100 Millionen Schaden durch Falschabrechnung

Die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) hat nach eigenen Angaben allein im vergangenen Jahr 100 Millionen Euro von Krankenhäusern zurückgefordert. Zwar würde es der Ersatzkasse fern liegen, Kliniken unter Generalverdacht zu stellen. Der Krankenhaus Experte der DAK, Peter Rowohlt, fordert den Abbau bürokratischer Hürden bei der Ahndung von Falschabrechnungen.


Die DAK fordert mehr Handhabe bei Kliniken, die absichtlich falsch mit Krankenkassen abrechnen. „Allein wir haben im vergangenen Jahr 100 Millionen Euro von Krankenhäusern zurückgefordert. Das sollte Gesundheitspolitikern zu denken geben“, sagt Peter Rowohlt, Krankenhaus-Experte der DAK.

Es liege der DAK fern, Kliniken unter Generalverdacht zu stellen, betont Rowohlt. „Die meisten sind professionell aufgestellt und rechnen korrekt ab. Großen Schaden richten wenige schwarze Schafe an.“ Um einzelne Häuser stärker ins Visier nehmen zu können, fordert die DAK den Abbau bürokratischer Hürden.

Bessere Kontrollen bei Häufung von Einzelfällen

„Vor allem bei den Stichprobenprüfungen muss sich schleunigst etwas ändern. Es muss zum Beispiel möglich sein, dass wir eine strukturierte Gesamtprüfung einleiten können, wenn sich Einzelfälle in einem Krankenhaus häufen“, fordert Rowohlt. Bisher müssen mehrere Krankenkassen mehrheitlich für eine solche Kontrolle stimmen.
Falschabrechnungen werden dann pauschal mit einer Aufwandsentschädigung abgegolten. „In Zeiten des Wettbewerbs ist dies eine absurde Regelung“, so Rowohlt.

Entsprechend selten ist die Stichprobenprüfung im Einsatz – zwischen 14 und 38 Häuser werden nach Angaben des Bundesrechnungshofes pro Jahr unter die Lupe genommen. Effektiver sind für die Kassen so genannte Einzelfallprüfungen, bei denen sie direkt das zuviel gezahlte Geld zurückerhalten.

Kontrollen drastisch oder ersatzlos zu reduzieren, hält die DAK für kontraproduktiv. „Das wäre so ähnlich, als würde die Bahn Fahrkartenkontrolleure entlassen, weil es zu viele Schwarzfahrer gibt“, sagt der Krankenhaus-Experte.

Zwei von fünf Abrechnungen fehlerhaft

Zwei von fünf Rechnungen, die von gesetzlichen Kassen geprüft werden, sind nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes nicht korrekt. Der Schaden liege insgesamt bei mindestens 850 Millionen Euro, wahrscheinlich sogar mehr als einer Milliarde Euro.

Kleinste Manipulationen bei den Diagnose- oder Behandlungsziffern können die Kassen viele Tausend Euro kosten. Nach Angaben des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung werden 10 bis 12 Prozent aller Rechnungen geprüft. Bei 40 Prozent werden Unzulänglichkeiten entdeckt. Im Schnitt werden pro Fall rund 1.100 Euro zu Gunsten der Krankenkasse fällig.

100 Millionen Euro hat die DAK durch Falschabrechnungen pro Jahr zurückgeholt. Drei Beispiele aus der Praxis:

Beispiel 1:
Eine Ziffer bringt 720.000 Euro

Krankenhäuser rechnen üblicherweise bei Geburten die gesunden Neugeborenen mit der Leistungsziffer DRG P67D ab, wenn keine Komplikationen auftreten. Kostenpunkt: Rund 800 Euro. Kodiert man als Nebendiagnose aber die ICD-10-Kennzahl "Z73- Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung" oder "Z74 - Probleme in Bezug auf Pflegebedürftigkeit" hinzu (im Fachjargon: Hilflose Person), springt die DRG um einen Schweregrad in die P67C und der Fall ist auf einmal 2.000 Euro wert.
Eine Klinik hat gegenüber der DAK 600 dieser so finanziell aufgewerteten Fälle eingestanden. Schaden: 720.000 Euro.

Beispiel 2:
Riskante Behandlung statt Standardtherapie

Bei einer 76-Jährigen Krebspatientin wurden hochriskante Behandlungsprozeduren durchgeführt, die bei über 70-Jährigen ohne Nachweis eines zusätzlichen Nutzens maximale Risiken für tödliche Komplikationen aufweisen. In Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Patientenschutzes sind solche Behandlungen nur in Studien nach Genehmigung durch die Ethikkommission zulässig. Und das, obwohl eine erprobte und nebenwirkungsarme Standardtherapie in ambulanter Behandlungsform zur Verfügung gestanden hätte. Kosten für die Sonderbehandlung: 117.702 Euro

Beispiel 3:
Doppelte Abrechnung mit Stammzellen

Bei einem Kind wurde in einer Universitätsklinik die Gabe von über 50 Einheiten von Stammzellen zum Preis von über 600.000 Euro zusätzlich zur Behandlungspauschale für die Erkrankung des Kindes in Rechnung gestellt. Mittlerweile war diese Behandlung aber in die Behandlungspauschale einkalkuliert worden – die Abrechnung war gar nicht zulässig.

DAK