Europa-Rente Reloaded: Wird PEPP jetzt marktfähig?

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Die Europäische Kommission will mit einem Reformpaket das europaweite Altersvorsorgeprodukt PEPP aus dem Dornröschenschlaf holen. Versicherer und Vermittlerverbände sehen darin durchaus Chancen. Es gibt aber auch hohe Risiken für Beratung, Vergütung und Bürokratie. Zwischen Kostendeckel-Aus, „unabhängiger Beratung“ und Basis-PEPP droht ein neuer Grundsatzstreit um die private Altersvorsorge.

Seit März 2022 kann das paneuropäische private Pensions-Produkt (PEPP) - die sogenannte Europarente - angeboten werden. Einhergehend damit ist ein einheitlicher europäischer Binnenmarkt für die Altersvorsorge entstanden. Lange hat es bis dahin gedauert: Denn seit 2014 hat die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA an der Europa-Rente Pepp (Pan European Pension Product) geschraubt. Diese sollte nicht weniger als einheitliche Mindeststandards erfüllen und problemlos in andere EU-Länder mitgenommen werden können.

Herzstück der Europa-Rente ist das Basis-Pepp. Bei dieser Standardoption soll ein Kostendeckel verbaut sein, der die jährlichen Kosten begrenzt. Die Verwaltungskosten und Provisionen sollen in Summe nicht mehr als ein Prozent der Beiträge eines Jahres betragen dürfen. Diese Produktvariante muss zudem besonders strenge Regulierungsvorgaben im Sinne des Verbraucherschutzes erfüllen und soll demzufolge besonders für jene Verbraucher geeignet sein, die ein sicheres privates Vorsorgeprodukt wünschen.

Im Mai 2025 hatte der europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht PEPP ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Statt der angepeilten 700 Milliarden Euro Anlagevolumen bis 2030 kommt PEPP laut Bericht aktuell auf weniger als 12 Millionen Euro bei rund 5.000 Verträgen. Ein einziges Produkt sei überhaupt auf dem Markt. Die Hauptgründe laut Rechnungshof seien fehlende steuerliche Anreize, eine unrealistisch niedrige Kostenobergrenze von einem Prozent und bereits existierende Alternativen auf nationaler Ebene.

EU will PEPP-Reform

Mit ihrem „Supplementary Pension Package“ will die EU-Kommission die private Altersvorsorge in Europa neu beleben. Herzstück ist die Reform des Pan-European Personal Pension Product (PEPP), das seit seiner Einführung kaum vom Fleck kam. Nun sollen zentrale Hürden fallen. Einhergehend damit soll der Weg frei werden für mehr Produkte, mehr Wettbewerb und mehr kapitalgedeckte Vorsorge.

Aus Sicht der Versicherungswirtschaft ist das Reformpaket ein überfälliger Schritt. Der GDV begrüßt, dass bürokratische Bremsklötze wie die Pflicht, PEPP mindestens in zwei Mitgliedstaaten anzubieten, gestrichen werden sollen. Auch der starre Kostendeckel wird aufgeweicht. Für die Branche ist das die Voraussetzung, PEPP aus der Nische zu holen und stärker in nationale Altersvorsorgesysteme zu integrieren.

Auch die Verpflichtung zu einem einheitlichen Basis-PEPP soll entfallen. Anbieter sollen künftig eigene PEPP-Varianten entwickeln können, die sich besser an nationale Märkte, Produktlandschaften und Beratungskonzepte anpassen. Flankierend plant Brüssel ein europäisches „Pension Tracking System“ sowie nationale Renten-Dashboards, die Bürgern einen besseren Überblick über ihre Ansprüche aus allen Säulen der Alterssicherung verschaffen sollen.

„Das neue PEPP ist die Chance, die Weichen für eine zukunftsfeste Altersvorsorge in der EU zu stellen. Es schafft die Möglichkeit, einfache und integrierbare Produkte anzubieten, die Menschen EU-weit eine verlässliche Zusatzvorsorge ermöglichen“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Verbände warnen vor Brüsseler PEPP-Plänen

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) sieht sich mit der Reform in zentralen Kritikpunkten bestätigt. „Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass der Kostendeckel von einem Prozent und die fehlende Möglichkeit einer qualifizierten Beratung die größten Schwachstellen des PEPP sind“, erklärt BVK-Präsident Michael H. Heinz. „Die nun vorgesehene Abschaffung des Kostendeckels ist ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung. Sie ermöglicht endlich eine qualitativ hochwertige Beratung, die für eine sichere Altersvorsorge unverzichtbar ist.“

Aber: Altersvorsorge sei komplex, argumentiert der Verband, und ohne individuelle Beratung bestehe ein erhebliches Risiko von Fehlentscheidungen und Versorgungslücken. Kritisch bleibt zudem, dass das Basis-PEPP weiterhin ohne verpflichtende Beratung angeboten werden soll. Der BVK fordert, zumindest vor Vertragsabschluss eine Beratung vorzuschreiben. Neben dem Basis-PEPP sollen maßgeschneiderte Varianten mit Beratung und zusätzlichen Garantien möglich sein. Hier sieht der Verband Chancen für mehr Kundennähe, sofern die steuerliche Behandlung in den Mitgliedstaaten dem Wettbewerb mit nationalen Produkten nicht im Weg steht.

AfW: „Beratung zweiter Klasse“ und faktisches Provisionsverbot?

Deutlich skeptischer bewertet der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung die Brüsseler Pläne. Vor allem die geplante Neugestaltung des Basis-PEPP stößt auf Widerstand. Künftig soll bei der Beratung die Abfrage von Kenntnissen und Erfahrungen des Sparers entfallen. Das sei nicht weniger als ein Bruch mit etablierten Qualitäts- und Verbraucherschutzstandards. Die EU senke hier Beratungspflichten ab, obwohl gerade bei langfristiger Altersvorsorge die individuelle Situation entscheidend sei, warnt der Verband.

„Die EU-Kommission will ein einfaches Produkt schaffen und senkt dafür zentrale Beratungspflichten ab. Doch Einfachheit ersetzt nicht die fachliche Einordnung in die individuelle Lebenssituation“, betont AfW-Vorstand Norman Wirth. „Gerade bei langfristiger Altersvorsorge sind Kenntnisse, Erfahrungen und finanzielle Ausgangslage der Anleger entscheidend. Die vorgesehene Reduzierung der Standards gefährdet die Beratungsqualität und schafft ohne Not ganz erhebliche Risiken für die Verbraucher.“

Hinzu komme, dass Beratung zum Basis-PEPP ausschließlich „unabhängig“ erfolgen soll. Im Verständnis der Kommission heißt das also ohne Vergütung durch Produktgeber, sprich ohne Provision. Aus Sicht des AfW ist das ein struktureller Konstruktionsfehler: Eine reduzierte Beratungspflicht trifft auf ein Geschäftsmodell, das sich für viele unabhängige Vermittler kaum noch rechnet. Profiteure wären vor allem große Banken, Versicherer oder Plattformen, die PEPP als standardisiertes Massengeschäft ohne echte Individualberatung vertreiben könnten. Der Verband sieht die Gefahr einer „Beratung zweiter Klasse“ und warnt vor faktischen Provisionsverboten durch die Hintertür. „Eine Beratung zweiter Klasse, verbunden mit einem Provisionsverbot – das passt nicht zusammen. Wer hochwertige Altersvorsorgeberatung leisten und für deren Inhalt auch haften soll, braucht ein tragfähiges Geschäftsmodell. Hier schafft die EU ein strukturell komplett unausgegorenes Regime.“, moniert Wirth.

VOTUM: Mehr Regulierung statt Bürokratieabbau

Auch der VOTUM-Verband spart nicht mit Kritik. In einer ausführlichen Analyse bezeichnet Geschäftsführer Martin Klein den Kommissionsvorschlag als „Bürokratie-Wolf im Schafspelz“. Statt aus dem bisherigen Flop des Produkts zu lernen, schaffe Brüssel neue Regulierungsebenen und technische Standards.

Besonders umstritten ist der Versuch, in der PEPP-Verordnung den Begriff der „unabhängigen Beratung“ eigenständig zu definieren und, dass inklusive eines generellen Ausschlusses von Provisionen. Aus Sicht von des Verbands greift die Kommission damit der laufenden Debatte zur Retail Investment Strategy vor und versucht, zentrale Vergütungsfragen am Parlament vorbei zu regeln.

Beim Basis-PEPP sieht der Verband ein ähnliches Problem wie der AfW: Das Produkt soll ausdrücklich für beratungsfreies Geschäft konzipiert werden, eine Beratung nur noch auf unabhängiger Honorarbasis möglich sein. Für Ausschließlichkeitsorganisationen, Mehrfachagenten, Makler und viele Finanzanlagevermittler wäre dieses Segment damit de facto verschlossen. VOTUM prognostiziert, dass sich unter diesen Bedingungen kaum Anbieter finden werden, die überhaupt ein Basis-PEPP entwickeln. Altersvorsorge ohne Beratung sei schlicht nicht marktfähig.

Hinzu kommen zusätzliche Berichtspflichten und neue technische Regulierungsstandards etwa für Lebenszyklusstrategien und Risikominderungsmechanismen. Statt den vielbeschworenen Bürokratieabbau zu liefern, schaffe die Reform aus Sicht des Verbandes die Grundlage für weitere Eingriffe in Produktgestaltung und Preis-Leistungs-Benchmarks.