DIW-Konjunkturexperten rechnen mit kräftigem Wirtschaftswachstum ab Mitte 2012

Weltweit sind nur geringe Wachstumsraten zu erwarten

Die Weltwirtschaft dürfte zunächst deutlich geringer wachsen als in den vergangenen Jahren. „Mit knapp vier Prozent in 2012 und 2013 bleiben die Raten zwar relativ hoch. Das ist aber vor allem den weiterhin stark wachsenden Schwellenländern zu verdanken“, sagt Ferdinand Fichtner. In den Industrieländern seien vielfach nur geringe Wachstumsraten zu erwarten. „Vor allem in der ersten Jahreshälfte bleiben Produktion und Welthandel gedämpft, erst im weiteren Verlauf ist mit mehr Dynamik zu rechnen“, sagt DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner. Ursache für die schwerfällige Konjunkturentwicklung ist vor allem die hohe Verschuldung der Staaten und Privathaushalte, die den privaten Konsum dämpft und die Spielräume für konjunkturstützende staatliche Nachfrage eng begrenzt. Vielfach ist zudem die im Zuge der Rezession stark gestiegene Arbeitslosigkeit bisher nur wenig zurückgegangen. Gleichzeitig sind in vielen Ländern die Inflationsraten relativ hoch, so dass die Kaufkraft zusätzlich durch stark steigende Preise gemindert wird und die Zentralbanken gerade in den Schwellenländern die Konjunktur durch eine weniger expansive Geldpolitik zusätzlich dämpfen.

Die Wirtschaft im Euroraum rutscht wegen der Schuldenkrise ins Minus

Vor allem im Euroraum schlägt sich die aus der hohen Verschuldung resultierende Vertrauenskrise in einem schwachen Wachstum nieder. „Die Investitionstätigkeit und der Konsum im Euroraum werden deutlich zurückgehen“ sagt Ferdinand Fichtner. „Die hohe Arbeitslosigkeit und die immer noch starke Inflation schmälern die Kaufkraft, und die Unternehmen halten sich mit Investitionen erst mal zurück.“ Gleichzeitig dürfte die Auslandsnachfrage schwächer ausfallen als in den letzten beiden Jahren. „Der Euroraum muss sich auf eine Nachfrageschwäche auf breiter Front einstellen“, so Fichtner. Für dieses Jahr prognostiziert das DIW Berlin daher einen leichten Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts des Euroraums. 2013 sollte die Wirtschaftsleistung dann mit gut einem Prozent wieder etwas anziehen. „Voraussetzung für eine Erholung der Konjunktur im Euroraum im nächsten Jahr ist aber, dass die Politik die Krise in den Griff bekommt“, sagt Ferdinand Fichtner. „Falls die Schuldenkrise sich weiter verschärft und zum Beispiel Frankreich angesteckt wird, dann wird die Rezession erheblich stärker ausfallen.“


Die Beschlüsse, die die EU-Staats- und Regierungschefs Mitte Dezember in Brüssel getroffen haben, leisten nach Einschätzung des DIW Berlin keinen entscheidenden Beitrag zur unmittelbaren Lösung der Schuldenkrise, könnten aber in Zukunft zu einer höheren Stabilität der Währungsunion beitragen. „Die Krise gibt der deutschen Bundesregierung Rückenwind im Bemühen um eine stärkere fiskalpolitische Koordinierung in Europa“, bewertet Fichtner die Beschlüsse positiv, warnt aber gleichzeitig vor den Gefahren einer solchen mittel- und langfristig angelegten Strategie: „Die Verunsicherung beeinträchtigt bereits jetzt die Konjunktur und auch die Geschäftsbeziehungen zwischen den Banken. Die Politik sollte den Bogen also nicht überspannen und sich mit der Reform der europäischen Institutionen zu viel Zeit lassen, sonst sind wir plötzlich wieder in einer Situation wie nach dem Lehman-Kollaps.“