Pläne des Arbeitsministeriums: Zwang zur Rentenvorsorge zukünftig auch für Selbstständige

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will bereits ab dem kommenden Jahr eine verpflichtende Altersvorsorge für Selbstständige einführen. Den Sparern bleibt freigestellt, ob sie sich privat oder gesetzlich versichern. Wer kein Geld zurücklegt, soll jedoch in die gesetzliche Rentenversicherung gezwungen werden.

Die Selbstständigkeit boomt! Rund 4,3 Millionen Deutsche sind im Jahr 2010 selbstständig gewesen – Das sind 40 Prozent mehr als noch im Jahr 1991. Doch ein Garant für Wohlstand ist das eigene Unternehmertum schon längst nicht mehr. Rund ein Viertel aller Selbstständigen verdient weniger als 1.100 Euro im Monat, nicht wenige sind auf die Unterstützung der Arbeitsagentur angewiesen.

Da keine Rentenversicherungspflicht für die meisten Selbstständigen besteht, sind besonders die Geringverdiener unter ihnen von Altersarmut bedroht, wenn sie nicht rechtzeitig und im ausreichenden Maße für den Lebensabend vorsorgen. Doch nun will Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen die Freiberufler zur Altersvorsorge verpflichten. Übereinstimmend berichten heute die Süddeutsche Zeitung und die Berliner Zeitung von einem Eckpunktepapier des Arbeitsministeriums, wonach eine Vorsorgepflicht für Selbstständige bereits ab dem Jahr 2013 in Kraft treten könnte.

Trotz Zwang: „Größtmögliche Freiheit der Vorsorge“

Entsprechend dem Eckpunktepapier sollen Freiberufler zukünftig die „größtmögliche Freiheit“ haben, für welche Vorsorgeform sie sich entscheiden. Zur Wahl stehen eine private oder gesetzliche Rentenversicherung, eine Lebensversicherung oder die Rürup-Rente. Hinsichtlich der Verwendung der Rentengelder bestehen jedoch strikte Einschränkungen. Laut Süddeutsche Zeitung dürfen die Versicherungsansprüche „nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar“ sein. Freiberufler ohne private Altersvorsorge werden gezwungen in die gesetzliche Rentenkasse einzuzahlen.

Nach dem derzeitigem Stand sind allerdings zahlreiche Ausnahmeregelungen geplant:

  • Zunächst soll die Altersvorsorgepflicht uneingeschränkt für alle Freiberufler gelten, die bei Inkrafttreten der neuen Regeln jünger als 30 Jahre sind.

  • Selbstständige zwischen 30 und 50 Jahren profitieren von Übergangsregelungen und müssen lediglich nachweisen, dass sie bereits Beiträge zu Lebens-und Rentenversicherungsverträgen zahlen oder ihre Altersabsicherung über Immobilien und Privatvermögen sichern können.

  • Keine Vorsorgepflicht besteht für Selbstständige, die das 50. Lebensjahr bereits überschritten haben.

  • Ausgenommen von den Neuregelungen sind ebenfalls nebenberuflich Selbstständige, Freiberufler mit einem Verdienst von weniger als 400 Euro sowie Mitglieder der Künstlersozialkasse. Auch sie werden nicht zur Altersvorsorge verpflichtet.

  • Ärzte, Rechtsanwälte und Architekten, die in berufsständischen Versorgungswerken organisiert sind, müssen ebenfalls keine Vorsorge nachweisen.

Zusatzrente über dem Niveau der Grundsicherung

Das Arbeitsministerium strebt mit der geplanten Neuregelung das Ziel an, auch Selbstständigen eine Basisrente über dem Niveau der Grundsicherung von derzeit rund 700 Euro zu gewährleisten. Für die Freiberufler könnte die geplante Versicherungspflicht allerdings eine deutliche Mehrbelastung bedeuten. Bei 45 Versicherungsjahren rechnet das Ministerium mit Monatsbeiträgen von 400 Euro, wovon 250-300 Euro für die Alterssicherung zur Verfügung stehen sollen und 100 Euro für die Erwerbsminderungsrente. "Wenn wir es schaffen, das umzusetzen, ist dies ein riesiger sozialpolitischer Fortschritt", sagte CDU-Rentenexperte Peter Weiß der Süddeutschen Zeitung.

Opposition befürchtet Mehrkosten für die Mitglieder der gesetzlichen Rentenkassen

Kritik an den Plänen des Arbeitsministeriums kam von Gewerkschaften und Oppositionsparteien. Wolfgang Strengmann-Kuhn, rentenpolitischer Sprecher der Grünen, bezeichnete das Gesetzesvorhaben als „unausgegoren“. Es sei abzusehen, dass ähnlich wie bei der privaten Krankenversicherung Wohlhabende sich privat versichern, während Ärmere mit hohem Erwerbsminderungsrisiko nur in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgenommen werden. „Dadurch wird es für die gesetzliche Kasse deutlich teurer werden“, kritisierte der Grünen-Politiker. Die höheren Kosten müsste dann die Gemeinschaft der Versicherten tragen.

Ähnlich äußerte sich Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund. Wenn die Selbsständigen zukünftig zwischen privater und gesetzlicher Rente wählen dürften, einschließlich der bisher rund 260.000 pflichtversicherten Handwerker, so untergrabe dies die Finanzierungsbasis der Rentenversicherung. „Das Ganze ist ein weiteres Förderungsprogramm für private Versicherungen“, so Buntenbach.