Die Bundesregierung hat das Altersvorsorgereformgesetz, die Frühstart-Rente und eine neue Rentenkommission auf den Weg gebracht. Aus Sicht der Versicherer bleiben derweil wichtige Stellschrauben offen.
Die Bundesregierung hat einen zentralen Baustein ihrer Rentenpolitik beschlossen: Mit dem Altersvorsorgereformgesetz, den Eckpunkten zur Frühstart-Rente und der Einsetzung einer neuen Rentenkommission soll das deutsche Vorsorgesystem umfassend modernisiert werden. Der Gesetzgeber setzt damit auf mehr Kapitalmarktnähe, geringere Komplexität und eine stärkere Ausrichtung auf die Bedürfnisse jüngerer Generationen. Aus Sicht der Versicherungswirtschaft ist der Reformansatz grundsätzlich positiv, aber noch nicht mutig genug.
„Die Politik setzt bei der Altersvorsorge stärker auf kapitalgedeckte Elemente – das ist richtig. Viele Länder sind diesen Weg bereits vor über 20 Jahren gegangen. Dieser Ansatz ist eine notwendige Antwort auf den rapiden demografischen Wandel“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Das Herzstück der Reform ist die Neugestaltung der geförderten privaten Altersvorsorge. Künftig sollen Sparer zwischen drei Garantiestufen wählen können: 100, 80 oder 0 Prozent Beitragserhalt. Diese Wahlfreiheit soll Flexibilität schaffen und höhere Renditechancen ermöglichen, da mehr Kapital in den Markt fließen kann. In der Rentenphase bleibt die klassische lebenslange Absicherung möglich. Neu ist jedoch, dass Produkte auch mit abgesenkten Garantien arbeiten können. Eine garantierte Sockelrente soll dabei sicherstellen, dass ein Mindestniveau an Versorgung bis ins hohe Alter gewährleistet bleibt.
Der Versichererverband sieht dennoch deutlichen Nachbesserungsbedarf. Die Beschränkung auf genau drei Garantiestufen sei ein unnötiger Kompromiss. Stattdessen solle ein „Garantie-Schieberegler“ eingeführt werden, der eine feinere Abstimmung zwischen Sicherheit und Renditechancen erlaubt. Damit könnten Sparer ihre Vorsorge stärker personalisieren und an die eigene Risikobereitschaft anpassen.
Kritisch bewertet der GDV außerdem die Möglichkeit, beim Anbieterwechsel erneut Abschlusskosten auf das bereits angesparte Kapital zu erheben. Ein solcher Schritt würde aus Sicht der Versicherer den Wettbewerb verzerren und Verbraucher belasten. Wechsel sollten möglich sein, aber nicht zu doppelten Kosten führen. Darüber hinaus fordert der Verband die Abschaffung der gesetzlich vorgeschriebenen Beratungspflicht beim digitalen Direktvertrieb. Andernfalls sei ein echter Wettbewerb der Standardprodukte kaum möglich. „Nach heutiger Gesetzeslage wären Versicherer beim Standardprodukt zur Beratung verpflichtet, andere Anbieter aber nicht – aus unserer Sicht sind das unfaire Wettbewerbsbedingungen“, sagt Asmussen gegenüber dem "Handelsblatt".
Frühstart-Rente: Zusätzliche Einzahlungen ermöglichen
Flankiert wird die Reform durch die geplante Frühstart-Rente: Kinder ab sechs Jahren sollen künftig automatisch ein staatlich gefördertes Vorsorgedepot erhalten, in das der Staat monatlich zehn Euro einzahlt. „Mit der Frühstart-Rente wird dort angesetzt, wo Altersvorsorge am wirksamsten ist: bei der Zeit. Wer früh investiert, gibt dem Kapital Jahrzehnte, um zu wachsen. Das ist kein kurzfristiger Effekt, sondern ein Beitrag zu mehr Generationengerechtigkeit und auch zu mehr finanzieller Bildung“, so Asmussen.
Für die Versicherungsbranche ist bei der Frühstart-Rente vor allem wichtig, dass zusätzliche Einzahlungen zulässig bleiben und das Kapital später problemlos in ein erwachsenes Förderprodukt überführt werden kann. Damit könnte die Reform früh die Weichen stellen für eine breitere Vorsorgekultur.
Gleichzeitig setzt die Bundesregierung eine neue Rentenkommission ein, die das gesamte Alterssicherungssystem einer langfristigen Prüfung unterziehen soll. Dabei geht es nicht nur um die Zukunft der gesetzlichen Rente, sondern um die Frage, ob das gesamte System für die jüngere Generation auch in mehreren Jahrzehnten noch tragfähig und gerecht ist. Die Versicherer betonen, dass die Kommission genau daran gemessen werden müsse. „Demografie lässt sich nicht wegdiskutieren – sie zwingt zu langfristigen Antworten“, so Asmussen. „Ich bezweifele aber, dass es ein Erkenntnisproblem gibt, beim Thema Altersvorsorge, es fehlt an Mut zur Umsetzung der notwendigen Anpassungen.“