskartellamtes nicht ausreichend, dass aktuell für die Vertragsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und ihren Leistungserbringern nur die Missbrauchskontrolle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 19-21 GWB) für entsprechend anwendbar erklärt wird. Auch das Kartellverbot des § 1 GWB müsse anwendbar sein: „Es ist widersprüchlich, den Krankenkassen ein kartellrechtswidriges Verhalten – den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung – zu untersagen, wenn die Ursache, die ihnen ein solches Verhalten ermöglicht – nämlich die gesetzliche Ausnahme vom Kartellverbot – nicht beseitigt wird“, so das Kartellamt.
GKV-Verband: Wettbewerbsrecht steht über Patientenwohl
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung lehnt den neuen Gesetzesentwurf ab. Der bisherige Wettbewerb der Kassen untereinander sei kein Selbstzweck: „Die vorgesehene Umsetzung einer umfassenden Einführung der Kartellbestimmungen würde jedoch dazu führen, dass Beschlüsse und Entscheidungen der Krankenkassen und ihrer Kassenartenverbände grundsätzlich dem Kartellverbot unterliegen. Damit droht - unter den besonderen Rahmenbedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung - das Wettbewerbsrecht über dem Patientenwohl zu stehen“ heißt es in der Stellungnahme.
Weitere sozialrechtliche Bestimmungen würden mit den Kartellbestimmungen in Konflikt stehen: Im Sozialgesetzbuch (SGB) sind die Krankenkassen im Interesse von Wirtschaftlichkeit und Gleichmäßigkeit der Versorgung vielfach ausdrücklich zum gemeinsamen Handeln aufgefordert. Strukturveränderungen im derzeitigen Wettbewerb, so der Verwaltungsrat des GKV-Verbandes, würden mit dieser Aufgabe im Konflikt stehen. Laut Bundeskartellamt sollten allerdings Leistungsbereiche, in denen der Gesetzgeber ein kollektiv abgestimmtes Verhalten von Leistungserbringern und von Krankenkassen für zwingend erforderlich hält, künftig nicht vom Kartellverbot erfasst sein.
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Krankenkassen unterliegen „besonderen Rahmenbedingungen“
Der GKV-Verband wies darauf hin, dass die Krankenkassen besonderen Rahmenbedingung unterliegen, welche die einfache Anwendung des Kartellrechtes erschweren. Hierzu zählen neben dem gesetzlichen Zusammenarbeitsgebot auch der gesetzlich vorgegebene Leistungskatalog, der Kontrahierungszwang die verpflichtende Bildung von Haftungsgemeinschaften konkurrierender Krankenkassen sowie vor allem der gesetzliche Versorgungsauftrag. Aufgrund dessen fordert der Verband eine sozialrechtsspezifische Wettbewerbsregelung.
Konsequent wäre es, die Wettbewerbsordnung unmittelbar im Sozialgesetzbuch mit entsprechenden Zuständigkeiten der Sozialgerichte und ohne undifferenzierte Verweisungen in das Kartellrecht zu verankern, so der Verband. Zudem lehnt er parallele Aufsichtskompetenzen nach dem Sozialrecht und dem Wettbewerbsrecht ab. Diese würden vielmehr zu Wertungswidersprüchen und neuer Bürokratie führen.
Die Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes sowie die Stellungnahme des Bundeskartellamtes (PDF-Dokumente) sind online einsehbar.