Im Rentenstreit haben sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD auf einen Deal geeinigt. Das Rentenpaket soll unverändert beschlossen werden. Um die Junge Gruppe der Union ins Boot zu holen, wird eine große Reformkommission eingerichtet. Die eigentlichen Konflikte um Rentenalter, Beitragssätze und Kapitalmarkt bleiben derweil bestehen.
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD haben ihren Rentenkonflikt vorerst beigelegt. Demnach soll das Rentenpaket unverändert im Bundestag beschlossen werden. Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) betonten, dass am Text nicht mehr gerüttelt werde. Das war eine zentrale Forderung der SPD. Damit rückt eine Entscheidung über alle Bausteine des Pakets in greifbare Nähe: Mütterrente, Aktivrente, Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2031, Reform der betrieblichen Altersvorsorge, die sogenannte Frühstartrente sowie die Neuordnung der privaten Altersvorsorge.
Ob die Junge Gruppe der Unionsfraktion mit ihren 18 Stimmen zustimmt, ist allerdings weiterhin offen. Um die Kritik der jungen Abgeordneten zu entschärfen, einigte sich die Koalition auf ein Zugeständnis. Parallel zum Rentenpaket soll ein Entschließungsantrag verabschiedet werden, der eine grundlegende Reform des gesamten Altersvorsorgesystems ankündigt. Diese versprochene Reform soll eine noch im Dezember einberufene Rentenkommission vorbereiten. Diese soll bis Mitte 2026 konkrete Vorschläge vorlegen.
Bundesregierung übernimmt Habeck-Plan: Sozialbeiträge auf Kapitaleinkünfte
Der Arbeitsauftrag dieser Kommission ist weitreichend und brisant. Diskutiert werden sollen unter anderem die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, mögliche Anpassungen beim Renteneintrittsalter, künftige Rentensteigerungen, die Entwicklung des Nachhaltigkeitsfaktors nach 2031 sowie Wege zur Begrenzung des Beitragssatzanstiegs. Gleichzeitig sollen Möglichkeiten geprüft werden, weitere Bevölkerungsgruppen wie etwa Beamte oder Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Zudem steht zur Debatte, ob Kapitalerträge künftig bei der Sozialversicherungspflicht berücksichtigt werden sollen. Diese idee hatte der ehemalige Wirtschaftsminister Robert Habeck Anfang 2025 ins Spiel gebracht und daraufhin von Kanzler Friedrich Merz herbe Kritik kassiert.
Ein weiterer zentraler Baustein ist die geplante Aktienrente. Der Bund will ein Aktienpaket im Wert von zehn Milliarden Euro nutzen, um den Vermögensaufbau junger Menschen zu unterstützen. Die Dividenden, nach Angaben von Klingbeil rund 400 Millionen Euro jährlich, sollen die Frühstartrente erweitern. Welche Bundesbeteiligungen veräußert oder genutzt werden, ist offen. Merz nannte hierzu lediglich Beispiele wie Telekom, Post oder Commerzbank.
Die Rentenkommission selbst soll 13 Mitglieder umfassen, darunter zwei gemeinsame Vorsitzende, drei stellvertretende Vorsitzende aus den Fraktionen sowie jeweils vier benannte Wissenschaftler. Beschlüsse sollen im Konsens gefasst werden, bei Bedarf auch per Mehrheitsentscheid. Für die Union spielt dieses Detail eine entscheidende Rolle, denn sie erhält zwei der drei stellvertretenden Vorsitzenden.
Pläne der Bundesregierung könnten 480 Milliarden Euro kosten
Einer der größten Kritikpunkte der jungen CDUler ist es, dass der aktuelle Regierungsentwurf zur Rente über den ursprünglichen Koalitionsvertrag hinausgeht. Während CDU, CSU und SPD vereinbart hatten, das Rentenniveau bis 2031 gesetzlich abzusichern, sieht der Entwurf aus dem Bundesarbeitsministerium eine dauerhafte Stabilisierung über diesen Zeitraum hinaus vor. Die Ökonomen Lars Feld und Clemens Fuest bezeichneten diesen Schritt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „technischen Trick“, der zu einer zusätzlichen Belastung von rund 15 Milliarden Euro pro Jahr führe – ohne dass dies im Koalitionsvertrag vereinbart gewesen sei.
Im Vergleich zu den ursprünglichen Koalitionsvereinbarungen, die nur eine Stabilisierung bis 2031 vorsahen, würde der Regierungsentwurf somit 306 Milliarden Euro mehr kosten. Laut einem Gutachten der Prognos AG im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) steigt die jährliche Mehrbelastung für den Bundeshaushalt von 18,3 Milliarden Euro im Jahr 2031 auf 27 Milliarden Euro im Jahr 2050.
Im Gutachten heißt es dazu wörtlich: „Die Kosten für die dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus und die Mütterrente 3 summieren sich bis 2050 auf rund 480 Mrd. Euro – nahezu identisch mit dem Volumen des Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaneutralität“.
Besonders kritisch sei zudem, dass die Bundesregierung noch vor Einsetzung der geplanten Rentenkommission Fakten schaffe. Diese sollte eigentlich bis zur Mitte der kommenden Legislaturperiode Vorschläge für eine langfristig tragfähige Altersvorsorge vorlegen. Warum die Bundesregierung nicht die Ergebnisse der Rentenkommission abwartet, die ohnehin einsetzen wollte, ist daher schon schwer fragwürdig.
Für die Bundesregierung ist die Einigung im besten Fall ein temporärer Ruhebringer. Denn spätestens zum Start der Kommission wird es einen heißen Tanz geben. Schließlich sollen dann die Grundsatzfragen des deutschen Rentensystems geklärt werden und damit ein Unterfangen auf den Weg gebracht werden, an das sich bisher kein Politiker wirklich herangetraut hat.
Topökonomen wollen Rentenpaket der Bundesregierung stoppen
Zuletzt hatte eine Gruppe aus 22 Ökonomen und Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen die Bundesregierung in einem Appell dazu aufgefordert, das geplante Gesetz zur Altersvorsorge gar nicht erst zu verabschieden. „Für Stabilität, Verlässlichkeit und Vertrauen braucht es eine Rentenpolitik mit langem Atem, die berechenbar und fiskalisch nachhaltig ist“, heißt es in dem Papier. Das Vorhaben der Regierung verfehle dieses Ziel. „Das Rentenpaket sollte deshalb in Gänze zurückgezogen werden“.
Die Autoren kritisierten, dass das Gesetz die demografischen Probleme des Rentensystems weiter verschärfen würde. Vor allem die jungen Generationen trügen zusätzliche Lasten, obwohl sie schon heute finanziell unter Druck stehen. Auch die Unterzeichner fordern Union und SPD auf, zunächst die Ergebnisse der geplanten Rentenkommission abzuwarten. Erst danach solle eine umfassende Reform angegangen werden. Zu den bekannten Namen zählen Ifo-Chef Clemens Fuest, die Wirtschaftsweisen Veronika Grimm, Monika Schnitzer und Martin Werding, IW-Präsident Michael Hüther sowie Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institute.